Legenden beim Überbrücken
Letzte Woche war ich in der eher lästigen Situation, dass ich bei meiner F800GS Starthilfe gebraucht habe. Ich habe dann auch gleich einen Beitrag darüber verfasst. Und wie immer, wenn ich einen Beitrag fertig habe, schaue ich auch noch gleich im Netz nach, was andere darüber schreiben.
Und beim Thema „Starthilfe für Motorräder“ gibt es gleich eine ganze Menge zu finden. Viele Experten aller Couleur geben alle möglichen gut gemeinten Ratschläge, wie denn ein Motorrad am besten zu Überbrücken ist. Nicht schlecht eigentlich. Nur dass halt zwischen einem „gut gemeinten“ und einem „guten“ Ratschlag gewisse Unterschiede bestehen.
Ich habe diverse mehr oder weniger sinnvolle Ratschläge gelesen, die eher unverständlich waren, unsinnig sind, jeder Grundlage entbehren oder schlichtweg praktisch kaum umzusetzen sein mögen. Und das alles von Experten.
Mein Ziel ist es ja, ein Motorrad zu starten, dessen Batterie leer ist. Und das ist nun mal der Hauptzweck. Und wenn ich dann irgendwelche bizarren Vorstellungen lese, die zwar wunderbar aussehen, die Maschine aber nicht an bekommen, dann muss ich halt den Kopf schütteln.
Die interessantesten Ideen habe ich hier einmal aufgeführt.
Mythos 1: Nicht vom Auto aus fremdstarten?
Tja, was soll ich sagen. Die Frage kommt ja immer mal wieder. „Darf ich vom Auto aus Starthilfe geben?“. Und immer wieder finden sich dann Mahner, die behaupten, dies sei nicht möglich, eine Autobatterie sei zu groß, das Motorrad würde Schäden davon tragen.
Blödsinn.
Woher ich das sagen kann? Ganz einfach, ich habe das schon hin und wieder gemacht. Du brauchst eine 12-Volt-Batterie, aus der der Strom kommt. Die Spannung ist wichtig. Alles andere erst mal nicht, um dein Motorrad zu starten. Und ein Auto hat nun mal eine 12-Volt-Batterie, genau wie dein Motorrad. Deshalb ist es kein Problem, die Batterien zur Starthilfe miteinander zu verbinden. Und da passiert auch nichts. Wenn du da mal näher nachfragst, wirst du höchstens hin und wieder hören, dass der Bekannte eines Schwagers, dessen Hund seine Freundin der Mechaniker schon mal gehört hat, dass irgendwie die Motorradelektronik kaputt gehen könnte.
Konkret wüsste ich schon mal gerne einen der Fälle, wo tatsächlich einmal nachteilige Folgen aus dem Fremdstarten vom Auto entstanden sind…
Also merke: Du kannst definitiv ein Auto zum Fremdstarten nutzen (oder ein Motorrad, ein Boot, was auch immer)
Mythos 2: Der Motor des Spenderfahrzeugs muss laufen
Das habe ich auch schon oft gelesen. Der Motor des Energie spendenden Fahrzeugs soll laufen. Hintergrund ist wohl, dass dadurch verhindert wird, dass sich die Batterie, die zum Überbrücken verwendet wird, durch das Fremdstarten entleert.
Eigentlich eine nachvollziehbare Geschichte. Nur passt sie nicht so wirklich. Normalerweise ist es doch so, dass zum Fremdstarten ein Auto genutzt wird. Die meisten Leute haben nämlich nicht unbedingt zwei Motorräder in der Garage stehen, sondern einen Pkw neben ihrer Maschine. Und jetzt mal ehrlich. Für ein Motorrad hast du eine Batterie mit einer Kapazität von 8 bis 19 Amperestunden. Und diese Batterie reicht dann in vollem Zustand für zig Startvorgänge. Beim Auto sind es meist so um die 36 Amperestunden aufwärts. Und dann sollen Irritationen auftreten, wenn du den Anlasser am Motorrad ein wenig orgeln lässt?
Quatsch. Wenn du nicht gerade eine viertel Stunde am Stück den Anlasserknopf drückst, kannst du gar nicht so viel Energie verbrauchen, dass eine normale Starterbatterie am Spenderfahrzeug in Schieflage gerät.
Und wenn du wirklich minutenlang auf den Anlasser drücken musst und die Maschine noch nicht anspringt, dann liegt es wohl wirklich nicht an einer Batterie, dass sie nicht läuft. Dann kannst du deine Startversuche auch gleich einstellen.
Also merke: Es ist wirklich nicht lebenswichtig, ob der Motor des Spenderfahrzeugs bei der Starthilfe läuft.
Mythos 3: Das Starthilfekabel in der richtigen Reihenfolge anschließen
Egal in welcher Anleitung ich schaue, überall ist genau aufgeführt, dass zunächst das rote Kabel die Pluspole – zuerst das Spenderfahrzeug, dann das „leere“ Fahrzeug – miteinander verbindet, erst dann die Masse, zunächst auch wieder an der „vollen“, danach an der „leeren“ Batterie.
Alles genau vorgegeben.
Auch hier ist der Denkansatz gar nicht blöd. Schwarze Kabel sind Massekabel. Also Kabel, die du irgendwo an Metallteilen an der Maschine anbringen könntest, würde dann schon passen. Und wenn du zuerst mit diesen anfangen würdest beim Überbrücken, und dann irgendwie mit den roten Kabeln herumfuchtelst und an den Motorradrahmen kommst, könntest du einen Kurzschluss verursachen. Schlechte Sache.
Somit ist klar: die Reihenfolge muss stimmen. Oder etwa nicht? Nein, nicht ganz. Eigentlich nicht. Wenn du ein wenig aufpasst, ist es eigentlich wurscht, wie die Reihenfolge aussieht. Du darfst halt keinen Kurzschluss verursachen. Dabei hilft natürlich ein Starthilfekabel, dass bis zu den Spitzen der Klemmen isoliert ist. Und ein wenig Fingerspitzengefühl natürlich.
Merke also: die Reihenfolge, wie du ein Starthilfekabel anschließt ist eigentlich wurst, du musst nur einfach sorgfältig sein beim anklemmen.
Mythos 4: Am Spenderfahrzeug alle Stromverbraucher anschalten
Ja, das habe ich auch schon hin und wieder gehört. Wenn du mit einem Fahrzeug Starthilfe gibst, dann musst du dort alle Stromverbraucher (Licht und beim Auto noch Heckscheibenheizung usw.) anschalten.
Hintergrund dieses Ratschlags ist der Verdacht, dass beim Fremdstarten irgendwelche Spannungsspitzen auftreten könnten, die (je nach Erklärungsansatz) das Strom spendende oder das Strom beziehende Fahrzeug beschädigen könnten.
Na ja. Ich persönlich halte das ganze jetzt schon für ein wenig weit hergeholt. Also mal ehrlich. Wenn du bedenkst, wie viel Strom dein Anlasser zieht, glaubst du, dass der zusätzliche Verbrauch der lausigen 40-Watt-Birne deiner Scheinwerfer irgend etwas ändert? Und selbst wenn. Wo sind denn die ganzen abgebrannten, an der Elektronik zerstörten Fahrzeuge derjenigen, die eben nicht zusätzliche Stromverbraucher eingeschaltet haben?
Denn ich muss zugeben, an so was habe ich noch nie gedacht, und ich habe schon hin und wieder meine Maschine überbrücken müssen. Und noch niemals wurde die Fahrzeugelektronik beschädigt.
Also merke: Irgendwo zusätzliche Stromverbraucher einzuschalten, wie beispielsweise das Abblendlicht, bringt gar nichts.
Mythos 5: Du brauchst ein spezielles Starthilfekabel für Motorräder
Ja. Das habe ich auch schon gelesen. Wenn du Starthilfe für das Motorrad benötigst, brauchst du unbedingt ein spezielles Kabel für das Motorrad. Das ist dann irgendwie besser.
Quatsch.
Du brauchst ein Starthilfekabel. Das ist so richtig. Aber ein Starthilfekabel ist immer gleich. Zwei Kupferleitungen mit ordentlichem Querschnitt, das passt dann. Was an diesen speziellen Motorrad-Starthilfekabeln so besonderes sein soll, kapiere ich nicht. Klar, vielleicht sind die Klemmschuhe ein wenig kleiner und passen damit ein wenig besser an die Klemmen einer Motorradbatterie, aber ansonsten gibt es meines Erachtens keinen Grund, ein Extra-Starthilfekabel nur für Motorräder zu kaufen. Die einfachsten Teile aus dem Baumarkt reichen dafür auch aus.
Also merke: Ein spezielles Starthilfekabel für Motorräder ist nicht notwendig.
Das kann ich alles so bestätigen. Aus eigener Erfahrung.
Ich selbst habe meiner GSX 1100 F damals fast den Todesstoß verpasst beim fremdstarten von Auto auf Bike (nach der Winterruhe). Sprang sofort an, drehte dann bis 9000 im stand hoch, lief genauso hoch weiter als ich Zündung unterbrach und sogar den Schlüssel abzog (!) und ging erst aus als ich die Batterie abgeklemmt habe. Danach war alles tot, keine Leuchte, keine Umdrehung mehr. Also Werkstatt angerufen, Bike aufgeladen und reparieren lassen. Vergaser und Elektrik defekt. Beim starten lief der Motor vom Auto. Ist 25 jahre her, keine Ahnung ob die Klemme vom (Autofremdstarter) Kabel an den Rahmen kam oder so. Habs seitem nicht mehr vom Auto aus probiert…Beim ersten Startversuch schien es als wenn das Bike strommäßig einen Megaboost bekommen hätte, strahlend helle Anzeigen und halt sofort gestartet.Als wenn es doppelt soviel Saft war wie benötigt…bei meinem jetzigen Bike (GPZ 1100) muss man sehr viel abbauen um die Batterie rauszuriegen, darum überlege ich das nur noch via externer und über den Winter aufgeladener Motorradbatterie zu starten. Bestimmt nicht per Autobatterie. Ich habe extra Motorradstarterkabel, die Autokabel sind viel zu dick und schwer und die Klemmen sind zu groß.
Fremdstarten ist am einfachsten und am billigsten, das Auto steht ja da.
Bei Dir hat das Starterrelais gehangen, deshalb ging die Dein Bike nicht aus . Das hatte mit der Starthilfe nichts zu tun. Ich hatte gerade den selben Fehler an meinem Bike . Erst wenn die Batterie leer ist oder getrennt wird ist der Fehler weg. Mit dem Vergaser hat das überhaupt nichts zu tun.
Der Beitrag oben ist vollkommen richtig. 12v sind 12V und den Strom bestimmt der Verbraucher.
Ich habe schon den 50er Roller meiner Frau mit einem 4qmm Elektokabel (NYM) von meiner CB 500 aus gestartet und auf einigen Baustellen ganz ähnliche Geschichten erlebt. Kabel ist Kabel solange der Querschnitt und die Volt passen sollte nur der Spender genug Reserve haben. Dann klappt es auch.
Na ja, bei einem 50er Roller ist für den Anlasser jetzt auch nicht soooo viel Saft notwendig. Ich würde jetzt einfach mal behaupten, dass ein 4-Quadrat Käbelchen bei einer 600er recht schnell abrauchen würde.
Tja, ich bin dann wohl der erste, der das leider nicht bestätigen kann. Ich habe versucht meine RF 900 mit meinem Auto fremd zu starten. Minuspol am Rahmen, Pluspol an die Batterie. Als ich die Zündung anmache ist alles noch ok. Aber sobald ich den Starter betätigt habe, hat es nur einmal Plopp gemacht, und alles wurde dunkel. Sicherungen und Hauptsicherung gecheckt. Alles gut dort. Also ist wohl etwas an der Elektronik kaputt. Tja, da hab ich wohl mal Pech gehabt.
Was hat denn die Werkstatt (und ich nehme jetzt einfach mal an, dort hast du die Elektronig checken lassen) dazu gemeint?
Dass an der Sicherung vorbei alles „abraucht“, ist ja schon ein wenig ungewöhnlich…
Das ist das Verhalten, wenn die Batteriekontakte lose sind. Ich habe sicher schon huinderte Male Starthilfe vom PKW zum Motorrad gegeben (unterwegs mit dem Pannentrailer habe ich auch kein Motorrad als Spenderfahrzeug dabei, höchstens den Startbooster). Geht sogar deutlich besser als mit dem Motorrad, schon, weil der Startstrom nicht gleich zusammen bricht.
… Eine Kawasaki kz 440 soll mit einer Autobatterie gestartet werden. Ein Druck auf den E Starter, nur kurz, der Anlasser läuft 10 x so schnell wie normal, Kabel qualmt… Anschließend bei Bosch, Kommentar des Werkstattmeisters… Wie kann man so blöd sein. Und nein, an dem Motorrad war zuvor alles in Ordnung.
Zuviele „Experten“ heute. Und nur am Rande… Darum steht auch in vielen Motorradbenutzerhandbüchern… „nicht mit einer Batterie überbrücken die andere / höhere Leistungswerte haben“… Ingenieure sind alle blöd… Oder?
Endlich mal jemand, der mit den ganzen Geschichten aufräumt 😉
Ich habe einen dicken Pannenhilfeanhänger und schraube seit Jahrzehnten. Und fast alle der obigen Gruselgeschichten habe ich schon gehört, die wenigsten entsammen wirklich der Praxis von Leuten, die damit häufig zu tun haben.
Mein einziger Einwand: doch, Du brauchst ein vernünftiges MOTORRADstarthilfekabel. Mit den Monsterzangen („auch für Dieselfahrzeuge bis 5 Liter Hubraum blabla…“) kommst Du bei keinem Motorrad ordentlich an den Pluspol. Und nur den musst Du erreichen, Masse gibt es ja auch am Bremspedal, am Kupplungsausrücker oder sonstwo.
Also, mindestens 6mm² Kabel und kleine Zangen, sowas gibt es z.B. von Baas (BA06). Weil das Kabel eher kurz ist (1,50m) kann man es bei PKW-Spenderfahrzeugen mit einem Autokabel zusammenklipsen. Dann hat man dicke Zangen für das Auto und kleine für das Mopped.
Übrigens…ich habe das mal notfallmäßig mit dem 3×0,75-Kabel einer Schukosteckdose versuchen müssen. Zwei Sekunden, und das Kabel ist so heiß, dass Du loslässt, bevor sich die Isolierung in Deine Finger brennt. Don’t try this at home 🙂
Gefährliches Halbwissen…
1. Daß der Motor des Spenderfahrzeuges laufen soll, hat einen guten Grund. Nämlich den, Spannungsschwankungen beim Spender abzufedern. Wer einen ollen Kadett C fährt, ist da fein raus; aber die heutigen Fahrzeuge mit ihren komplex vernetzten (und manchmal ziemlich empfindlichen…) Elektroniksystemen können auf eine Unterspannung durchaus pissig reagieren.
Im günstigsten Fall merkt man nichts außer einer Fehlermeldung, die intern im Speicher der ECU abgelegt und bei der nächsten Inspektion gelöscht wird. Soll aber auch schon vorgekommen sein, daß die Elektronik ins Notlaufprogramm geht und dann die Werkstatt extra bemüht werden muß.
Ach ja – bei den modernen Moppeds kann eine Unter- oder Überspannung auch für Hektik Elektrik im Steuergerät sorgen (BMW-Reiter sind mit dieser Problematik vielleicht etwas vertrauter als andere).
2. Es geht nicht nur um die Spannung (Volt), sondern auch um den Strom (Ampere). Und die elektrische Kapazität (Amperestunde). Und wenn jetzt so ein vielleicht schon etwas älterer WARTUNGSFREIER (AGM, Gel etc.) Akku so einen richtig guten Stromstoß von einem kräftigen Spender bekommt, wird auch dieser ausgasen und somit Elektrolyt und damit auch Kapazität verlieren. Kann möglich sein, daß der Akku im Mopped dann wirklich und endgültig den letzten Furz gelassen hat.
Abgesehen von der elenden Fuchtelei mit den im Vergleich zu den Anschlüssen der Motorradbatterie meist gigantischen Klemmen des Überbrückungskabels…
3. Es hat schon einen guten Grund, warum Batterie- und Fahrzeughersteller eine Anschluß- und Abklemmreihenfolge beim Fremdstarten vorgeben. Im wesentlichen die, Funkenflug und Beschädigungen der Fahrzeugelektronik (s.o.) zu vermeiden. Auch heute noch kommt es u.a. vor, daß jemandem die Öhren klingeln, nachdem sich beim Startvorgang gebildetes Knallgas ziemlich explosiv verflüchtigt hat, weil man ja die Klemmen einfach wieder abruppen kann.
Nätürlich ist der Einwand, daß es bisher immer gutgegangen ist, durchaus berechtigt. Ähnliches gilt allerdings auch für den Typen, der von einem Wolkenkratzer fällt und auf halber Höhe gleiches konstatiert. Zumal Batterien analog zu Reifen und Elefanten sich jede Mißhandlung merken. Und gute Li-Ion-Startbooster nicht mehr die Welt kosten und sich auch meist gut im Bike unterbringen lassen.
Als ich demletzt Starthilfe eines BMWs bekam, für ein Honda Motorrad, wurde beim PKW der Motor angemacht als schon überbrückt war. Beim PKW Starten hat es in der Elektrik vom Motorrad etwas durchgebrannt ( Verdacht Laderegler ). Seit diesem Versuch ist die komplette Elektrik tot, auch wenn 12 Volt auf die Batterie gebrückt werden,gibt es keine Lebenszeichen mehr. Davor lief sie nach Starthilfe…Nun geht garnichts mehr