schraubenschlüssel

Bordwerkzeug braucht kein Mensch

Ich bin ein eher fauler Mensch. Und ich bin – oder besser ich war – davon überzeugt, dass es eher unnötig ist, hier im schönen Mitteleuropa einen Satz Bordwerkzeug im Rahmen einer Motorradtour mitzuschleppen.

September 2019:

Ich befinde mich gerade bei einer kleinen Motorradtour, mitten im Nirgendwo in den französischen Alpen. Der Kühler kocht grundlos über, das Kühlwasser suppt heraus, während ich an einer Ampel warte. Und weil ich meine ADAC-Plus-Mitgliedschaft immerhin bezahle, rufe ich den Pannendienst an. Ich werde auch tatsächlich zu einer (Schneemobil-)Werkstatt geschleppt, die sich um das Problem kümmert. Oder es zumindest versucht. Das Hauptproblem besteht nämlich zunächst darin, dass der zuständige Mechaniker einen passenden Torx-Schraubendreher findet, um die Seitenverkleidung meiner BMW abzunehmen. Konnte ich ja fast nicht glauben, dass ausgerechnet in Frankreich keine Torx-Schlüssel vorhanden sind…

Klar, irgendwann war das Problem gelöst und irgendwo hat der Mechaniker meines Vertrauens (hüstel) dann doch einen Torx-Schraubendreher aufgetrieben. Aber ganz ehrlich: Hätte ich zu diesem Zeitpunkt ein passendes Set Bordwerkzeug zur Hand gehabt, hätte ich ihm das notwendige Material in die Hand drücken können und so die ersten 20 Minuten abgekürzt.

Also ja, irgendwie bin ich immer noch der Meinung, einen Satz Bordwerkzeuge auf dem Motorrad mitzuschleppen, wenn ich in Europa unterwegs bin, ist unnötig. Andererseits kann es doch vielleicht die eine oder andere Situation ein wenig erleichtern.

Das Original-Bordwerkzeug reicht nicht

Bei meiner F800GS ist das mitgelieferte Bordwerkzeug sehr überschaubar. Ein Schraubendreher und ein Torx-Schlüssel, das wars dann. Das reicht auch für bescheidene Ansprüche nicht.

Natürlich gibt es von BMW selbst auch gleich die passende Lösung für dieses Manko. Nämlich den BMW-Werkzeug-Ergänzungs-Satz. Und dies für den bescheidenen Preis von nur 133€. Dafür bekommt man dann (Torx-) Schraubenschlüssel für die meisten Verkleidungsteile sowie noch eine kleine Zange und ein wenig Kleinkram. Ein stolzer Preis für das angebotene Werkzeug.

Die andere Möglichkeit wäre der Kauf eines Werkzeugsets aus dem Zubehörhandel. Für die gängigen Motorradmarken haben sich da schon einige schlaue Leute Gedanken gemacht und passende Sets zusammengestellt. Gerade für meine BMW gibt es schon was von Touratech oder Wunderlich. Ist zwar auch nicht ganz günstig, aber zumindest mit Verstand zusammengestellt.

Mein Bordwerkzeug selbst zusammenstellen

Und dann gibt es noch die letzte Möglichkeit. Ich habe mich entschlossen, mir selbst mein Bordwerkzeug zusammenzustellen. Ist für mich auch am effektivsten, insbesondere wenn ich bedenke, was ich überhaupt damit anfangen möchte.

Ich bin da realistisch. In all den Jahren hatte ich insgesamt nur drei mal eine „klassische“ Panne mit dem Motorrad. Das erste mal war ein Kolbenfresser (damals mit dem Zweitakter). Da war selbst mit noch so viel Bordwerkzeug nichts zu machen. Das nächste mal (mit meiner alten V-Strom) war es ein Problem mit der Elektrik, was meine Motorradtour (aber zum Glück schon die Heimfahrt) unterbrach. Und ganz ehrlich, das hätte ich mit noch so viel Werkzeug nicht lösen können. Und zuletzt? Da war es der Kühlwasserdeckel. Und da hätte ich (mangels Wissen) auch nichts machen können.

Andererseits hatte ich mit dem Motorrad im Urlaub auch schon Sorgen, die sich mit ein wenig Werkzeug durchaus hätten lösen lassen. Fast immer nach Stürzen. Mal die Montage neuer Blinker, mal ein Schalthebel, der verbogen war, dann wieder ein Kofferträger, der nach dem Sturz kaputt ging. Oder eben die Navi-Halterung, die sich mal nach Vibrationen verabschiedet hat. Klar, da wäre ein wenig passendes Werkzeug nicht schlecht gewesen.

Die eigenen Grenzen kennen

Auf jeden Fall bin ich Realist genug, um zu wissen, was ich brauche und was ich kann. Wenn ich mir einen Satz Bordwerkzeug zusammensuche, mit dem ich am Ende die Maschine komplett zerlegen, nebenbei einen Reifenwechsel durchführen und die Jahresinspektion durchführen könnte, ist das viel zu viel. Dazu reichen nämlich meine Kenntnisse nicht. Und es ist auch unnötig.

In den Gegenden, wo ich mich herumtreibe, nämlich im schönen Europa, gibt es einen Pannendienst in Telefonreichweite. Mal warte ich eine Stunde, mal einen ganzen Vormittag, aber zumindest kommt jemand, der sich (vielleicht) damit auskennt. Da muss ich definitiv nicht irgendwelche verschrobenen Spezialwerkzeuge mitführen. Lohnt nicht. Auch Werkzeug für einen Radwechsel ist unnütz. Ist ja nicht gerade so, als hätte ich immer einen Ersatzschlauch mit…

Wozu das Werkzeug also gut sein soll? Vielleicht Hebel und Armaturen abschrauben, in meinem Fall die Navihalterung befestigen, auch mal die Verkleidungsteile entfernen und alles mögliche, um unterwegs „Flickarbeiten“ vorzunehmen. Auf keinen Fall brauche ich daher ein vollständiges Werkzeugsortiment.

Was muss ins Bordwerkzeug?

Was braucht das Motorrad?

Bei meiner Suzuki DR650 wäre es recht leicht. Da habe ich kürzlich eine kleine Inspektion erledigt und war dann doch erstaunt, wie wenig Werkzeug ich tatsächlich benötige.

Bei meiner F800GS sieht es schon ein wenig anders aus. Die BMW ist vor allem mit Torx-Schrauben ausgestattet. Und auch, wenn Torx für Schraubarbeiten wirklich angenehm sind (eine Torxschraube rund zu drehen ist nicht einfach), ist das eben nicht in den Standard-Werkzeugsätzen enthalten. Da muss halt noch was gehen.

Ein Basisset

Am einfachsten ist es meiner Meinung nach, ein kleines Basisset anzuschaffen und dieses dann ein wenig zu ergänzen. Zumindest habe ich es so gemacht. Hat den Vorteil, dass dann gleich die passende Werkzeugrolle (irgendwo muss das Zeug ja rein) dabei ist und ein wenig nützlicher Kleinkram ist meist auch drin. Auch wenn dieses Werkzeug dann nicht genau passend ist für meine BMW.

Kurz bei Amazon reingeschaut und das Einsteiger-Bordwerkzeug bestellt. Das ist schon ganz nett, enthält aber nicht unbedingt genau das, was ich brauche. Aber immerhin ein guter Start. Eine Knarre, Schraubendreher mit Bits, ein Engländer. Und das alles recht handlich verpackt in einer Mappe.

bordwerkzeug, billig

Einfach und günstig. Aber für die F800GS ist das Bordwerkzeug noch nicht ganz passend.

Zuerst fliegen bei mir jedoch die beiden Zangen raus. Eine Spitzzange ist zwar nett und ein Seitenschneider ist vielleicht auch nicht ganz unnütz, aber beide nehmen Platz weg, der effektiver genutzt werden kann. Außerdem habe ich sowieso immer ein Multitool im Tankrucksack. Das mag zwar nicht ganz so gut sein, wie eine „echte“ Zange, muss aber für unterwegs reichen.

Das Basiswerkzeug erweitern

Wasserpumpenzange

Eine kleine Wasserpumpenzange ist meiner Meinung nach fast das beste aller Werkzeuge, was ich anschaffe. Als Schraubenschlüsselersatz ultimativ einsetzbar und immer passend.

Die meisten würden würden jetzt zum Luxus-Modell von Knipex raten. Habe ich auch in der Garage. Für das Bordwerkzeug finde ich das aber ein wenig „gesponnen“. So selten wie das Bordwerkzeug (hoffentlich) gebraucht wird, reicht meiner Meinung nach das kleine Basis-Modell einer einfachen Wasserpumpenzange.

Torx-Bits und -Nüsse

Klar, wenn das ganze Motorrad mit Torx-Schrauben (wobei der richtige Begriff „Innensechsrund“- oder „Außensechsrundschrauben“ lautet, nur wer sagt schon so dazu?) zusammengesetzt ist, brauche ich auch passende Stecknüsse und Bits dazu.

torx-bits

Torx Bits gibt es recht günstig, einzelne Außentorx kosten auch fast nichts. Ist zwar nicht die allerbeste Qualität, reicht aber.

Ich habe es mir einfach gemacht. Die Bits gab es für kleines Geld als Pack, die Nüsse, von denen ich nur ein paar Größen brauche, habe ich mir einzeln im Baumarkt um die Ecke geholt.

Draht

Eigentlich (zumindest meiner Meinung nach) das Wichtigste Utensil in meinem Bordwerkzeug. Ein wenig Draht für Flickarbeiten aller Art, für „Feldreparaturen“ und zum Befestigen aller losen Motorradteile. Gehört auf jeden Fall und immer in die Werkzeugtasche.

Draht

Ein Stückchen Draht (muss nicht die ganze Rolle sein) ist das ultimative Ersatzteil, das immer mitgeht.

Normalerweise würde ich jetzt noch Klebeband nennen. Aber in meinem Tankrucksack ist sowieso immer eine kleine Rolle Gewebeband. Auch so ein ultimatives „Heilmittel“ aller Wehwehchen, die am Motorrad auftreten können.

Qualität hat ihren Preis

Wer gescheites Werkzeug anschaffen möchte, muss den Preis dafür bezahlen. Du bekommst genau das, was du verdienst.

Ich habe es mir recht leicht gemacht. Für mein Bordwerkzeug ist lediglich günstiges, teilweise sogar billiges Werkzeug eingekauft worden. Ich möchte das Zeug nicht jeden Tag einsetzen, sondern lediglich im Bedarfsfalle eine Art Notreparatur vornehmen können.

Während ich bei Werkzeug für den täglichen Bedarf durchaus bereit bin, auch mal tiefer in die Tasche zu greifen, finde ich, dass Material, das im Idealfall nur alle paar Jahre mal angefasst werden muss, nicht unbedingt viel kosten muss. Nutzt sich ja nicht ab, oder?

Das gesparte Geld finanziert immerhin dann schon ein oder zwei Jahre lang meine ADAC-Plus-Mitgliedschaft.

Die passende Verpackung

Mein kleines Werkzeugset passt locker in die ursprüngliche Verpackung des Zubehör-Bordwerkzeugs. Und dieses wiederum ganz angenehm nach unten in den Motorrad-Seitenkoffer. Am liebsten würde ich meine Werkzeugmappe natürlich unter die Sitzbank des Motorrads packen. Aber das passt bei der F800GS eben nicht. Das Fach ist einfach ein wenig zu klein.

Bei meiner alten DL650 war da (gefühlt) schon ein wenig mehr Platz. Aber egal wie, das Bordwerkzeug muss einigermaßen ordentlich verpackt sein.

Werkzeugstahl ist nicht gleichbedeutend mit rostfrei. Und wenn das Motorrad eben draußen steht (meine Motorräder waren nicht immer Garagenfahrzeuge), dann wird es durch die Feuchtigkeit (auch wenn es nicht direkt unter die Sitzbank regnet) natürlich auf Dauer nicht besser.

Ich mache es mir einfach und packe die ganze Mappe mit dem Werkzeug in einen Plastikbeutel. Auch wenn ich meine Maschine in aller Regel in der Garage parke, schadet es bestimmt nicht. Das reicht für mich gegen die Feuchtigkeit.

Und was geht jetzt nicht?

bordwerkzeug

Sieht schon ein wenig besser aus und passt gerade so in die Verpackung. Aber so sieht das fertige Set dann aus. Nur eben Spitzzange und Seitenschneider rausnehmen (dann passt auch alles besser)

Was mit dem von mir zusammengestellten Bordwerkzeug nicht klappt, sind umfassende Wartungsarbeiten. Schon alleine das Spannen der Motorradkette wird hier (obwohl grundsätzlich möglich) zum Kraftakt. Aber das will ich ja auch gar nicht. Wenn ich das nicht vor dem Motorradurlaub erledigt habe, habe ich was falsch gemacht, oder? Und auch einen Reifenwechsel kann ich damit nicht unterwegs vornehmen. Schon alleine deshalb, weil ich noch nie einen Ersatzreifen dabei hatte…

Klar, es gibt sie. Diejenigen, die abends auf dem Campingplatz geradezu eine Inspektion vornehmen. Die unterwegs mal kurz bei einem Platten das Hinterrad ausbauen. Geht alles. Ist aber für mich schon ein wenig überzogen, so lange ich mich nicht auf zur Weltreise mache.

Was ich aber damit erledigen kann:

Einen verbogenen Schalthebel geradebiegen oder austauschen. Einen abgebrochenen Kupplungshebel tauschen. Eine ab vibrierte Navihalterung wieder fest schrauben. Oder eben ein paar Verkleidungsteile demontieren. All das ist möglich und schon mal ein guter Anfang.

Und mehr will ich doch gar nicht.

Das kleine Set Bordwerkzeuge ist einfach zusammengesetzt, recht günstig und reicht für die paar Arbeiten, die ich im Rahmen eines Motorradurlaubs unter Umständen unterwegs vornehmen muss.