An der Eisdiele
Das Wochenende vor dem Tag der Arbeit. Das Wetter ist hervorragend, eigentlich der perfekte Zeitpunkt für eine kleine Motorradtour. Aber wie es nun mal so ist, ich muss (pünktlich zum Tag der Arbeit) wieder Arbeiten. Das Leben kann sehr ungerecht sein.
Immerhin habe ich die Chance, in meiner Pause eine Eisdiele zu besuchen und einfach mal ein wenig auszuspannen. Und mich umzuschauen.
Und während ich mit einem Kollegen an einem mühsam ergatterten Tischlein sitze, fängt es an zu grollen. Ein Erdbeben? Ein dutzend steuerlose Lkw? Ein prähistorischer Traktorverband?
Nö. Einen Augenblick später kommt eine etwas ältere 1400er Intruder angepöttelt. Und was für eine. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, der hatte auf jeden Fall viel Zeit, Geld und (fehlgeleitete?) Liebe für sein Motorrad übrig.
Die Intruder funkelt vor Chrom, alles blitzblank geputzt. Insgesamt ein gutes Zeichen. Auch wenn ich, was das angeht in einer anderen Welt lebe. Überall hängen irgendwelche Lederfransen an der Maschine herunter, soll wohl irgendwie stylisch wirken. An der Gabel hängt die unvermeidliche Werkzeugrolle aus Leder (hat da denn schon mal irgendwer irgendeine Art Werkzeug tatsächlich drin verstaut?). Als Lenker dient ein „Ape-Hanger“ von geradezu apokalyptischen Ausmaßen. Einfach gewaltig. Wo bei anderen Motorrädern Fußrasten sein sollten, sehe ich nur zwei Trittbretter, vom Grundsatz her ausreichend dimensioniert, dass da noch ein Mitfahrer drauf sitzen könnte. Und hinten an der Maschine ist ein 200er Hinterreifen angebracht. Sieht echt gewaltig aus. Und dann noch die Geräusche. Ich habe ja nichts gegen einen Austauschauspuff. Aber wenn ich mich in der Nähe nur noch schreiend verständigen kann, ist es vielleicht doch ein wenig zu laut.
Und so eine Intruder rollt nun vor vor dem Tonys http://www.toniseis.de/ an. Sieht auf jeden Fall ein wenig grotesk aus. Immerhin habe ich es ja mit einem Japan-Chopper zu tun, die sollten ja eigentlich ein wenig „brav“ sein.
Und auf der Maschine sitzt auch gleich der passende Fahrer. Bekleidet mit so einer seitlich geschnürten Lederhose, Jeanshemd und goldenem (!) Jethelm. Locker und lässig den Seitenständer (ebenfalls verchromt) herunter geklappt und dann mit gewichtigen Schritten auch ein Eis geholt.
Und da man sich ja im Dorf kennt, weiß ich, der wohnt gerade am anderen Ende der Ortschaft. Und dann beginnt er mit einem Bekannten zu quatschen. Jaja… tolles Wetter… erste Ausfahrt im Jahr… Motorrad will ja auch bewegt sein… nein, nur eine kurze Runde von der Garage hierher… ja, sieht echt toll aus… fährt sich auch klasse…
Nach einer viertel Stunde fährt er, diesmal irgendwie genauso lässig, schon weiter. Und ich kann nur den Kopf schütteln.
Ist lässig sein nicht zu anstrengend?
Also über den Aufwand, der in einer Intruder steckt, möchte ich ja auf keinen Fall lästern. Wer sein Hobby (seine Maschine) liebt, der wird natürlich so viel Geld und Aufwand hineinstecken, wie nötig.
Aber ist es denn vermessen zu sagen, dass eine solche Suzuki schon gar nicht mehr ordentlich zu fahren ist? Alleine der Lenker sorgt ja schon dafür, dass du nur noch verkrampft auf der Maschine sitzen kannst. Mit beiden Händen weit nach oben greifend. Wie will ich denn dann noch lenken?
Und lenken muss ich ja. Und zwar ziemlich viel. Denn mit einem 200er Hinterrad an so einem Bock zirkelt es sich ja nicht unbedingt leicht durch irgendwelche Kurven. Ist aber egal, denn ich kann ja dann gar nicht durch irgendwelche Kurven fahren, sonst rasple ich mir ja die gigantischen Trittbretter ab.
Was bleibt denn dann noch vom Erlebnis Motorrad übrig? Für irgendwelche Touren ist so eine Maschine ja nicht mehr geeignet, ich muss dann ja sogar noch aufpassen, dass ich nicht in einen Regenschauer komme. Tut dem Chrom und den Lederfransen bestimmt nicht gut. Ich kann keine Kurven fahren und eigentlich auch nicht längere Zeit geradeaus, sonst fallen mir irgendwann die Arme ab vom riesigen Ape-Hanger.
Also. Wozu ist so ein Motorrad noch gut?
Um ein Eis zu holen! 🙂