motorradhelm, alt

Die Gewohnheitstiere (oder so)

Ich bin ja durchaus ein Freund von liebgewonnenen Gewohnheiten. Wenn etwas funktioniert, gut funktioniert, dann muss da auch nichts geändert werden, vor allem nicht nur um der Veränderung willen.

Einer meiner Arbeitskollegen (hallo Chris) ist diesbezüglich ganz ähnlich gestrickt. Er hat beispielsweise für sich bereits vor Jahrhunderten (zumindest gefühlt) festgestellt, dass sein Traummotorrad eine Yamaha XV 535 Virago ist. Und die werden ja seit 2003 nicht mehr hergestellt. Klar, dass dies die Situation nicht einfach macht. Daher hat er sich in den letzten drei Jahren auch noch zwei zusätzliche Maschinen angeschafft, so dass er nun drei nahezu baugleiche Viragos in der Garage stehen hat. Jeder, wie er will…

Und beim Thema Motorradhelm hat er seine Wahl eben auch schon getroffen. Der einzig wahre Motorradhelm für ihn ist der Schubert J1. Kennt den noch jeder? Das ist dieser Jethelm mit dem Metallbügel am Kinn. Problem ist, dass es diesen Helm seit etwa 2013 nicht mehr zu kaufen gibt.

Aber wenn es nun unbedingt der J1 sein muss? Da bleibt dann nur noch der Weg über den Gebrauchtkauf über Ebay-Kleinanzeigen.

Kann ich einen Motorradhelm gebraucht kaufen?

Jetzt ist es natürlich kein Problem Motorradbekleidung aller Art gebraucht zu kaufen. Habe ich selbst auch schon getan, kann durchaus funktionieren. Für mich persönlich habe ich, vor allem aus hygienischen Gründen, Handschuhe, Helme und Stiefel bislang ausgeschlossen.

Wer sich einschlägige Ratgeber ansieht, der wird auch immer mal wieder auf den Hinweis stoßen, dass es nicht unbedingt ratsam ist, gebrauchte Motorradhelme anzuschaffen, man wisse ja nie, was der Helm schon alles mitgemacht habe und wie das Innenleben aussieht. Und weil keiner wissen kann, ob der Helm schon kaltverformt wurde, ist er nicht mehr sicher,

Das stimmt so nur teilweise.

Die Sache mit dem kaputten Helm

Kleine Materialkunde

Das niemand in einen Helm hineinschauen und Beschädigungen sehen kann, ist so nicht richtig. Zumindest bei vielen Helmen nicht.

Hier kommt es ganz klar auf die Bauart und die verwendeten Materialien an. Die Außenschale eines Motorradhelms ist aus Thermoplatmaterialen oder Duroplastmaterialien, innen liegt eine Schicht Styropor.

Die billigen Motorradhelme aus dem Versandhaus bestehen aus einem Thermoplastmaterial, beispielsweise Polycarbonad oder Polyamid. Also ganz einfachem Plastik. Bei der Herstellung werden Kunststoffkügelchen erhitzt und unter hohem Druck in eine Form gespritzt. Ergebnis ist eine Helmschale, welche wie bei anderen Kunststoffprodukten eine gewisse Flexibilität besitzt. Knallt der Motorradhelm aus zwei Metern Höhe nun vom Regal auf den Boden, kann durchaus die Helmschale ein wenig eingedrückt werden und das Innenleben des Helms aus Styropor dadurch verformt werden. Mit dem Ergebnis, dass die dämpfende Schicht Styropor dadurch dauerhaft verformt wird und dadurch an genau dieser Stelle die Sicherheit nicht mehr gewährleistet sein kann. Und von außen sieht man dann nur eine kleine Macke an der Helmschale.

Bei den etwas hochwertigeren Helmen, beispielsweise bei meinem eigenen Schuberth C3 besteht die Helmaußenschale aus einem Duroplastwerkstoff, in meinem Fall aus Glasfaser. Und, da mir dies schon mal bei einem älteren Helm passiert ist: Wenn der vom Regal fällt und sich dabei verformt, dann sieht man das. Nicht nur ein wenig, da sieht die Helmschale gleich ziemlich kaputt aus.

Kann man also doch rein gucken?

Ja. Zumindest teilweise bei Motorradhelmen aus einem Duroplastmaterial. Wenn die Helmaußenschale frei von „Macken“ ist, kann ich davon ausgehen, dass er nicht so weit misshandelt wurde, dass sich die Styroporschicht im Helm verformt hat.

Und bei den billigen Thermoplasthelmen kann man es eben nicht genau sagen.

Das Alter des Helms

Ein Motorradhelm hält nur fünf Jahre

Tja, und im konkreten Fall hat sich mein Kollege einen etwa zehn Jahre alten Motorradhelm gebraucht gekauft. Und wer jetzt einschlägige Ratgeber gelesen hat, der wird irgendwann mal auf den Hinweis gestoßen sein, einen Motorradhelm nach fünf Jahren oder so zu wechseln.

Und auch dies ist auch ein wenig vereinfacht.

Die Sache mit dem UV-Licht

Wenn der ADAC erklärt, dass nach etwa fünf Jahren ein Motorradhelm am Ende seines Lebens angekommen ist, dann ist diese Aussage erst mal mit Vorsicht zu genießen. Das kommt nämlich wie immer auf den Einzelfall an.

Wenn ich einen günstigen Baumarkthelm nutze, dann ist der aus einem Thermoplastmaterial. Und ein Nachteil davon ist, dass dieses nicht UV-beständig ist. Was bedeutet, dass solch ein Helm bei häufiger Nutzung und vielleicht auch Lagerung an einem dunklen Ort einfach nur auf Grund der Sonneneinstrahlung altert. Der verwendete Kunststoff wird spröde, weniger zäh und ganz allgemein verliert er die notwendige Stabilität. Nutze ich also so einen Helm, dann ist er irgendwann mal alleine auf Grund seines Alters mürbe und muss ausgetauscht werden. Soweit haben die diversen Ratgeber also recht.

Etwas anderes ist es, wenn ich einen Helm aus Duroplastmaterial habe. Dies ist nämlich in aller Regel UV-beständig. Lasse ich also so einen Helm einfach mal für einige Jahre auf dem Regal liegen, altert er zumindest nicht auf Grund der Sonnenseinstrahlung. Und damit ist diese pauschale Regel, einen Motorradhelm nach fünf Jahren auszutauschen, nicht zutreffend.

Das Innenleben

Ein Helm besteht jedoch nicht nur aus Außenschale und Styroporschicht zum Dämpfen.

Das Helmfutter, Schnallen und das Visier gibt es ja auch noch. Und hier kann man ja ebenfalls bei einem Motorradhelm Alterungserscheinungen feststellen. Und hier kann ich beim Gebrauchtkauf eben auch feststellen, wie dieser genutzt wurde.

Wenn ein Motorradhelm häufig genutzt wurde, dann sieht man das. Das Futter nutzt sich ab, bei jeder Reinigung muss es raus genommen, gewaschen und wieder rein gefummelt werden. Trage ich einen Motorradhelm viel und häufig, sieht man das.

Auch solche Kleinigkeiten wie Wangenpolster nutzen sich mit der Zeit ab, werden dauerhaft eingedrückt und verformt. Mit zunehmender Nutztung verflüchtigen sich Weichmacher in den Kunststoffteilen und diese verlieren Flexibilität.

Und das Visier? Bei dauerhafter Nutzung zerkratzt es immer mehr, egal wie ich aufpassen möchte.

Fazit

Ja, man kann einen Motorradhelm auch gebraucht kaufen. Zumindest mit ein wenig Vorsicht und Achtsamkeit.

Für mich persönlich ist das jetzt nichts. Einen Helm möchte ich im Voraus ausprobieren.

Und wenn ich bedenke, wie viel Schweiß ich in meinem Helm bei einer längeren Motorradtouren lasse, möchte ich dies eigentlich nicht haben bei einem neuen gebrauchten Motorradhelm. Egal wie das Innenfutter gewaschen wurde.

Wer also genau weiß, welchen Helm in welcher Größe er will und ein wirklich sehr gut erhaltenes Exemplar bekommt, der kann dieses Teil durchaus auch gebraucht kaufen. Für mich ist das aber eher nichts.