altes Motorrad, rostig

Jedes Jahr im Frühjahr

Ich schaue mich gerne in diversen Motorradforen um. Einfach deshalb, damit ich über aktuelle Fragen ein wenig auf dem Laufenden bleibe. Und, wie soll es denn anders sein, immer wieder tauchen ähnliche Fragen auf.

Beispielsweise taucht jedes Jahr zu Saisonbeginn recht häufig die Frage auf, ob das Motorrad XYZ noch ein Kauftipp ist, obwohl es 20 Jahre und 50.000 km auf dem Buckel hat. Oder so ähnlich. Ich denke, die Frage dürfte hinreichend bekannt sein.

Und auch die dann kommenden Antworten sind ja irgendwie auch vorhersehbar. In aller Regel kommt dann ein „kommt auf den Zustand“ an, in irgendeiner Form. Ob diese Auskunft dann mit Schlagworten wie „Wartungshistorie“, „Reparaturstau“ oder anderen Begriffen umschrieben ist, am Ende läuft es immer auf „musst selbst gucken“ heraus.

Und das finde ich so nicht ganz richtig.

Klar, ob ein Motorrad ein Kauftipp ist oder ein Fall für den Verwertungsbetrieb hängt wirklich stark vom Pflegeaufwand der Vorbesitzer ab. Aber, insbesondere was das reine Alter eines Fahrzeugs angeht, gibt es doch einige Grundsätze, die sind nun mal ultimativ gültig, das hat dann nichts mit Wartungszustand zu tun.

Die Probleme mit alten Motorrädern

Kilometerleistung? Fahrzeugalter?

Wenn du ein Motorrad kaufen möchtest, am Besten noch möglichst günstig für ein begrenztes Budget und vielleicht als Einstiegsfahrzeug, entsprechend mit dem Preisfilter auf den einschlägigen Portalen suchst und der Betrag möglichst niedrig ist, dann wirst du natürlich ganz schnell auf die Angebote stoßen, wo dann eine Maschine mit 25+ Jahren und 90.000 km für dich angezeigt werden.

Und bezüglich des Fahrzeugalters gibt es einiges zu sagen. Und zwar gibt es, ganz unabhängig von großen Kilometerleistungen, einige Tatsachen, die sind halt einfach so, ob jetzt die ersten 100.000 km auf dem Tacho stehen oder noch nicht mal ein Drittel davon heruntergefahren wurden. Manches musst du einfach hinnehmen.

Die glorreiche Vergangenheit

Wenn du dich für ein altes Motorrad interessierst und dies dann in einem einschlägigen Forum postest, wirst du unweigerlich an einen Punkt kommen, wo du Antworten erhältst wie „jaja, hatte ich damals auch, tolles Motorrad“. Das kommt dann von Motorradfahrern mittleren Alters, die sich daran zurück erinnern, wie sie damals auch genau so ein Motorrad gekauft hatten, in den „guten alten Zeiten“.

Die Betonung liegt hier auf „hatten“.

Motorräder älteren Baujahrs sind vor allem eines: alt. Früher war nicht alles besser, egal wie dies von vielen im Rahmen ihrer geschichtsverklärten rosa Brille so gesehen wird. Wenn du also in einem Forum herumfragst, ob jemand das Motorrad XYZ für einen guten Gebrauchtkauf hält, merke dir, dass dies vielleicht vor 30 Jahren ein gutes Motorrad gewesen sein könnte. Inzwischen sind aber doch einige Generationen ins Land gegangen, die Maschine ist inzwischen eben nicht mehr „klasse“. Sie war es vielleicht mal. Aber inzwischen eben nicht mehr.

Und der durchschnittliche Motorradfahrer ist eben nicht unbedingt objektiv, was seine „alte Liebe“ angeht. Immer dran denken: es gibt durchaus einen Grund, warum die alten Modelle nicht mehr unberändert verkauft werden.

Modellwechsel

Wenn du dich bei der Probefahrt pauschal mit dem Einstiegsmodell von Honda anfreunden kannst (CB500F) und dann einfach mal auf eine 25 Jahre alte Gebrauchtmaschine mit der selben Bezeichnung niederlässt, wirst du eine Überraschung erleben. Die beiden Maschinen fahren sich nun mal verschieden, sind mehrere Generationen Fahrwerks- und Motorentechnik voneinander entfernt.

Das bedeutet, wenn du eine Maschine älteren Baujahres kaufst, wirst du mit hoher Wahrscheinlichkeit kein so tolles Fahrerlebnis bekommen. Ältere Motorräder sind weniger ausgereift als neue Modelle. Dies betrifft Motoren, die nicht so leistungsfähig sind, wie bei neueren Maschinen, Fahrwerke, die bei der flotten Kurvenfahrt wackeln wie ein Kuhschwanz (weil weniger massiv konstruiert), sogar die Sitzbank, die weniger ergonomisch geformt ist.

Also ganz klar, moderne Motorräder sind besser.

Die Pannensicherheit

Von vielen älteren Motorradfahrern wird beklagt, dass heutzutage ein Motorrad kein ordentliches Bordwerkzeug mehr serienmäßig an Bord hat. Früher gab es da mehr.

So ist das schon richtig. Deshalb richtig, weil du früher viel häufiger gezwungen warst, Reparaturen unterwegs durchzuführen. Meine erste Tour mit dem Mopped habe ich mit gefühlt einem halben Werkzeugkasten an Bord absolviert. Und es war nötig. Nach etwa 1000 km sind dann schon Teile wegvibriert.

Nimm es einfach als gegeben hin. Alte Motorräder haben so ihre Zipperlein. Immer mal wieder fällt etwas aus, macht Schwierigkeiten oder nervt schlichtweg. Deshalb sind „Feldreparaturen“ dort notwendig.

Das alles passiert dir bei neueren Maschinen wesentlich seltener.

Die „natürlichen“ Alterungserscheinungen

Und dann gibt es noch die ganz normalen Probleme, die sich bei einem alten Motorrad ergeben. Ob jetzt mit vielen Kilometern auf der Uhr oder auch mit nur wenig Fahrleistung. Ein Motorrad wird ganz einfach alt.

Das merkst du dann daran, dass die Gummiteile rissig werden, Dichtungen „aufgeben“, Kunststoffteile brüchig sind. Das ist nun mal so. Du kannst, selbst mit besten Absichten, nicht einfach alle Kunststoffteile im Laufe der Zeit auswechseln im Rahmen normaler Wartungsarbeiten. Das sprengt einfach die Möglichkeiten des Normalsterblichen. Vom Budget ganz zu schweigen.

Und Metallteile? Rahmen, Fußrasten, Schrauben: Da werden kleinere Kratzer im Laufe der Zeit zu immer größeren Roststellen. Die Metallteile sind auch nicht dafür ausgelegt, selbst bei nur geringer Nutzung mal lockere 30 Jahre wegzustecken. Selbst wenn du noch so sehr versuchst, Rost zu bekämpfen, betreffende Teile abmontierst, schleifst, neu lackierst. Irgendwo gibt es immer Stellen, die du übersiehst, die versteckt vor sich hin gammeln.

Lohnen sich alte Motorräder?

Die Anschaffung eines Motorrads mit 25-30 Jahren auf dem Buckel ist ein zweischneidiges Schwert. Definitiv von Vorteil ist es, dass du ein altes Motorrad günstig, geradezu billig bekommen kannst. Das lässt im Budget natürlich dann noch genügend Luft, um selbst oder auch durch die Werkstatt entsprechende Wartungs- und Reparaturarbeiten vorzunehmen.

Andererseits wirst du selbst bei einem ordentlich gepflegten und gewarteten Motorrad immer nur ein altes Motorrad besitzen, was von den Fahrleistungen her eben nicht mit den neuen Maschinen mithalten kann.

Und wenn du auf das Motorrad als Fahrzeug angewiesen bist, denk immer daran, dass du das Motorrad immer irgendwie am Laufen halten musst. Ob du jetzt Lust hast, Ende November bei -3° in der Garage zu stehen und den Vergaser einzustellen, oder auch nicht.