Die Werkstattwahl bei der Inspektion

Ich habe meine F800GS letzte Woche ja zur Werkstatt gebracht. Inspektion, routinemäßige Wartungsarbeiten, gar nichts besonderes, nur die regelmäßig anfallenden Werkstattarbeiten. Die mache ich bei der BMW nämlich nicht komplett selbst.

Und, wie es halt so ist, kommen dann gleich mehrere Optionen in Frage:

Ich kann einen Termin bei meinem hiesigen BMW-Vertragspartner vor Ort machen, im großen Markentempel. Oder ich gehe zu einer kleinen, freien Werkstatt. Eigentlich ist es sogar eher eine Hinterhofwerkstatt, die ein Uneingeweihter wahrscheinlich gar nicht finden würde.

Und, selbst wenn ich jetzt keinen besonders kritischen Blick habe, unterscheiden sich die beiden Optionen schon gewaltig. Also ausreichend Grund, mal über die Sache mit der Wahl der persönlichen Werkstatt nachzudenken.

Die Markenwerkstatt

Ich habe in der unmittelbaren Umgebung für mein Motorrad eine richtige Markenwerkstatt. Ein echter „BMW-Tempel“, bei dem ich mein Motorrad schon oft zu den Inspektionsterminen abgegeben habe.

Die ganze Geschichte dort läuft extrem professionell ab. Einen Termin kann ich per E-Mail festmachen, bei der Fahrzeugübergabe (an der Theke, nicht beim Mechaniker) werden noch alle möglichen Punkte abgefragt, die Frage nach einem Ersatzfahrzeug während der Inspektionszeit gehört auch gleich zum Standardprogramm. Die Reparatur oder Wartung meines Motorrads ist innerhalb sehr kurzer Zeit erledigt und am nächsten Tag ist die Maschine wieder abholbereit.

Klingt gut, oder? Professionell auf jeden Fall. Alles effektiv, und in hohem Maße auf Perfektion getrimmt.

Die freie (Hinterhof-) Werkstatt

Seit letztem Jahr bringe ich meine BMW jedoch in eine kleine Hinterhofklitsche. Und ja, das hört sich ein wenig merkwürdig an und, wenn ich dann davor stehe sieht es noch merkwürdiger aus. Kein Markentempel, sondern einfach ein kleiner Ein-Mann-Betrieb im Gewerbegebiet buchstäblich in einem Hinterhof.

Den Meister (der gleichzeitig einziger Mitarbeiter ist) erreiche ich nur hin und wieder, weil dieser das alles nur halbtags betreibt oder wenn er gerade Zeit und Lust hat. Wenn ich mein Motorrad dort abgebe, steht kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung, ich schaue eben selbst, wie ich nach Hause komme. Und die zu veranschlagende Reparaturdauer ist auch wesentlich länger. Nichts mit „bis morgen dann“, sondern eher „wie siehts bei dir nächste Woche aus?“.

Alles ein wenig „kleiner“ hier. Aber funktioniert. Zumindest bei mir.

Worin unterscheiden sich die Werkstätten?

Die Gründe für meinen Wechsel des Werkstatttyps sind gleich mehrere vorhanden. Da geht es ebenso wie um persönliche Vorlieben auch um ganz deutliche Unterschiede wie die Kosten. Und nur, weil ich für die regelmäßige Inspektion in die eine Werkstatt gehe, muss dies nicht bedeuten, dass ich für eine Unfallinstandsetzung ebenfalls dort auftauchen würde.

Arbeitsqualität

Immer wieder wird impliziert, dass in einer schäbig wirkenden Werkstatt schlechtere Arbeit abgeliefert wird, als im Glas-Stahl-Palast Markentempels. Und dann kommt da noch hinzu, dass der ADAC beispielsweise immer wieder Werkstatttests durchführt und dort die Markenwerkstätten regelmäßig besser abschneiden, als die freien Werkstätten.

Nur würde ich das jetzt nicht so einfach auf den Motorradbereich pauschal übertragen.

Beim ADAC-Test werden versteckte Mängel in „Randbereichen“ der Inspektion versteckt, beispielsweise der Luftdruck im Reserverad gesenkt. Solche Sachen gibt es bei der Motorradinspektion gar nicht. Die Punkte bei der Motorradinspektion, die abgehakt werden müssen, sind da wesentlich weniger (Flüssigkeiten, Schalter, etc.), erschließen sich im aller Regel in nur wenigen Minuten und können nebenbei abgehandelt werden. Wenn in der Wartungscheckliste beispielsweise die Leichtgängigkeit des Lenkers am Motorrad abgehakt werden muss, folg auch automatisch der Blick zum Bremsflüssigkeitsbehälter. Da gibt es glaube ich einfach nicht so viel Fehlermöglichkeiten wie bei einer Autowerkstatt.

Insofern würde ich meinen, dass die meisten Werkstatttests, wie beispielsweise vom ADAC oder Stern-TV durchgeführt, eher wenig mit dem Motorradleben zu tun haben. Ich für meinen Teil kann wenig Unterschied feststellen.

Unterschiede in der Arbeitsqualität habe ich schlichtweg noch nicht festgestellt.

Fachwissen

Meine freie Hinterhofwerkstatt ist vor allem eine inoffizielle BMW-Außenstelle. Die meisten Motorräder dort sind BMW-Maschinen. Das mag vor allem daran liegen, dass der Betreiber nebenbei (oder eigentlich vielleicht hauptberuflich?) Zweiradmechaniker in einer BMW-Niederlassung ist/war. Somit ist das Grundwissen natürlich durchaus vorhanden.

Jetzt ist es aber so, dass zumindest bei den großen Markenwerkstätten für jeden auch ein gewisses Maß an regelmäßiger Fortbildung angesagt ist. Da werden dann einige Mechaniker zu einer Veranstaltung gekarrt, wo durch Werksmitarbeiter die Besonderheiten bei der Wartung des neuen Modells XYZ im Detail erklärt wird. Dies wirkt sich im Idealfall dann natürlich auf die Wartung und Reparatur deines Fahrzeugs aus.

So was finde ich natürlich in meiner freien Werkstatt nicht. Dort gibt es keine Fortbildung. Das mag natürlich bei einem Standardmodell und einer normalen Inspektion kein Problem darstellen. Das Einstellen der Ventile und der Austausch eines Kettensatzes ist jetzt kein Hexenwerk und benötigt in der Regel auch nicht eine spezielle Werksschulung. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es bei kniffligen Problemen oder der sehr speziellen Fehlersuche (man denke nur an den Kupferwurm in einem elektrisch verstellbaren Fahrwerk) durchaus eng werden kann. Kann hier die kleine freie Werkstatt noch mithalten?

Gut, wenn dies vorab angesprochen wird, schlecht, wenn du an einen „Schrauber“ gerätst, der das im Voraus nicht richtig einschätzen kann.

Bislang habe ich in dieser Hinsicht noch keine schlechten Erfahrungen machen müssen, hatte allerdings das Glück, dass ich nur mit „normalen“ Arbeiten vorbei kam.

Professionalität bei der Annahme

Eine Markenwerkstatt ist an genaue Vorgaben gebunden. Und dies nicht nur bei den eigentlichen Arbeiten, sondern auch beim ganzen „Drumherum“. Ein Kunde, der das Geschäft betritt und sich suchend umschaut, muss innerhalb des Zeitrahmens X von einem Mitarbeiter angesprochen werden. Und das wird auch abgeprüft, definitiv. Habe ich selbst sogar schon beim „Mystery-Shopping“ geprüft.

Und auch beim Aushandeln eines Inspektionstermins ist ein gewisses Maß an Professionalität vorgegeben. Da wird mir dann ganz genau die Bring- und Abholzeit avisiert, da gibt es keine Terminüberschneidungen. Und das klappt auch.

Und wenn ich dann meine Maschine vorbei bringe, dann sitze ich mit einem Servicemitarbeiter an einem Schreibtisch und wir gehen gemeinsam eine Checkliste durch. Dies selbst dann, wenn ich nur eine einfache Jahresinspektion haben möchte.

Und dann bekomme ich unaufgefordert eine Liste mit verfügbaren Ersatzmaschinen vorgelegt, wo ich mir dann eine für die nächsten ein, zwei Tage aussuchen kann.

Und wenn ich die Maschine abhole, bekomme ich die Liste mit entsprechenden Häkchen zurück, ebenfalls vom gleichen Servicemitarbeiter.

Schließlich und endlich bekomme ich eine mehrseitige Rechnung mit einer Mehrfertigung des ursprünglichen Werkstattauftrags, zahle per Karte und werde mit einem Lächeln bis zum nächsten Mal verabschiedet.

Also, wie gesagt. In einer „richtigen“ Markenwerkstatt mit standardisierten Abläufen eine hochprofessionelle und effiziente Arbeitsweise.

Anders natürlich bei meiner kleinen Hinterhofwerkstatt. Dort wird es schon manchmal zum Ausdauertest, auch nur den Meister zu erreichen. Es gibt nämlich nur eine Handynummer. Persönlich vorbeifahren? Ja, geht schon, er ist halt nicht immer da.

Irgendwann hat man sich dann doch gegenseitig an der Strippe. Inspektionstermin? Klar, können wir machen… komm doch einfach morgen Abend durch, bin bis halb acht in der Werkstatt, wir besprechen das. Natürlich komme ich am Folgetag, in meinem Fall sowieso mit dem Motorrad. Wir gehen zu der Maschine, er hat vorher nur gefragt, was zu tun sei (Inspektion, 60.000 km und sieben Jahre), er guckt sie sich einige Minuten an und beginnt zu zu erzählen. Zur Inspektion in meinem Fall gehören vor allem… (recht lange Liste folgt), er zupft an der Kette, stellt fest (wie ich auch vorher), dass die fällig war, und bemerkt noch einige Punkte, die wir (klar, wir…) prüfen sollten, weil ja doch einige Kilometer und Jahre inzwischen durch sind.

Zwar keine Checkliste, die abgehakt wird, aber ein erfahrener Mechaniker, der zumindest weiß, was er tut.

Und dann wir ein Termin ausgemacht. Aber halt ein wenig anders. Eher so: „wenn du die Maschine morgen bringst, guck ich mal nächste Woche durch und hätte sie bis Samstag vielleicht fertig. Ich ruf an…“

Hier wird mir auch kein Kaffee angeboten und schon gar nicht die Wartezeit mit Hochglanzprospekten überbrückt, auch den Verkaufsraum zum herumschlendern muss ich mir einfach dazu denken.

Komplett andere Welt.

Qualität der Arbeit

Kann ich als Laie nur mäßig beurteilen. Eigentlich der wichtigste Punkt, gebe ich gerne zu. Du steckst aber nicht drin.

Aber einiges gibt es sowohl bei der Markenwerkstatt als auch bei der Hinterhofwerkstatt festzustellen. Es wird auf jeden Fall geschraubt und gemacht. Die klassischen Arbeiten (Ventile, Bremsen, Öl, usw.) sind bei beiden definitiv ordentlich erledigt. Das kann man sehen und hören. Bei der Markenwerkstatt kommt hinzu, dass ich auch schon den Anruf erhalten habe, die vordere Bremsscheibe sei abgenutzt. Dies ist immerhin ein Zeichen dafür, dass die erforderliche Sichtprüfung dort durchgeführt wurde.

Und bei der freien Werkstatt? Da hat mir der Mechaniker letztes Mal schon mitgeteilt, dass die Batterie und die Kette bald fällig seien. Zumindest hat er damit auch beides in die Inspektion mit einbezogen.

Konkrete Mängel sind hier bei beiden für mich nicht festzustellen.

Dies mag auch daran liegen, dass bei einem Motorrad wie dem meinen die meisten Baugruppen und damit Wartungsarbeiten einigermaßen gut zugänglich und damit leicht durchführbar sind.

Preise

Jetzt gehts schon fast ans Eingemachte. Wer sein Motorrad regelmäßig zur Inspektion in seine Markenwerkstatt bringt, wird feststellen, dass die Preise für eine ordentliche Wartung auch entsprechend hoch sind. Und das ist erstmal nicht verkehrt. Gute Arbeit will bezahlt werden.

Wenn du allerdings mal deine Rechnung ein wenig genauer unter die Lupe nimmst, wirst du feststellen, dass hier einiges an Potential liegt. Und hier unterscheiden sich meist die Markenwerkstätten von den freien Werkstätten.

In einer Markenwerkstatt sind die Stundensätze für den Mechaniker in aller Regel ein wenig höher als in einer freien Werkstatt. Ok, vielleicht muss das ja so sein. Allerdings machen zehn Prozent Unterschied und dies bei X Stunden im Laufe eines Motorradlebens schon einiges aus. Das reicht dann im Extremfall schon für die Anzahlung einer neuen Maschine.

Und dann die Ersatzteile. Ein Ölfilter mit dem BMW-Logo kostet fast das dreifache, als der Ölfilter von Polo, Louis und Konsorten. Jetzt könnte ich einfach mal behaupten, dass es da schon Qualitätsunterschiede gibt, bewiesen wurde dies aber auch in Tests von Motorradzeitschriften bislang nicht. Auch solche Kleinigkeiten wie Motorenöl sind, so zumindest meine Erfahrungen, in der großen Markenwerkstatt doch ein wenig teuren. Nicht auffällig teurer, aber immerhin macht es den einen oder anderen Euro pro Liter aus. Und das Ölfass ist bei der freien Werkstatt auch nicht anders befüllt…

Auf jeden Fall kann ich, ohne zu übertreiben behaupten, dass eine Wartungsarbeit in einer Markenwerkstatt teurer ist, als in einer Hinterhofklitsche. Da muss ich mich jetzt nicht mal weit aus dem Fenster lehnen für so eine Behauptung.

Man möge doch immerhin mal anschauen, wie eine große Markenwerkstatt von außen aussieht. Der klassische Glas-Stahl-Palast muss ja von irgendwas bezahlt werden. Oder von irgendwem. Und das ist halt der Endkunde, also ich.

Preis-Leistung und Fazit?

Ich bringe mein Motorrad zur Inspektion inzwischen in meine kleine freie Werkstatt um die Ecke. Für mich ein höherer Aufwand, ganz klar.

Bislang habe ich aber an der geleisteten Arbeit keine Mängel feststellen können und dabei im Vergleich zur teureren Markenwerkstatt Geld gespart.

Allerdings muss ich bei der kleinen Hinterhofklitsche Komforteinbußen hinnehmen. Das geht los bei der Terminvereinbarung über die Gestellung eines Ersatzmotorrads bis hin zur Dauer der Arbeiten.

Das alles klappt außerhalb der Saison recht gut, insbesondere da ich hier für die Fahrt zur Arbeit ja noch Schatzis Suzuki nutzen kann. Wäre ich jedoch auf mein Motorrad zu Termin X angewiesen, könnte die Sache schon ein wenig anders aussehen.

Nun muss ich ganz einfach fragen: Wer hält es denn mit freien oder mit Markenwerkstätten und warum? Liege ich im Mainstream mit meiner Ansicht oder bin ich da eher ein Exot?