Der Innenminister empfiehlt…

Wie jedes Frühjahr kommt zum diesjährigen Start der Motorradsaison auch die Politik zu der Entscheidung, man müsse für die Sicherheit auf der Straße mal wieder etwas tun. Dazu hat nämlich unser geschätzter Landesinnenminister eine Mitteilung über sein Programm herausgegeben. Insbesondere wegen dieser „Raser“ und ihrem Lärm. Denn, so kann der geneigte Leser erfahren, Raser und Lärm gelten als Hauptprobleme, die es bei der Bekämpfung tödlicher Verkehrsunfälle anzugehen gilt.

Und dann wird gleich noch darauf hingewiesen, dass gerade die etwas lebensälteren Motorradfahrer besonders häufig in Verkehrsunfälle verwickelt scheinen. Da würde ein wenig Prävention auch nicht schaden…

Eigentlich eine feine Sache. Zum Beleg werden gleich in der Pressemitteilung dann auch ein paar Schaubilder mitgeliefert.

Die Unfallstatistik prüfen

Geschwindigkeit

Jetzt ist es natürlich recht leicht, zu behaupten, die meisten Verkehrsunfälle mit Personenschaden bei Motorrädern wären auf zu hohe Geschwindigkeiten zurückzuführen. Deshalb ist der Kampf gegen „Raser“ ja erst mal ein hehres Ziel.

Wenn ich mir aber jetzt die Statistik anschaue und feststelle, dass bei 70% der Motorradunfälle mit Personenschaden die Unfallursache pauschal mit „Geschwindigkeit“ angegeben ist, stellt sich mir der Kamm. Natürlich ist bei den meisten Unfällen mit Personenschaden die „Geschwindigkeit“ als Hauptunfallursache mit dabei. Klar, war auch bei den Nicht-Motorradfahrern ja bis vor einigen Jahren der Fall. Das hat sich erst ab 2013 geändert. (siehe HIER)

Und dann wäre noch zu bedenken, dass die Unfallursache „Geschwindigkeit“ zunächst mal nichts mit „Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit“ zu tun hat, sondern eher mit „nicht angepasster Geschwindigkeit“. Das sind zwei ganz verschiedene Schuhe. Insbesondere deshalb, weil praktisch bei jedem Verkehrsunfall, bei dem ein Motorradfahrer den Asphalt berührt, die Maschine „überbremst“ wird, ein Ausweichmanöver daneben geht oder eben schlichtweg eine Kurve falsch eingeschätzt wird. Und bei all diesen Unfällen wird dann als Unfallursache noch neben anderen, speziellen Gründen, noch die Kennzahl für „nicht angepasste Geschwindigkeit“ eingetragen. Dies führt dann naturgemäß dazu, dass die Geschwindigkeit von Motorradfahrern als Hauptgrund für schwere und schwerste Unfälle ausgemacht wird. Und damit auch zum Ziel polizeilicher Überwachungsmaßnahmen.

Beispiel:

Du bist mit dem Motorrad gerade auf deiner Hausstrecke unterwegs, legst dich in eine Kurve, dort findest du Rollsplit. Schrecksekunde, verbremst, Abflug über den Asphalt in die Botanik. In der Unfallstatistik wird jetzt eingetragen „Abkommen von der Fahrbahn nach rechts“ (immerhin machst du den Abflug in die Botanik), „nicht angepasste Geschwindigkeit“ (du warst ja so schnell, dass du nicht die Straßenverhältnisse im Kurvenbereich sehen und darauf reagieren konntest) sowie „verschmutzte Fahrbahn“ (wegen des Rollsplits). Und schon ist die „böse Geschwindigkeit“ wieder bei den Unfallursachen aufgeführt.

Das verzerrt natürlich die Statistik. Oder es gibt zumindest dem Auswerter der Statistik die Möglichkeit, die Zahlen zu „interpretieren“. Dabei bleibt auf jeden Fall festzustellen, dass für diese Unfälle ja wirklich keine klare, klassische Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt wird. Zumindest nicht in der Mehrzahl der Fälle.

Jetzt stellt sich für mich natürlich die Frage, wie ein solches Problem dann in der Praxis überwacht werden soll.

Lärm

Wir (als Land) wollen natürlich auch etwas gegen diesen unerträglichen Lärm machen, der eben an den schönen Motorradstrecken immer herrscht. Kann ich verstehen, ich würde mich auch ärgern, wenn ich auf meiner Terrasse sitze und dauernd dröhnen die Moppeds vorbei.

Zu diesem Zweck sollen auch hier mehr Kontrollen erfolgen. Hier soll dann der technische Zustand von Auspuffanlagen geprüft werden.

Jetzt gibt es, da stimme ich natürlich zu, genügend Motorradfahrer, die einen Sportauspuff montieren, den db-Eater herausnehmen und damit auf ihrer Hausstrecke unterwegs sind. Aber, ohne jetzt die genauen Zahlen zu kennen, fühlt es sich doch eher so an, als wäre dies am Ende doch ein insgesamt eher kleiner Teil der Motorradfahrer. Den Allermeisten ist es doch heutzutage einfach zu viel Mühe, den Auspuff „auszuräumen“, oder? Und für die Handvoll, die das dann doch tun eine größere Kontrolloffensive starten?

Im technischen Bereich ist nicht mehr sooo viel Luft. Wer sich mal eine klassische 80er-Jahre-Maschine bei Nenndrehzahl anhört und dann einfach mal ein modernes Motorrad daneben stellt, wird auch ohne Meßgerät merken, dass sich im Hinblick auf den Lärmschutz doch schon viel getan hat. Da braucht doch kein Mensch mehr weitere Anstrengungen zu fordern.

Also insgesamt: Ist es denn tatsächlich so, dass sooo viele Motorradfahrer mit zu lauten Auspuffanlagen herumfahren, dass Ressourcen der Verkehrsüberwachung darauf angesetzt werden? Wäre es nicht viel wichtiger, das dort investierte Geld in andere Projekte (vielleicht Unfallprävention) zu stecken?

Die alten Fahrer

Tja, und dann gibt es noch diese „alten“ Motorradfahrer Ü50. Die sind ja laut Statistik ein echtes Problem. DIe sind ja die am häufigsten bei Unfällen vertretene Altersgruppe, immerhin gehen ja 25% der Motorradunfälle auf deren Konto. Da muss man was machen, oder?

Na ja. Diese Generation ist halt allerdings auch die als Motorradfahrer insgesamt am häufigsten vertreten. Laut Motorradonline sind nämlich knapp 40% aller Motorradfahrer Ü50. Das bedeutet also, der Inneminister will eine Präventionskampagne starten, um eine Personengruppe, die signifikant seltener an Unfällen beteiligt ist, über die Gefahren im Straßenverkehr aufzuklären…

Die Verbesserungen der Verkehrswege

Tja, das würde mich jetzt auch interessieren. Jedes Jahr wird davon geredet, die Straßen auch durch bauliche Maßnahmen sicherer zu machen. Ich würde tatsächlich gerne mal sehen, wie denn dieser jährliche Plan denn umgesetzt wird.

Zur Verdeutlichung:

Bei mir im Landkreis wurde 2014 eine bauliche Veränderung durchgeführt. Im Bereich „Hintere Höfe“ wurde die dortige Applauskurve mittels Unterfahrschutz „entschärft“. Das war auch gut so und definitiv wichtig. Seitdem kam es zu keinem Unfall mehr mit Schwerstverletzten. Allerdings war die auch setdem die einzige bauliche Maßnahme bei uns im gesamten Landkreis, bei der die Sicherheit von Motorradfahrern verbessert wurde.

Ganz klar: vollmundige Versprechen sind ja schön und gut. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass umbauten, welche ja nunmal Geld kosten, wesentlich enthusiastischer angekündigt als tatsächlich durchgeführt und bezahlt werden…

Fazit

Ich bin mit der Verkehrssicherheitskonzeption nicht einverstanden. Bereits die Schlagworte „Raser“ und „Lärm“ zeigen Meiner Meinung nach, dass hier schon eine gewisse „Grundstimmung“ gegen die bösen Motorradfahrer Fahrt aufnimmt. Und eine genauere Prüfung der Unfallstatistik zeigt dann recht schnell, dass die Daten schon systemseitig verzerrt sind.

Was noch dazu kommt: Insbesondere bei der Kampagne für die älteren Fahrzeugführer gilt „Ziel verfehlt“.