Tag 3 (1004 km)

Beim Frühstück heute machen wir uns Gedanken über die Tagesplanung. Junior möchte ja nicht nur Motorrad fahren, sondern auch etwas von Sardinien sehen. Etwas besichtigen, anschauen, erforschen gehört halt auch dazu. Also machen wir Pläne.

Gegen 10.00 Uhr brechen wir vom Campingplatz aus auf. Wir folgen der Küstenstraße von Alghero in Richtung Süden und biegen dann nach einer knappen Stunde ins Inselinnere ab.

Und wir merken schon unterwegs, dass es wieder erstaunlich warm ist. Es ist sowieso auffallend. Sardinien ist ja nicht soooo wahnsinnig groß. Trotzdem merken wir die Temperaturunterschiede zwischen dem Küstenbereich und dem Inneren der Insel. So auch heute. Es verspricht ein knackig heißer Tag zu werden.

Die Straßenführung ist hervorragend, ständige Schräglagenwechsel zeigen mir spätestens jetzt, warum die Insel bei Motorradfahrern so beliebt ist.

brunnenheiligtum

Das Brunnenheiligtum von St. Cristina. Beeindruckend, was die schon ohne Zement und Baumaschinen geschafft haben.

Endlich kommen wir an unserem Zwischenziel für heute an. Junior hat sich nämlich gestern überlegt, er wolle heute mal ein „Brunnenheiligtum“ besichtigen. Machen wir auch.

Du weißt nicht, was ein „Brunnenheiligtum“ ist? Ganz einfach: Auf Sardinien sind Quellen nicht so häufig anzutreffen. Und wo dann doch eine aus dem Boden sprudelt, wurde die Quelle eingefasst und ein kleiner Schrein drumherum gebaut. Und das Brunnenheiligtum von St. Christina, welches wir heute besuchen, ist wohl das größte von allen auf der Insel. Eine große Freilichtanlage mit einem Dorf aus der Bronzezeit („Nuraghensiedlung“) und einem christlichen Dorf aus dem Mittelalter. Und in unmittelbarer Nähe eben auch das Brunnenheiligtum. Aus Steinquadern eine Art Dom, unter der Erde, wo wir erst mal beeindruckt schauen müssen. Die ganze Konstruktion wurde in der Bronzezeit ohne moderne Werkzeuge ohne Beton verfugt. Nicht schlecht.

Aber wir müssen ziemlich bald abbrechen.

So beeindruckend die archäologische Ausgrabung von St. Christina sein mag: Es bleibt ein Freilichtbereich. Und es macht inzwischen überhaupt keinen Spaß mehr, dort in Motorradklamotten herumzulaufen. Die Temperaturen sind inzwischen auf lockere 34° angestiegen. Wir brauchen gar nicht viel zu reden, beide wollen wir ein wenig Fahrtwind spüren. Auch wenn der ebenfalls recht warm ist.

Wir haben ein gutes Timing. Noch während wir uns fertig machen, fährt ein Bus auf den Parkplatz und spuckt eine Horde Touristen aus. Und ich erkenne gleich die passenden Klischees. Sandalen und Socken sag ich nur. Wo bleibt denn die Modepolizei, wenn man sie mal braucht?

Turm aus der Bronzezeit, „Nuraghenkultur“. Finden sich überall auf der Insel

Es geht weiter durch das Inselinnere in Richtung Ostküste von Sardinien.

Und unterwegs wird es dann mal richtig eklig. Meine Motorradjacke ist etwa zur Hälfte offen, ich spüre mal wieder ein Insekt, was an meinen Hals knallt… und dann nur noch Schmerz. Sofort anhalten und fluchen, dann lasse ich Junior mal nachschauen… er zieht die hintere Hälfte einer Biene von meinem Hals weg. Ein tolles Gefühl. Wie war das? Kühlen und abwarten? Ich schaue mich um. Wir sind mitten im nirgendwo und das einzige Wasser zum Kühlen ist lauwarm und in unserer Trinkflasche.

Recht schnell kommen wir zu dem Entschluss, unseren weg fortzusetzen. Ist ja nur noch eine Stunde zur Ostküste.

Wir brummeln noch eine eine halbe Stunde weiter, dann will ich wieder mal ans Navi greifen und uns einen Campingplatz suchen. Und stelle fest, dass mein Navi (zumindest teilweise) den Hitzetod gestorben ist. Teilweise? Ja. Auch wenn die Routenführung noch funktioniert, alle eingespeicherten Zielpunkte sind weg. Alle. Sowohl die vorher „fest eingebauten“, als auch die von mir nachträglich hinzugefügten. Einfach weg. Ziemlich blöd nur, dass ich mir -anstatt Notizen auf Papier zu machen- alle Campingplätze und die Sehenswürdigkeiten im Navi als POIs gespeichert habe. Ganz klasse.

Also den Reiseführer heraus kramen und von Hand einen Campingplatz suchen.

Wir entscheiden uns, in der Nähe von Oristiano für den Platz „Bella Sardinia“. Natürlich auch wieder in unmittelbarer Nähe zum Meer.

Hier ist es ein wenig anders als bisher auf den Campingplätzen, alles ein wenig unorganisierter. Wer keinen Stromanschluss braucht, kann sich irgendwo am Rande sein Zelt aufstellen. Nachteil: es gibt kaum einen ebenen Fleck, alles Hanglage.

Und noch nicht genug: mir wird verwehrt, mein Motorrad beim Zelt abzustellen. Aber ich merke schnell, warum das so ist, als ich an den angepeilten Platz fahre, bin ich auf einmal mit der Maschine in tiefem, weichen Sand. Ich muss mich geradezu durchwühlen. Eine Heidenarbeit. Im Tiefsand fährst du ja am besten mit Schwung, das klappt auf dem Campingplatz natürlich nicht, hier darfst du ja nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren, sonst bekommen die ganzen Rentner um mich herum ja einen Herzanfall…

Nach dem Zeltaufbau erkunde ich zunächst den Laden (ordentlich ausgestattet, normale Preise) und die Bar. Junior hat sich derweil schon zum Strand aufgemacht.

Wir beschließen den Tag schließlich mit einem leckeren Abendessen (für mich noch ein Bier in der Bar), vergessen alle Pläne für den folgenden Tag.

Tag 4, 1202 km

Wir stehen recht spät auf. Mal richtig ausschlafen tut uns wirklich gut. Nach einem kleinen Frühstück planen wir unseren Tag. Junior ist bei dem Brunnentempel gestern wohl auf den Geschmack gekommen, er blättert in unserem Sardinien-Reiseführer auf der Suche nach weiteren Altertümern, die wir besichtigen können.

Schließlich wird er fündig. Für heute steht eine ausgegrabene punische Siedlung auf dem Programm, er möchte Tharros anschauen. Passt. Die Bilder im Reiseführer sehen nämlich schon beeindruckend aus.

wachturm bei Tharros

alter „Wachturm“ auf der Halbinsel Tharros. Kannst du besteigen und von oben eine grandiose Aussicht bewundern.

Und so machen wir uns auf den Weg auf die Halbinsel Tharros, wo am äußersten Ende die antike Ruine liegt.

Touristisch voll erschlossen nehmen wir gleich die größte Eintrittskarte, die die Besichtigung für einen ehemaligen Wachturm (klasse Aussicht) sowie das Ruinenfeld einschließt. Das Problem an der Sache ist, dass es keinerlei Audio-Guide oder ähnliches gibt und lediglich einige Hinweistafeln für uns herumstehen. Das macht die Sache dann natürlich nicht sonderlich interessant, der Zuwachs an Wissen ist überschaubar. Für uns Laien zeigen die Ruinen nämlich nicht allzu viel.

Und der Spaß bleibt nach einer Weile auch ein wenig auf der Strecke. Die Temperaturen sind inzwischen auf über 30° gestiegen, es macht wahnsinnigen Spaß, in den kompletten Motorradklamotten eine Ruinenstadt zu erkunden.

Säulen in Tharros

Tharros: eine Ruinenstadt aus punischer Zeit.

Nach gut zwei Stunden haben wir genug. Wir suchen uns ein schattiges Plätzchen und planen unseren weiteren Tag. Junior möchte auch diesmal wieder an einen Traumstrand. Aber diesmal in einer Ecke, wo er noch nicht war. Wir schauen uns gemeinsam die Karte von Sardinien an und beschließen, diesmal in die Südostecke der Insel zu verlegen.

Villasimius heißt unser Ziel. Also mal wieder quer durch die Insel. Immerhin auf Klasse Motorradstrecken. Als ich schließlich an der Costa Rei ankomme, bin ich baff. Hier hat der Tourismus voll zugeschlagen. Ich glaube die ganze Ortschaft existiert nur für uns Touristen. Bude neben Bude, Andenkenstände, Imbissbuden, Kneipen. Auch wenn die in der näheren Umgebung verteilten Hotelanlagen wirklich gut aussehen und recht unauffällig in die Landschaft integriert sind, ist der Ort selbst alles andere als schön. Auch die Strände in der Umgebung sind eher nicht diese „einsamen Badebuchten“, sondern eher Handtuch an Handtuch. Alles ein wenig voll hier.

Wir halten gar nicht erst an und rollen weiter zu dem Campingplatz. Dort wird uns ein lauschiges Plätzchen zugewiesen.

Interessant: Unsere Zeltnachbarin ist eine Deutsche mittleren Alters, sie erkundet die Insel seit einiger Zeit mit dem Rucksack. Von ihr erfahre ich einige Tatsachen über Sardinien, bekomme Tipps und Ratschläge, die ich in keinem Reiseführer finde. Auf jeden Fall empfiehlt sie uns, auch mal eine Unterkunft im Inselinneren zu suchen und mal die Gegend abseits der Badestrände zu erkunden. Merke ich mir.

Den Abend verbringen Junior und ich wie es sich inzwischen auch wieder eingependelt hat. Er geht zu Bett, ich mache mich für ein letztes Bier auf zur hiesigen Bar auf dem Campingplatz. Nur leider hat diese zu. Und im Restaurant werde ich fragend angeschaut, als ich nichts essen, sondern nur ein Pils trinken möchte. Dann halt nicht.