Das Gebrauchtmotorrad checken

Teil 1 hier

Du hast also endlich das Gebrauchtmotorrad deiner Wünsche gefunden? Du bist nun vor Ort und möchtest den technischen Zustand beurteilen?

Du kannst hierzu natürlich einen technisch versierten Freund mitschleppen, der dir dies abnimmt. Oder du hangelst dich hier ein wenig an der Liste entlang. Die meisten Hinweise hier sind recht einfach nachzumachen und sorgen dafür, dass du nicht kompletten Schrott mit nach Hause bringst. Wobei ich hier nicht verhehlen möchte, dass der Kauf eines gebrauchten Motorrads auch trotz aller Vorsicht und Prüfung für Überraschungen sorgen kann.

Hinweis:
Ich habe diese kleine Liste recht allgemein gehalten, so dass sie auf die meisten Motorräder passt. Wer eine 1150er GS kaufen möchte, kann natürlich die Kettenprüfung überspringen, wenn du dich für ein Motorrad mit Kunststofftank interessierst, wirst du dort nicht unbedingt nach Rost suchen müssen. Was ich sagen möchte: Nicht blind abhaken, sondern mitdenken.

Noch ein kleiner Rat: Bei einigen der Punkte bietet es sich an, zu zweit zu sein. Dazu brauchst du aber nicht unbedingt einen kundigen Freund mitnehmen. Dies kann auch ohne Probleme der Verkäufer übernehmen. Der ist ja sowieso vor Ort.

Und noch ein kleiner Hinweis: Diese Liste ist jetzt nicht stur abzuarbeiten. Geh vor, wie es dir am besten liegt. Checke dein Gebrauchtmotorrad, wie du es am liebsten hast. Geh einfach nur systematisch vor. Ob jetzt von oben nach unten, nach Baugruppen oder auch von vorne nach hinten: egal, Hauptsache es funktioniert. Ich für meinen Teil mache das alles etwas nach Bauchgefühl und eher weniger logisch, eher von einfach nach schwer. Das kann, muss aber nicht, für dich passen:

Räder / Reifen

Ich fange beim Check meiner Gebrauchtmaschine mit dem leichtesten Prüfpunkt an. Ich schaue mir die Räder an. Passt die Bereifung von Größe, Marke (Reifenbindung?) und Zustand? Noch ausreichend Profil drauf?

Auch die Felgen verdienen einen schnellen Blick. Irgendwelche Dellen oder „Macken“? Wenn ja, sind diese problematisch? Bei Speichenrädern: einfach mal locker mit dem Fahrzeugschlüssel antlang fahren und zuhören. Die Speichen sollten einigermaßen gleich klingen. Tun sie das nicht, stehen sie unter unterschiedlicher Spannung, hat sich vielleicht eine gelöst?

Wenn du an den Rädern zu Gange bist, kurz noch das Lagerspiel checken: Rad vom Boden abheben (Hauptständer und hinten schwer machen, damit es sich vorne vom Boden löst), dann einfach mal am Rad in Seitenrichtung rütteln. Sollte sich nichts bewegen. Am Hinterrad auf die gleiche Art checken.

Gabelstandrohre und Federbein, Lenkkopflager

Wenn du sowieso schon am Boden herumkriechst und das Vorderrad gerade in der Luft ist, kannst du dir den Rest vom Fahrwerk auch noch vornehmen. Einfach mal den Lenker mit zwei Fingern von rechts nach links und zurück bewegen. Rastet er irgendwo ein? Alles ordentlich leichtgängig? Rüttelprobe am Vorderrad auch in Längsrichtung problemlos? Nimm dann das Motorrad runter vom Hauptständer, rolle zum nächsten Bordstein und schiebe das Motorrad bis zur Bordsteinkante. Dann einfach mal das stehende Motorrad nach vorne drücken. Wenn es aus der Lenkermitte heraus anfängt zu „klacken“, solltest du das Lenkkopflager prüfen (lassen).

Checke nun die Gabelstandrohre. Ist dort noch ordentliche Beschichtung drauf? Oder ist diese abgeplatzt? Hast du Rost an der Gabel? Oder, genauso blöd, einen schmierigen Ölfilm? Das Öl sollte nämlich innerhalb der Gabel bleiben. Die Gabelsimmerringe noch kurz anschauen, ob sie noch „normal“ aussehen, oder schön bröckelig sind.

Das Federbein hinten (wahrscheinlich verdreckt) ist nicht ganz so einfach zu checken. Du kommst nämlich schlecht dran und siehst kaum was. Allenfalls kannst du auf dem Hauptständer mal ein wenig ruckeln. Wenn es dann dort unten „rappelt“, solltest du dir mal die Umlenkhebel anschauen, ob die vielleicht ausgeschlagen und verschlissen sind. Auch mal auf dem Boden stehend die ganze Fuhre vorne festhalten und hinten mal voll in die Federn drücken. Die Maschine sollte sauber und ohne Geräuschkulisse einfedern und beim Ausfedern nicht nachwippen.

Bremsen

Meist problemlos, verraten sie jedoch immer mal wieder viel über den Verkäufer. Bremsbeläge sind natürlich auf Verschleiß zu prüfen. Die Bremsscheibe kannst du nur nach Sicht auf offensichtliche Beschädigungen überprüfen. Schau dir aber auch die Bremsflüssigkeit bzw. den Behälter an. Schwappt dort nur eine dunkelbraune Brühe oder sind die Schrauben des Bremsflüssigkeitsbehälters komplett vergammelt, wurde dieser eben nicht zum Wechsel der Bremsflüssigkeit geöffnet seit langer Zeit. Was auch bedeutet, dass sich der Vorbesitzer nicht um solche sicherheitsrelevanten Problemchen gekümmert hat.

Verkleidungsteile

Ist die Verkleidung noch in Ordnung? Alle Schrauben vorhanden? Irgendwo Risse? Schau diesbezüglich vor allem bei Befestigungspunkten im unteren Bereich des Motorrads nach, wo das auf den ersten Blick nicht so auffällt.

Ist irgendwo nachlackiert worden? Vielleicht „gespachtelt“ und geflickt? Wenn ja, frag auch mal nach einem Sturz in der Vergangenheit.

Tank

Ein Metalltank kann rosten. Und wenn er alt genug ist, wird er das auch tun. Die Außenseite ist am besten mit dem Finger zu prüfen. An der Unterseite des Motorradtanks, an der dortigen Falz, einfach mal mit dem Finger entlang fahren. Bröckelt da der Lack ab? Hast du rostige Finger?

Die Innenseite des Tanks ist auch so zu prüfen. Tankdeckel auf, dann einfach mal mit dem Finger auf der Innenseite entlang streifen. Ist der Finger dann braun vom Rost? Denk dran, einen Tank zu entrosten und zu versiegeln ist eine Drecksarbeit. Willst du dir diese Arbeit bei deinem künftigen Gebrauchtmotorrad machen?

Auspuffanlage

Prüf die Auspuffanlage mit einem Blick von außen vom Krümmer bis hin zum Endtopf. Ein wenig Rost ist kein Problem. Wenn es aber bei der kleinsten Berührung rieselt, ist es schon zu arg. Auch einfach mal mit der Hand gegen den Endtopf klopfen. Wenn etwas im Auspuff klappert, ist das Innenleben des Endtopfs auch beschädigt. Bedenke: eine Auspuffanlage zu ersetzen kostet.

Falls eine Austauschauspuffanlage montiert ist, dann checke auch, ob sie genehmigt UND auch tatsächlich nicht zu laut ist. Kein noch so tolles E-Prüfzeichen hilft, wenn du einen Mängelbericht wegen Lärmentwicklung nicht abbiegen kannst.

Kette

Der Kettenzustand ist recht einfach zu checken. Ordentlich geölt? Nirgendwo „steife“ Kettenglieder? Ordnungsgemäß eingestellt? Ungleichmäßig gelängt? Kannst du die Kette vom Kettenrad so weit abheben, dass mehr als die Hälfte des Zahns am Kettenrad zu sehen ist? Wenn ja, ist nachstellen notwendig.

Die Motorradkette sagt auch recht viel über den Vorbesitzer aus. Beträgt der Kilometerstand des Motorrads erst 15.000 km, die Kette ist aber komplett fertig, lässt das entweder auf mangelnde Pflege (Liebe zum Motorrad) schließen, oder aber auf einen Fahrstil, der sehr auf ruckartige Leistungsentfaltung setzt. Beides nicht unbedingt zu empfehlen.

Motor

Nun geht es ans Eingemachte. Und du kannst hier am wenigsten von außen erkennen.

So lange die Maschine steht, prüfe gleich mal den Ölstand. Dann lege die Hand an den Zylinder. Ist er warm? Wenn ja, warum musste der Verkäufer vor deinem Auftauchen erst mal den Motor laufen lassen? Gibt es in kalten Zustand vielleicht Startschwierigkeiten?

Dann von oben nach unten schauen und auch mit den Fingern fühlen: Tritt am Zylinderkopf, am Zylinderfuß oder irgendwo unterhalb Öl aus? Hast du ölige Pfoten, nachdem du die Ölablassschraube angefasst hast?

Prüfe auch den Kühler. Alles dicht? Auch Kühlflüssigkeit mit ausreichend Frostschutz drin? Irgendwelche rissigen Leitungen oder vergammelte Schlauchschellen?

Wenn auch hier alles in Ordnung ist, wird es Zeit, den Motor anzulassen und auch mal eine Runde mit deinem Gebrauchtmotorrad zu fahren.

Das Gebrauchtmotorrad Probefahren

Anwerfen des Motors

Brummelt der Motor auch in kaltem Zustand sofort los oder zeigt er sich unwillig? Hustet er sich im Standgas am Absterben entlang, oder läuft der Motor sauber? Kurz noch einen Blick auf den Auspuff werfen: Wenn stark „blauer“ Rauch herauskommt, wird wohl auch noch Öl und nicht nur Sprit verbrannt. Sollte nicht sein…

Elektrik / Schalter / Hebel

Sobald der Motor läuft, prüfe mal kurz alle Schalter, die du so am Motorrad vorfindest. Licht, Hupe, Blinke, was auch immer. Alles leichtgängig und funktionsfähig? Funktionier auch das Licht ordentlich?

Auch mal die Kupplung ziehen. Ist der Hebel einigermaßen leichtgängig oder musst du massiv Kraft aufwenden?

Probefahrt

Bei der Probefahrt reicht eine nur kurze Strecke. Einfach mal anfahren, alle Gänge durchschalten. Lassen sich die Gänge sauber durchschalten? „Heult“ ein einzelner Gang? Wenn ja, ist womöglich ein Zahnrad verschlissen.

Bei niedriger Drehzahl mal auch genau hinhören: Rappelt und rasselt es im Motor? Das wäre dann ein Zeichen für eine nicht ordentlich gespannte Steuerkette.

Auch die Antriebskette kann sich durch ein Rasseln bemerkbar machen. Zeichen für mangelnde Wartung oder eine verschlissene Kette.

Bei der Fahrt sollte der Lenker leichtgängig sein, nicht irgendwo „einhaken“. Wenn dies passiert, ist das Lenkkopflager verschlissen. Ruhig auch mal die Hände vom Lenker nehmen und schauen, ob die Maschine unangenehm nach einer Seite zieht. Sollte auch nicht sein. Auch einen Blick auf den Tacho und Drehzahlmesser werfen. Die Zeiger sollten einigermaßen ruhig liegen. Wenn die Zeiger dauernd zittern, liegt ein (wenn auch kleiner) Defekt vor. Ist vor allem nervig.

Während der Fahrt auch mal eine „Rumpelstrecke“ befahren. Trotz schlechter Straße sollte sich aus dem Fahrwerk kein ungebührliches Knacken bemerkbar machen.

Am Ende der Probefahrt bei eingelegtem Gang den Seitenständer ausklappen. Der Motor sollte nun ausgehen.

Nach der Probefahrt

Zu guter Letzt:

Nimm nun die SItzbank ab. Ist die Batterie in ordentlichem Zustand? Ist unter der Sitzbank alles ordentlich oder nur „vergammelt“? Bordwerkzeug auch noch vorhanden?

Und dann laufe nochmals in Ruhe um das Motorrad herum und lass dir den Gesamteindruck auf der Zunge zergehen. Hast du noch ein gutes Gefühl beim Kauf?

Fazit

Ein Gebrauchtmotorrad zu checken, kann recht schnell gehen. Und nur weil ein oder zwei der oben genannten Punkte zutreffen, bedeutet dies nicht, dass du ein bestimmtes Motorrad nicht kaufen solltest. Hier macht es vor allem die Menge an möglichen Problemen. Wenn die möglichen Reparaturkosten höher sind, als der Restwert des Fahrzeugs, würde ich mir halt mal Gedanken machen…

Und am wichtigsten: Hör auf dein Bauchgefühl. Wenn du ein schlechtes Gefühl bei einem Gebrauchtmotorrad hast, dann lass die Finger davon.