Umbau als Individualismus?

Motorradfahren ist etwas Besonderes. Macht nicht jeder, will nicht jeder, kann nicht jeder. Wer Motorrad fährt, also nicht nur irgendwann einmal den Motorradführerschein erworben hat, sondern tatsächlich fährt, der unterscheidet sich (vielleicht) von anderen.

Ist der durchschnittliche Motorradfahrer vielleicht mehr Individualist, als andere Leute? Zumindest besteht die Möglichkeit. Klar, Motorrad zu fahren kann ein Gruppenerlebnis sein, auf ein Motorradtreffen geht man nicht, um alleine zu sein und mit seinem Motorradstammtisch zusammen zu sitzen oder gar eine Ausfahrt zu machen, ist auch vielleicht ein Hinweis darauf, nicht ganz ohne Freunde und Bekannte seinem Hobby frönen zu wollen.

Aber dennoch: Auf dem Motorrad sitzt du letztlich vor allem alleine, vielleicht manchmal mit Sozius. Den Großteil der Zeit wirst du ohne jemand anderen auf deiner Sitzbank hocken. Du musst dich also kaum jemandem anpassen, keine oder zumindest wenig Rücksichten auf die Denk- und Sichtweisen anderer nehmen, kannst aus der Konformität ausbrechen und dich mit dem Motorrad schon ein wenig selbst verwirklichen.

Klingt sehr hochtrabend, oder? Ist aber nicht unbedingt falsch. Denn der praktische Ausfluss aus dieser Erkenntnis betrifft die meisten von uns. Auf jeden Fall hat dies mich vor kurzem betroffen.

Der verdammte Choke

Es ist nämlich jetzt seit einigen Tagen recht schattig. So schattig, so kalt, dass ich mich und meine Motorräder ein wenig auf den Winter vorbereiten wollte. Bei meiner BMW ist das auch gar kein so großes Problem, die Maschine ist immer in einem ordentlichen technischen Zustand.

Bei meiner Suzuki DR650 sieht das ein wenig anders aus. Die hat bei Kälte Stratschwierigkeiten. Und kein Choke, kein herumspielen mit dem Gas und auch keine hastigen Gebete verbessern das. Und ich wollte der Sache auf den Grund gehen. Das Kernproblem ist, dass durch den Vorbesitzer der Choke-Hebel ein wenig verlegt und teilweise ausgetauscht wurde. Du kennst das bestimmt: Zum Anwerfen des Motors Choke ordentlich heraus ziehen, sobalt der Motor brummelt, den Choke zur Hälfte wieder herein drücken. Klappt eigentlich immer.

Oder klappt eben auch nicht, wenn der Choke auf einmal mit einem Bowdenzug bedient wird, eine Feder noch dazwischen gesteckt wurde, welche dafür sorgt, dass der Choke nicht mehr „drin“ bleibt und alles so verlegt ist, dass du an gar nichts mehr dran kommst. Alles in Allem: was den Choke angeht, ist meine Suzuki verbastelt.

Wäre jetzt auch nicht so problematisch. Da kann man sich ja ein wenig behelfen und vielleicht mit der Hand kurzzeitig den Knopf festhalten. Oder eben auch nicht, wie bei mir. Immerhin brauche ich die Hand ja, um die nachträglich eingebaute manuelle Dekompression beim Start des Motors zu bedienen. Also auch hier ein wenig verbastelt.

Jetzt ist es natürlich so, dass jede Veränderung für sich genommen wirklich sinnvoll scheint. Wer hat nicht schon an einem alten Motorrad unten am Vergaser herum gefummelt und sich gefragt, warum der dämliche Choke-Hebel nicht einfach irgendwo anders hin verlegt werden könnte. Und auch die automatische Dekompression beim Start des Motors durch eine manuelle Variante zu ersetzen macht Sinn (wenn du mal auf Fehlersuche bei dem dämlichen magnetischen Dekompressionsventil warst, verstehst du, was ich meine).

Nur macht die Vielzahl an Veränderungen das Leben jetzt nicht unbedingt einfacher für mich.

Jedes Motorrad wird verbastelt

Ein Motorrad direkt „von der Stange“ sieht nicht lange so aus, wie vom Hersteller bereitgestellt. Ist ja auch klar. Frisch ab Werk kommt jedes Motorrad „ohne alles“.

Es gibt wohl keinen… falsch… es gibt wohl kaum einen Motorradfahrer, der seine Maschine nicht ein wenig individualisiert. Und da gehöre ich ja auch dazu. Ich hatte bislang noch nie ein Motorrad, dass ein Jahr nach dem Erwerb noch genauso aussah und ausgestattet war, wie beim Kauf.

Ob jetzt Sturzbügel, Bordsteckdose, Scottoiler oder Kofferträger… irgendwie hat sich bei jedem meiner Motorräder mit der Zeit die Einsicht eingeschlichen, dass dies oder jenes besser ginge, etwas fehlt oder mir durch den Anbau eines speziellen Teils das Leben ein wenig einfacher gemacht würde.

Und so habe ich mit der Zeit fleißig Hauptständer, Bordsteckdosen, Scottoiler, Griffschalen und was weiß ich nicht alles Stück für Stück nachgerüstet. Und meist hat es auch genauso funktioniert, wie ich es mir vorgestellt habe. Mein Motorrad wurde mit der Zeit „praktischer“, reisetauglicher oder einfach nur bequemer.

Und dann gibt es noch diejenigen, die mit einem Motorrad ab Werk aus „kosmetischen“ Gründen unzufrieden sind. Da werden verchromte Seitendeckel, Lederfransen oder auch (was ich besonders interessant finde) farbig eloxierte Schrauben am Motor nachgerüstet, winzige Totenköpfe als Ventildeckel genutzt und vieles mehr. Auch das Anbringen eines neuen Auspuffs würde ich fast in diese Richtung stecken, die meisten machen das ja vor allem, um einen „satteren“ Klang zu erhalten. Praktische Gründe spielen da eher selten eine Rolle.

Es ist also Fakt, dass nahezu jedes Motorrad im Laufe der Jahre einige technische Veränderungen erfährt. Und das ist auch gut so. Immerhin ist es ja das liebste Hobby, da gehört auch ein wenig Arbeit oder Mühe hinein.

Und jetzt hat es eben mich erwischt.

Mein Problem

Irgendwann kommt bei jedem Motorrad der Punkt, wo ein weiterer Umbau, ein weiteres Verändern, eine Weitere Arbeit nach hinten losgeht. In meinem speziellen Fall habe ich ein Motorrad gekauft, bei dem schon einige (alle?) möglichen Arbeiten vorgenommen sind. Und ich war ja auch nicht abzuhalten, für mich selbst mit den ´Basteleien am Motorrad fortzufahren. Ich habe Griffschalen und eine Bordsteckdose angeschafft, kaum dass die Suzuki bei mir in der Garage stand.

Und nun stehe ich da, habe ordentliche Probleme beim Kaltstart meines Motorrads, die auch nicht dadurch besser werden, dass die morgendlichen Temperaturen inzwischen bei unter 10°C liegen. Es macht unglaubliche Freude, am frühen Morgen im Hof zu stehen und „herumzuorgeln“, weil die Maschine mangels dauerhaft gezogenen Choke nicht ordentlich angeht. Den ganzen Mist auseinander zu fummeln (die dämliche Feder geht nicht raus, müsste da alles auswechseln) wird wohl den nächsten Schritt darstellen, den ich in Sachen „Winterinspektion“ vornehmen muss.

Mein Fazit zum „verbasteln“

Ich habe eine kleine Lehre daraus gezogen. Ich bastle in Zukunft nur noch dann am Motorrad herum, wenn ich die einzelnen Baugruppen auch ordentlich voneinander trennen und unabhängig voneinander bedienen kann. Den Choke auszutauschen und gleichzeitig die Dekompression, dazu noch die Tatsache, dass ich eben doch ein klein wenig Gas beim Starten des Motorrads benötige? Mir gehen da einfach die Hände aus. Vier wären nötig, zwei nur vorhanden.

Deshalb: Weiterbasteln ja. Aber mit ein wenig mehr Obacht.

Und für denjenigen, der (wie ich) ein verbasteltes Motorrad erwerben: Denk daran, dass du vielleicht im Hochsommer deine Probefahrt durchführst und alles wunderbar funktioniert, aber dein Motorrad eben auch im Winter und bei Regen angehen sollte…