… und keiner hört zu
Was gibt es?
Zum Monatsbeginn bin ich auf eine Pressemitteilung meines ganz persönlichen Innenminister zum Thema „Beginn der Motorradsaison“ gestoßen. Und in einem eher gelangweilten Moment habe ich mir auch einfach mal diese Pressemitteilung durchgelesen. Und war damit glaube ich der einzige, der sich die Mühe gemacht hat. Jedenfalls habe ich in den üblichen Medien nichts davon gelesen.
Falls du eher nicht zu denjenigen gehörst, kurz die Zusammenfassung:
Die gesamte Pressemitteilung besteht aus knapp anderthalb Seiten. Im ersten Drittel der Mitteilung kommt noch das übliche „passt auf euch auf“, „tragt Schutzkleidung“ und „besuche ein Sicherheitstraining“. Danach geht es schon mehr an das Eingemachte. Da werden dann Kontrollen gegen „Krachmacher“ angekündigt und schließlich geht er noch auf die Unfallstatistik ein, wo genau beschrieben wird, dass Motorradfahrer (Synonym für Raser) eigentlich irgendwie selbst an Unfällen schuld sind. Am Ende kommt noch die kurze Werbung für „Gib 8 im Verkehr“. Alles in allem unbefriedigend. Mich stören an der ganzen Pressemitteilungen gleich mehrere Passagen.
Die guten Wünsche
Schutzkleidung, und Sicherheitstraining, beides Dinge, die ich auch uneingeschränkt unterschreiben kann. Beides ist notwendig und sollte auf keinen Fall vernachlässigt werden beim Motorrad fahren. Aber ganz ehrlich. Fällt einem Innenminister des Landes Baden-Württemberg, mit Sicherheit unterstützt von ganzen Beraterstäben tatsächlich nichts besseres ein als Motorradfahrern zu raten, Sicherheitsbekleidung und technischer Zustand des Motorrads zu prüfen? Und dann noch die Empfehlung, ein Motorradsicherheitstraining zu absolvieren? Das ist ein wenig dünn, oder? Hätte er sich eigentlich sparen können. Wozu eine Pressemitteilung, wenn nichts substanzielles drin steht?
Der böse Lärm
Aber die guten Wünsche zum Saisonbeginn waren ja noch nicht alles. In einem eigenen Absatz kündigt er Maßnahmen gegen „Krachmacher“ an. Oder zumindest solche, die er (unterstützt von sachkundigen Beratern) dafür halten. Einfach mal massive Kontrollen ankündigen. Ist also der Motorradlärm inzwischen schon ein solch großes Problem, dass sich ein Innenminister persönlich darum kümmern muss?
Nicht falsch verstehen. Ich bin tatsächlich auch für mehr Geräuschmessungen an Motorrädern. Ich halte sehr viel von dem Motto „Leben und leben lassen“. Ich bin durchaus dafür, dass die Montage von Austauschauspuffanlagen (am besten mit einer E-Zulassung aus Rumänien oder sonstwo) zumindest ein wenig stärker geprüft wird. Das bedeutet aber nicht, dass ich dafür bin, gleich mal mit Begriffen wie „Krachmacher“ gleich mal allen Motorradfahrern, die laut erscheinen, den Kampf anzusagen. Denn eines ist ja sicher: die überwiegende Zahl der Motorradfahrer, auch solche mit Austauschauspuffanlagen, ist immerhin legal unterwegs. Dass ich mit einer vollständig zugelassenen Austauschauspuffanlage durchaus in der Lage bin, die Anwohner senkrecht im Bett stehen zu lassen, ist wohl hinreichend bekannt. Deshalb halte ich diese schon fast „markigen“ Worte, die Ankündigung der Bekämpfung der „Krachmacher“ schlichtweg für Aktionismus.
Und dann noch die Unfälle
Ja, hier haut unser Innenminister rein. O-Ton: „… zwei Drittel der von Motorradfahrern verursachten Unfälle … nicht angepasste oder überhöhte Geschwindigkeit“.
Wer ein wenig in den Zahlen schmökert, wird feststellen, dass dieser Satz schon recht vorsichtig formuliert ist. Zunächst einmal werden (zumindest in Baden-Württemberg, bundesweite Zahlen habe ich nicht einsehen können) etwa 60% der Verkehrsunfälle zwischen Motorradfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern von ebendiesen anderen Verkehrsteilnehmern verursacht. Also fast zwei Drittel der Motorradunfälle mit Beteiligung anderer Verkehrsteilnehmer sind eben nicht vom Motorradfahrer verursacht worden.
Und von dem restlichen Drittel… aha, da fallen Motorradfahrer wegen „nicht angepasster oder überhöhter Geschwindigkeit“ auf. Das möge man doch mal schön auseinanderhalten. Die nicht angepasste Geschwindigkeit ist immerhin eine Art „Auffangursache“ im Unfall-Ursachenverzeichnis. Immer dann, wenn nichts anderes passt, kommt zumindest dies in Betracht. Aber eben auch für Unfälle mit Pkw. Auch dort ist die „nicht angepasste Geschwindigkeit“ irgendwie immer präsent. Aber werden Pkw deshalb gleich als potentielle „Raser“ vor der Staatsmacht gewarnt? Nö.
Also zumindest der Abschnitt über Unfälle aus der Pressemitteilung ist schlichtweg Mist. Die Zahlen sind ganz speziell ausgewählt, die Aussage (damit sie nicht zur Lüge wird), ganz bewusst formuliert und das Ergebnis stimmt meiner Meinung nach nicht. Die „nicht angepasste Geschwindigkeit“, also die Geschwindigkeit die nach Fahrzeug, Fahrer, Witterungs- und Straßenverhältnissen angemessen wäre, lässt sich halt mit technischen Mitteln kaum überwachen.
Und die Tatsache, dass an den meisten Unfällen zwischen Motorradfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern vor allem die anderen unfallursächlich beteiligt sind, bedeutet wohl auf keinen Fall, dass dann die Motorradgemeinde stärker überwacht werden soll. Es kann doch nicht sein, dass sich die Unfallopfer um mehr Verkehrssicherheit kümmern müssen, dass die Unfallopfer umso stärker überwacht werden, oder?
Und wo ist die Prävention?
Ich brauche nur wenig Veranstaltungen, die mir zeigen, dass ich Schutzkleidung tragen soll. Diese Lektion dürften die meisten Motorradfahrer schon kennen. Und diejenigen, die sie ignorieren, die werden sie auch trotz irgendwelcher Kampagnen weiter ignorieren.
Was ich mir eher wünschen würde, wären mehr Investitionen in den Straßenbau. Wo sind denn diese Unterfahrschutzbleche an Leitplanken in allen gefährlichen Kurven? Muss denn erst jedes Mal eine Ladung Verunfallter im Krankenhaus liegen, und das über Jahre? Mit Geschwindigkeitsbegrenzungen sind alle immer schnell zur Hand, aber Investitionen in mehr Sicherheit wären doch viel sinnvoller.
Wo sind denn die Investitionen in ordentliche Fahrbahnbeläge auf beliebten Strecken? Auf der Schauinslandstrecke oder dem Kandelsträßchen? Dort scheint es gar, als würden sich alle scheuen, die Straße zu verbessern, nur um ja viele Motorradfahrer vom Befahren dieser Straßen abzuhalten. Dass dabei auch die Sicherheit den Bach runter geht, scheint niemanden zu stören…
Moin,
vielen Dank für den Bericht. Ich bin neben dem Motorrad hauptsächlich auf nicht motorisierten Zweirädern unterwegs und kenne ähnliche Aussagen über Unfälle von Politikern, der Polizei oder der Presse über Fahrradfahrer. Unfallursachen werden verdreht, Spezialfälle beschrieben, ohne auf die Einschränkungen hinzuweisen. Und letztlich wird die Schuld auf die (schwachen) Zweiradfahrer abgewälzt, indem auf die Sicherheit der Räder und die Sicherheitsausrüstung (Fahrradhelm) verwiesen wird. Von schlechter Infrastruktur und die Schuld von Unfallgegnern (Stichwort Abbiegeunfälle) wird nicht berichtet.
Ich würde halt einfach mal behaupten, dass jeder (und da nehme ich mich natürlich auch nicht aus) eine Statistik komplett anders deutet. Somit gibt es halt niemals die alleonseligmachende Wahrheit. Und so müssen wir am unteren Ende der Nahrungskette weohl damit leben 😀