Früher war alles besser

Diesen Satz (oder so was in der Art) habe ich ja schon oft gehört. Und auch wenn ich nicht vollständig zustimmen kann, gibt es doch einiges, was ich von früher vermisse.

Vor einiger Zeit hat es mich auf den Oldtimer-Teilemarkt verschlagen. Und dort war es ganz nett. Mal zwischen den einzelnen Ständen durchschleichen, die einzelnen Auslagen begutachten (war auch viel Schrott dabei) und ein wenig bummeln.

Und dabei musste ich feststellen, dass viele der Motorräder, die inzwischen als Oldtimer bezeichnet werden, eigentlich gar nicht so weit von meinem „Motorradleben“ entfernt sind.

Da erinnere ich mich an die Zeiten, als ich noch mit einer MTX80 unterwegs war, mein erstes „richtiges“ Motorrad, eine XT250 vor der Türe und die Welt mir offen stand.

Die Ära der Mittelklasse-Einzylinder-Enduros

Irgendwann Ende der 80er bis Mitte der 90er war doch gefühlt jedes zweite motorrad, dass unterwegs war eine mittlere Einylinder-Enduro. Motorräder vom Schlage einer Yamaha XT600, eine Suzuki DR oder auch, mit ein wenig mehr Verkleidung und Plastik drum herum eine Honda Dominator.

Da ging es natürlich nicht nur um die nüchternen technischen Daten, die waren nur mäßig spektakulär. Nein, was den Charme dieser motorräder (zumindest für mich) ausmachte, war doch das Gefühl, sich einfach auf die Tenere setzen zu können und dann die große Weltumrundung zu beginnen. Zugegeben, die meisten Motorradfahrer sind höchstens mal in die Alpen aufgebrochen, an Gelände war meist der heimische Waldweg das höchste der Gefühle und von Expeditionen oder Weltreisen konnte der geneigte Fahrer nur in den einschlägigen Motorradmagazinen lesen.

Aber immer dieses Gefühl: „Ich könnte ja“.

Klar, wer sich die Datenblätter dieser Motorräder anschaut, wird jetzt nicht besonders beeindruckt sein. 40 bis 50 PS, rausgeholt aus einem einzelnen 600er oder 650er Zylinder, alles rappelt und vibriert. Der Motor brauchte nach 40.000 bis 50.000 Kilometern eine Revision. Die Fahrwerke waren auch noch auf dem Stand der 80er Jahre, mit eher dünnen Gabeln und nur mäßigen Federbeinen. Aber immerhin, das Gefühl von Freiheit und Abenteuer war eben auch da.

Oder will hier jemand abstreiten, dass eine vor der Türe stehende Tenere nicht ein paar Gedanken an die Durchquerung der gleichnamigen Wüste hervor zaubert?

Ja, die alten Einzylinder-Enduros waren für mich schon irgendwie mit Emotionen verbunden.

Und so war es dann auch ganz klar, dass ich zunächst eine alte XT, als nächstes dann eine Pegaso (zu viel Plastik, zu wenig Abenteuer-Feeling) angeschafft habe.

Klar, realistisch betrachtet wäre so ein Motorrad dann doch noch nicht mal eben für eine Wüstendurchquerung geeignet gewesen, aber immerhin: Dieses Gefühl „Mann könnte ja irgendwie“, das blieb.

Und es blieben auch die praktischen Vorteile.

Immerhin waren die genannten Enduros vergleichsweise günstig in der Anschaffung und im Unterhalt, recht robust und so einfach aufgebaut, dass jeder (mich eingeschlossen) die Grundlagen der Motorradwartung dort üben konnte. Einfach zu fahren waren sie dann auch noch, haben Fahrfehler großzügig verziehen, die Motorleistung war überschaubar (jedoch ausreichend), das Fahrwerk zwar nur mäßig stabil, aber für den Fahranfänger dann doch geeignet.

Also eigentlich waren das die perfekten Anfängermotorräder.

Und inzwischen? Sind meine damaligen Traummotorräder irgendwie sang- und klanglos verschwunden. Die Produktion eingestellt, kein Bedarf mehr danach.Dabei kann ich das gar nicht so nachvollziehen. Hat sich wirklich der Kundengeschmack geändert? Gab es keine Verkäufe mehr? Bin ich der letzte einer aussterbenden Art?

Wo sind sie alle hin?

Letztes Jahr habe ich mir eine DR650 angeschafft. Passt ja auch irgendwie. Aber bei der Gelegenheit musste ich feststsellen, dass mir meine Traummotorräder von damals irgendwie abhanden gekommen waren.

Wo sind denn inzwischen die 600er oder 650er Einzylinder? Alle vom Markt verschwunden.

Ist es Spezialisierung, die den Markt bereinigt hat?

Klar, wer mit dem Motorrad ins Gelände will, der wird sich eine „echte“ Geländemaschine zulegen, keine DR650RE (zu groß, zu klobig, zu schwer, zu weich). Dann lieber eine 250er. Und auf der Straße sind eben andere Maschinen besser aufgehoben. Wer eine Reiseenduro sucht, der wird sich eher in den Bereich Transalp oder, wenn größer gewünscht dann schon in Richtung BMW GS umschauen. Irgendwie ist die Mittelklasse Stück für Stück weggestorben.

Ich glaube, der letzte Vertreter der 650er-Klasse ist die KTM 690 Enduro-R. Die konnte ich erst ein mal eine Runde um den Block fahren (vor knapp zwei Jahren während einer Reparatur an Schatzis Maschine), musste dabei aber feststellen, dass dieses Motorrad irgendwie auch gar nichts mehr mit den „Enduros von damals“ zu tun hat. Knackiges Fahrwerk, aggressive Motorabstimmung und anstatt einer Sitzbank war da eher ein Brett montiert. Für mich jetzt nicht gerade die besten Voraussetzungen, um ins große Abenteuer zu starten und die Welt zu umrunden.

Also auch keine zahmen Enduros.

Wobei inzwischen feststeht, dass sich die Motorradklassen in dem Bereich schon ein wenig verschoben haben.

Moderne Einzylinder-Maschinen sind bei Motorleistungen von 25 bis 40 PS was den Hubraum angeht wesentlich kleiner, siehe hier vielleicht die kleinste GS von BMW. Oder eben die Honda CRF250. Wobei bei anderen Motorrädern dieser Einsteigerklasse dann auch wieder Zweizylindermotoren verbaut sind, beispielsweise bei der kleinen Versys oder der kleinen V-Strom.

Diese fallen aber sowieso nicht in das von mir behandelte Segment. Das Gefühl von Abenteuer und Weltreise? Eher nicht. Überschaubare Technik? Auch net. Preislich attraktiv? Schon eher.

Also Alles in Allem trennen sich die verschiedenen Motorradkonzepte schon ein wenig. Reisetaugliche Enduros werden größer, stärker, weniger geländegängig. Die Mittelklasse verschiebt sich immer weiter nach oben. Und dem Wunsch nach kleineren Maschinen kommt die Industrie mit 250er oder 300er-Motorrädern nach. Wobei ich finde, dass die auch gut auf der Straße aufgehoben sind. Aber die „alte Mittelklasse“ bleibt verschwunden.

Wo geht es hin?

Vor kurzem wurde die neue Tenere vorgestellt. Technisch und Leistungmäßig natürlich in einer ganz anderen Liga als ihre Urmutter. Und presilich nicht unattraktiv.

Auf jeden Fall technisch ein wenig überschaubarer als die aktuellen anderen Mittelklasse-Enduros vom Schlage einer F850GS oder Triumph Tiger 800XC. Und günstiger. Und auch etwas kleiner.

Auf jeden Fall könnte die ganze Klasse eine kleine Pause im „Wettrüsten“ vertragen. Vielleicht eine Art „Rückbesinnung“? Nicht jeder möchte eine kleine 250er fahren mit 25 PS oder dann gleich den Sprung zur machen mit 85PS. Da muss es doch noch irgendwas dazwischen geben.

Und wenn nicht, sollte mal jemand so was entwickeln…