Alpenwochenende mit meinem Sohn

Vorbereitung

Die schweizer Alpen sind mein Ziel. Warum? Nachdem ich inzwischen meinen Sohn für nicht allzu wenig Geld mit einer adäquaten Motorradausrüstung ausgestattet habe, wurde es nun Zeit, diese einem intensiven Praxistest zu unterziehen. Die Idee ist eigentlich ganz einfach: Wir fahren das Wochenende über in die Alpen. Die Voraussetzungen sind eigentlich ideal. Nachdem es letzte Woche recht heiß war mit Temperaturen von knapp 30° C und die letzten drei Tage nun recht schattig war, hat sich das Wetter normalisiert. Die Alpenpässe sind seit Anfang dieser Woche auch geöffnet (Öffnungstag war der 28.05.2011), so dass einem Wochenende mit dem Motorrad eigentlich nichts mehr im Wege steht.

Es ist nun so, dass im Geschäft die Urlaubsplanung ein wenig problematisch ist, nichtsdestotrotz komme ich Freitag Morgen gegen 05.00 Uhr heim von der Arbeit. Mein Sohn ist noch in der Schule (eigentlich habe ich mit einem Brückentag gerechnet, aber egal), ich nutze die Zeit ein wenig, um noch etwas Schlaf abzugreifen.

Tag 1 (Freitag, 03.06.2011)

14.30 Uhr:

Motorradkoffer und Gepäckrolle sind vorgepackt

Das Gepäck liegt schon bereit, Koffer und Gepäckrolle müssen nur noch auf die Maschine geschnallt werden

Nach einem schnellen Mittagessen sind wir bereit. Da wir beide schon den halben Tag „verschenkt“ haben, trödeln wir nicht herum. Das Gepäck ist schon am Vortag gerichtet worden, es wird nur schnell auf das Motorrad geschnallt, dann kann die Motorradtour beginnen. Der erste Halt: Die nächste Filiale eines amerikanischen Gourmettempels. Wir werfen uns noch ein paar Burger ein, dann sind wir weit genug gestählt für den Trip.

Zunächst ist es eher öde. Kilometer fressen auf der Autobahn ist angesagt. Wir wollen es diesen Nachmittag zumindest über den ersten Alpenpass schaffen. Also rauf auf die A5 und ab in Richtung Süden. Ich bin ein wenig überrascht. Natürlich war mir klar, dass viele Leute das verlängerte Wochenende mit dem Brückentag nutzen wollen. Andererseits habe ich damit gerechnet, dass die Hauptverkehrswelle schon am Vortag oder zumindest in den Morgenstunden unterwegs war. Nix da. Ich muss die BMW mit mäßiger Geschwindigkeit hinter eine Blechkarawane einreihen. Wir zockeln mit knapp 100 km/h in Richtung schweizer Grenze. Bei Basel an der Grenze dann gleich noch eine Vignette gelöst, weiter geht’s. In Basel dann noch mehr Verkehr. Die Stadtautobahn ist nicht wirklich angenehm zu fahren, kurz nach der Stadt kommt dann auch noch eine Baustelle. Wir wühlen uns durch den Verkehr. Immerhin bietet sich nun die Gelegenheit, an der nächsten Raststätte das Motorrad billig vollzutanken. Mein Sohn hält sich derweil ganz ordentlich. Natürlich ist es nicht gerade prickelnd, Autobahnkilometer auf dem Soziussitz des Motorrads abzuspulen, andererseits klagt er kein bisschen und sieht ein, dass wir erst ein wenig aus dem Gewühl heraus müssen.

Es geht die A2 hinunter bis zur Raststätte Gotthard. Inzwischen kann man nun die Anfänge und Ausläufer der schweizer Alpen doch recht gut sehen. Ich bin ein wenig entmutigt, die Gipfel liegen in einer dicken, grauen Wolkenschicht. Kann aber gar nicht so schlimm sein.

17.45 Uhr

Wir verlassen die Autobahn, halten uns in Richtung Andermatt (schon dieser Abschnitt alleine ist grandios) und nehmen den Oberalppass. Mit knapp über 2000 m ist dieser noch nicht ganz so hoch, trotzdem wird es schon bei der Auffahrt knackig kalt. Auf halber Höhe kommt noch eine gehörige Portion Feuchtigkeit hinzu. Es beginnt zu regnen. Während wir unten noch nette 22°C genießen konnten, haben wir oben bescheidene 8°C und leichten Regen.

Erster Stopp in den Alpen

Das Wetter zieht ein kleines bisschen zu auf der Passhöhe

Trotzdem ist der Große begeistert. Schnee auf der Passhöhe an beiden Hängen. Er begibt sich sofort auf Entdeckungsreise, ich überlege mir, wo wir die Nacht verbringen können. Wir haben die komplette Campingausrüstung dabei, also wäre ein Campingplatz gar nicht so schlecht. Ein Blick auf die Landkarte verrät mir jedoch, dass die Campingplätze in der unmittelbaren Umgebung doch noch recht hoch liegen und daher – zumindest was die Temperaturen angeht – ein wenig mit Vorsicht zu genießen sind. Wir sollten auf jeden Fall wieder ein wenig herunter. Meinen Sohn zu fragen, bringt auch nicht viel. Ein klares „Mir egal“ hilft nicht viel weiter bei der Frage, wie weit wir noch fahren sollen. Also, einen schnellen Entschluss gefasst: Wir fahren runter und nehmen im Anschluss gleich noch den Lukmanierpass mit, Dann sind wir auf der Südseite der Alpen.

18.55 Uhr

Der Passo Lucomagno ist schnell genommen, das Wetter wird immerhin schlechter, die Zeit schreitet voran. Sobald wir wieder nach unten kommen, wird es auch schon wieder wärmer. Wir halten uns zunächst in Richtung Biasca, hier versuche ich, einen Campingplatz zu finden. Eine Frage an der nächsten Tankstelle ernüchtert mich jedoch recht schnell. Der nächste geeignete Campingplatz ist kurz vor Bellinzona, in der schönen Ortschaft Claro. Also, nochmals aufbrechen. Gegen 19.40 Uhr treffen wir ein. Der Platz ist schon gut besucht. Auch wenn die Anmeldung eigentlich nicht besetzt ist, steckt der Platzwart kurz den Kopf aus dem Fenster seines Kabuffs und erklärt uns, wo wir unser Zelt aufstellen können. Keinen Augenblick zu früh, inzwischen fallen schon die ersten Tropfen vom Himmel.

Das Motorrad kurz abgestellt, die Gepäckrolle von der Maschine genommen und flugs das Zelt aufgebaut. Wir haben ein kleines Rasenstückchen für uns alleine. Nachdem in Windeseile das Zelt aufgebaut ist, verspüre ich nur wenig Lust, jetzt noch irgendwie eine Dose Ravioli (die wir noch nicht einmal besitzen, sondern erst irgendwie kaufen müssten) auf dem Kocher warm zu machen. Ich habe einfach keine Lust mehr. Der Platzwart kann uns aber auch hier einen Tipp geben, „gleich ins Dorf, dort am ersten Kreisverkehr ist schon eine tolle Pizzeria“. Guter Plan. Ohne uns umzuziehen, traben wir los. Der Plan war nur mäßig gut. Die Ortschaft ist 25 Minuten Fußmarsch entfernt. Als wir endlich in dem Laden ankommen, bin ich bereit wirklich ALLES zu essen, was man mir hinstellt. Ist aber nicht einmal nötig. Die Pizza ist klasse, wirklich ausreichend groß und das Bier auch kalt genug. Mein Sohn gönnt sich dabei auch gleich eine große Pizza und spachtelt diese ohne Rücksicht auf Verluste weg. So gestärkt ist es wirklich kein Problem, den Heimweg anzutreten und uns in die Schlafsäcke zu verkriechen.

Tag 2

06.00 Uhr

Zelt steht auf einem nicht regensicheren Rasen

Unser Zeltplatz wird recht schlammig nach ein wenig Regen

Es rumort im Zelt. Ich öffne widerwillig meine Augen und bemerke zunächst, dass Flo schon recht aktiv ist. Wenn er eh schon wach ist, kann er gleich duschen, sich fertig machen und ganz allgemein mal den Campingplatz erkunden. Ich nutze die Zeit, um noch ein wenig zu dösen. Mein Schlaf ist nicht gerade ruhig. Ich höre nämlich Regentropfen auf das Zelt fallen.Das Geräusch ist zwar nicht unangenehm, jedoch wird mir schnell klar, dass dieser Regen unangenehme Komplikationen bietet.

Der Verdacht hat sich bestätigt. Beim Gang zu der Dusche stelle ich fest, dass ein richtiges Sauwetter herrscht. Es ist zwar nicht kalt, knapp 20° herrschen, aber wirklich unangenehm. Dauerregen. Die Berge um uns herum liegen in dicke Wolken verpackt. Floh holt beim Campingplatzkiosk unsere vorbestellten Hefezöpfe, wir setzen uns unter einen niedrigen Baum, der uns ein wenig Schutz vor dem Wetter bietet. Der Kocher wird angeschmissen, ich gönne mir einen Instant-Kaffee, mein Junior nimmt einen Tee. Inzwischen ist unser Equipment sowieso komplett nass. Der Regen hört nicht auf. Gegen 10.00 Uhr reicht es mir. Das Zelt wird trotz Dauerregen abgebaut und verpackt. Hier stellt sich schon ein kleiner Fehler in der Planung heraus. Ein Zelt auf Grasboden aufzustellen, mag ja bei Trockenheit einige Vorteile bieten. Bei dem vorherrschenden Dreckswetter jedoch, wird der Abbau zur Qual. Überall steht das Wasser, der Boden ist aufgeweicht und schlammig. Alles total verdreckt, meine Laune schon auf dem Tiefpunkt.

Wir beladen die BMW. Das Motorrad ist, dank unserer besonderen Motivation, möglichst schnell wegzukommen, in Windeseile bepackt, dann geht es los.

Mein Sohn beim Abbau unserer Ausrüstung

Warum soll ich denn alleine die Maschine bepacken, ich habe ja kundige Hilfe dabei

Zurück in Richtung Biasca. Wir fahren durch bis kurz vor Airolo. Über Land, nicht über die Autobahn. Auch wenn die Gegend an sich recht reizvoll ist, kann ich der Landschaft heute nicht viel abgewinnen. Kurz vor Airolo biege ich ab in Richtung Nufenenpass. Wir schlängeln uns die eigentlich wirklich angenehm zu fahrende Passstraße hinauf. Es wird bitter kalt. Die Temperaturanzeige am Bordcomputer der BMW fällt auf bescheidene 5° C auf der Passhöhe. Der Regen hat sich dafür ein wenig gewandelt. Inzwischen ist es eigentlich mehr eine Art Graupelschauer. Ekelhafte Verhältnisse zum Motorrad fahren. Demzufolge fällt unser Aufenthalt auf der Passhöhe recht kurz auf. Floh ist trotzdem zufrieden. Trotz nahezu abgestorbener Finger ist er begeistert von den Schneeresten, welche sich noch rechts und links der Straße befinden. Mich hingegen zieht es so schnell wie möglich wieder bergab.

11.40 Uhr

Wir sind wieder unten. Wir stehen in Ulrichen. Die Temperaturen sind auch wieder normal. Nun gilt es, eine Entscheidung zu treffen. An dieser Stelle abbrechen und dann in Richtung Heimat, oder weitermachen und hoffen, dass es besser wird. Die Entscheidung wird uns leicht gemacht. Noch während wir überlegen (auf die Frage kam wie immer die Antwort „mir egal“), fallen wieder Tropfen vom Himmel. Es fängt an, zu gießen. Die Entscheidung ist gefallen. Über den Furkapass, dass auf die Autobahn und Richtung Heimat. Ich habe echt die Nase voll.

Der Furkapass ist so eine Sache für sich. Irgendwie gefällt er mir nicht. Ich komme nicht so richtig gut mit ihm klar. Dies umso mehr am heutigen Tag. Während das Motorrad tapfer die Steigungen erklimmt und der Regen stärker wird, kommt nun noch eine besondere Überraschung hinzu. Nebel. Eigentlich kein Problem. Nur ist die Sichtweite mit knapp 30m nun wirklich nicht mehr so groß, der Regen und die schneidende Kälte (inzwischen 4,5°) tun ihr Übriges. Es macht einfach keinen Spaß mehr. Wir halten auf der Passhöhe nicht mal an. Ich will nur so schnell wie möglich hier weg.

Wir halten uns in Richtung Wassen und fahren auf die Autobahn auf. Es geht Richtung Heimat.

13.00 Uhr

Die schweizer Alpen liegen in unserem Rücken. Die Temperaturen haben sich normalisiert, der Regen hat aufgehört. Wir stehen an der Autobahnraststätte Gotthard. Der Rasthof ist brechend voll, ich musste zusehen, dass ich für das Motorrad ein Parkplätzchen finde.

Flo wird mit unseren letzten Franken in den Laden geschickt, er kommt zurück mit einigen Keksen und zwei Coke. Nach diesem fürstlichen Mahl, will ich noch zur Toilette. Ich bin etwas verblüfft, als ich sehen muss, dass es hier bescheidene 1 Franken kostet, Pinkeln zu gehen. Bei diesen Gebühren erwarte ich eigentlich schon fast ein Streichquartett zur musikalischen Unterhaltung auf der Herrentoilette. Ist nicht. Zurück an der Maschine, möchte mein Sohn auch noch kurz austreten. Ich gebe ihm ein 2-Franken-Stück mit, er soll es sich umtauschen lassen, damit er ebenfalls auf die Toilette kann. Er kommt unverrichteter Dinge zurück. Die Verkäuferin an der Theke hat meinem elfjährigen, schon hin und her trippelnden Sohn erklärt, dass er nur dann Kleingeld für die dortige Toilette bekommt, wenn er etwas kauft. Ganz klar. Gegenüber einem Kind kann man ganz stark sein. Das Problem wurde dann zwar gelöst (an den Busch pinkeln), ich konnte mir aber nicht verkneifen, eine E-Mail im Nachhinein zu verfassen mit meinem ganz persönlichen Dank für das Verhalten meinem Sohn gegenüber.

16.00 Uhr

Es ist vollbracht. Nach etwa drei Stunden Autobahnfahrt sind wir zu Hause. Wir haben hier sommerliches Wetter. Keiner glaubt, dass wir auf Grund der Kälte und dem Dauerregen aus den Alpen geflüchtet sind. Ich bin total zerschlagen, mein Großer ist enttäuscht. Macht nix, ich habe ihm versprochen, beim nächsten mal, wenn ich eine Woche frei habe, mit ihm nach Südfrankreich zu fahren. Dort ist es mit Sicherheit wärmer. Und am Mittelmeer war er auch noch nie.

Fazit

Das Wochenende war Mist. Eine „Bewölkung“ hier kann in den zentralen Alpen schon ganz erhebliche Temperaturstürze bedeuten. Das macht auf dem Motorrad schlichtweg keinen Spaß mehr. Ich habe es immer noch nicht geschafft, mit meinem Junior mal bei wirklich gutem Wetter eine Runde zu drehen. Irgendwann wird es noch klappen, ich bin mir sicher.

Andererseits habe ich nun endlich mal den berühmten schweizer Service an der Raststätte Gotthard bewundern können (es kam eine kleine Entschuldigung per Mail), und ich habe zumindest schon mal dieses Jahr die Alpen unter die Räder genommen. Auch was wert.