Time to say goodbye
Der Verkauf ist abgeschlossen. Und zwar der Verkauf von Schatzis GSX600F. Endlich. Aber irgendwie auch traurig.
Darf man eine Laudatio eigentlich auch für ein Motorrad abhalten? Man muss sogar. Denn anders als die meisten Autofahrer hängen doch normale Motorradfahrer doch ein wenig mehr an ihrer Maschine. Da stecken halt noch Emotionen drin.
Und bei einem Abschied darf man natürlich auch ein wenig emotional werden und sich vielleicht nochmals die gemeinsame Zeit in Erinnerungen bringen.
Das Kennenlernen
Meine Frau hat gerade den Motorradführerschein erfolgreich in die Hand bekommen. Meine BMW möchte sie nicht nutzen, ist ihr zu groß. Sie braucht einen fahrbaren Untersatz, ein erstes Motorrad, um festzustellen, ob sie auch wirklich selbst fahren möchte.
Und es soll nicht irgendein Motorrad sein. Ich zeige ihr alle möglichen Modelle, von denen ich denke, dass sie vielleicht in Frage kommen. Eine Pegaso (zu klobig), eine V-Strom (zu breit), eine Bandit (zu viel Chrom), eine ältere CBR (zu unbequem)… so geht es immer weiter.
Nichts passt, was passt (beispielsweise eine Ninja) kann ich ihr dann doch als Erstmotorrad ausreden. Immerhin sollte man vor dem fliegen zuerst das Laufen lernen. Irgendwie klappt das alles nicht.
Schließlich spricht mich ein Kollege an. Er habe da noch ein Mopped in der Scheune stehen, leider aber schon lange tot, das könne man sich ja mal angucken.
Und es kommt wie es kommen muss, Schatzi verliebt sich spontan in die GSX600F. Da ist es egal, dass ich befürchte, die Maschine ist schlichtweg Schrott, unbequem oder auch als typisches 80er-Jahre-Produkt zu schnell für sein Fahrwerk… egal. Immerhin sieht das Motorrad gut aus (???) und passt hervorragend zu Schatzis Vintage-Lederkombi.
(jaja, das sind dann schon die richtigen Prioritäten, oder?)
Einen Tag später steht ihr neuer Scheunenfund auch schon in der Garage. Und ist natürlich tot. Nichts tut sich, auch nicht mit fremdstarten.
Die Instandsetzung
Es ist egal, dass ich eigentlich keine Lust habe, an einem Motorrad zu basteln, schon gar nicht, wenn es nicht mein eigenes und gegen meinen ausdrücklichen Wunsch angeschafft ist.
Aber wenn meine Frau wünscht, bekommt sie auch.
Ganz schnell wird geputzt, Öl gewechselt, neue Batterie angeschafft. Recht schnell ist klar, Luftfilter ist total zu. Maschine läuft immer noch nicht? Dann liegt es wohl am Sprit.
Aha, Benzinhahn hat eine Macke. Einerseits undicht nach außen, andererseits ist auch der Filter total verdreckt. Und das Benzin ist auch eher dunkelbraun.
Maschine läuft aber selbst jetzt noch nicht. Also den Vergaser abnehmen. Aha, grüner Schmodder.
Ausbürsten und Ausspülen im alten Benzin hilft. Problem gelöst.
Nach insgesamt drei Samstagen, jeder Menge Flüchen, Dreck, Bier und Nerven brummt die Suzuki endlich. Nur eben noch nicht so, wie ich mir das wünsche.
Schließlich lese ich mich ein, wie ein Vergaser einzustellen ist. Was ist die CO-Schraube, wie wird was von wem beeinflusst. Ich glaube, ohne Bücherwissen würde ich immer noch dran sitzen.
Am Ende dann noch ein neuer Satz Reifen, damit ich mich auch tatsächlich auf die Straße trauen kann, dann ist nach einem ordentlichen Bargeldbetrag und unermüdlichem Einsatz das Motorrad endlich fahrbereit.
Wir fahren
Tatsächlich fahre erst mal ich. Ein paar kleinere Testrunden. Recht schnell zeigt sich, dass Schatzi später ihre liebe Not mit der Maschine haben wird. Irgendwie zu klein, nichts passt so, wie ich es mir wünsche, und Stummellenker sind sowieso schon lange nicht mehr mein Ding.
Und dann erst das Fahrwerk. Ja, der Motor läuft, er brüllt geradezu. Nur der Rest des Motorrads passt halt nicht. Alles wackelt, rappelt, quietscht, verbiegt sich und mir wird Himmelangst, als ich die Maschine zum ersten Mal auf meiner Hausstrecke Gassi führe. Eine echte Höllenmaschine.
Aber Schatzi möchte davon nichts hören, für sie zählt, dass sie ein eigenes Motorrad bekommen hat, das fährt, gut aussieht und dann sogar noch perfekt zu ihrem Vintage-Lederkombi passt.
Und tatsächlich dreht sie in der Folge auch immer mal wieder eine Runde, um sich mit ihrer neuen Höllenmaschine anzufreunden.
Und das geht so lange gut, bis wir dann zum ersten Mal in Urlaub fahren. Am zweiten Tag schiebt sie ihre Suzuki aus der Garage heraus, stolpert, kippt mit der Maschine um und beide zusammen liegen schließlich auf dem Boden.
Wäre alles nicht so schlimm, wenn nicht der Rahmen direkt auf das Knie geknallt wäre. Urlaub vorbei, Heimweg via ADAC.
Ich fahre
Schatzi hat die Freude an ihrer Maschine verloren. Aber irgendwie will sie sie auch nicht verkaufen.
Schließlich nehme ich mich der Sache an. Ein Motorrad muss ja auch bewegt werden. Und so kommt es, ganz nebenbei, dass ich ab jetzt die Höllenmaschine nutze. Für den Weg zur Arbeit, für alle möglichen kleineren Erledigungen, für den Weg von A nach B. Und auch im Winter, wenn ich meiner BMW das Streusalz ersparen möchte.
Ich bastle
Und ich bastle.
An meiner BMW, immerhin ist sie ja noch recht neu, geht kaum was kaputt. An Schatzis Suzuki immer mal wieder. Riß in der Verkleidung? Klar, immer wieder. Tropfendes Öl? Ja, kommt auch vor. Ventile einstellen, Ölwechsel, Bremsen, Rost am Rahmen… alles was du willst. Ich habe an der Höllenmaschine schon vieles gebastelt, bin ja zu geizig, viel Geld für die Wartung eines Motorrads auszugeben, welches eh nicht meines ist.
Die GSX600F begleitet mich jahrelang, sorgt dafür, dass ich alle möglichen kleineren und größeren Kniffe beherrsche, Dinge, die ich vorher noch nie brauchte (oder auch wissen wollte).
Oder wusstest du, dass du mit medizinischem Kunststoff eine defekte Verkleidung unterlegen, verstärken und wieder stabil machen kannst? Definitiv Dinge, die jeder braucht.
Auf jeden Fall ist die Höllenmaschine Garant dafür, dass ich immer wieder, wenn mir langweilig sein sollte, doch noch was zu tun habe.
Die Trennung
Aber irgendwann ist genug. Trotz allem, was immer wieder zu tun ist, ändert sich nichts. Die GSX600F liegt mir einfach nicht. Es ist einfach kein Motorrad, mit dem ich warm werden kann. Und ich habe schon wirklich viel Mühe investiert.
Und da Schatzi nicht mehr fährt, beschwatze ich sie endlich, die Höllenmaschine zu verkaufen. Schon alleine deshalb, damit wieder Platz in der Garage ist. Platz, den ich für die Anschaffung eines neuen Motorrads (oder eher eines gebrauchten?) nutzen werde.
Und schließlich und endlich, nach allerlei merkwürdigen Leuten, die mehr oder weniger Interesse an dem Schnäppchen hatten, ist dann tatsächlich jemand gekommen, der sie (sogar ohne Probefahrt) glatt vom Hof weg mitnimmt.
Alles so wie ich es will.
Und jetzt ist sie weg
Und was nie möglich sein sollte: Ich vermisse die Höllenmaschine.
Zwar sind wir irgendwie nie richtig miteinander klar gekommen, immer gab es was zu meckern, was zu basteln, Arbeiten zu erledigen… aber ich vermisse das Motorrad trotzdem.
Liebe Höllenmaschine, ich wünsche dir grad nochmals 60.000 km und möge dein neuer Besitzer dich am Ende auch vermissen.
Hallo,
kann ich gut verstehen. Hatte 12 Jahre lang eine Cagiva Navigator 1000, einst als Neufahrzeug gekauft.
Irgendwann hatte mich (Achtung unqualifizierte Pauschalaussage!) die italienische Verarbeitungsqualität genervt. Der Motor war top, allerdings auch von Suzuki. 🙂
Hatte dann einen glücklichen Käufer gefunden, der es zuvor erstaunlich lange auf einer Transalp ausgehalten hatte.
Als er mit der Maschine vom Hof gefahren ist, erst Freude und auch etwas Erleichterung. Aber seit dem immer mal wieder sentimentale Rückblicke. Dann kommt aber wieder das Rationale durch und die Erkenntnis: Alles richtig gemacht.
Grüßle,
Daniel