Die Länge der Tagesetappe
Woher kommt die Überlegung?
Letzte Woche war ich noch kurz unterwegs, eher weniger, weil ich unbedingt noch eine kurze Tour machen wollte, mehr weil ich ganz praktisch von A nach B fahren wollte. Und als ich dann so unterwegs war, sich die Strecke noch ewig vor mir hingezogen hat, ich dann irgendwann müde, kaputt und frierend auf dem Motorrad saß, habe ich mir mal ernsthaft überlegen müssen, wie weit ich eigentlich so an pro Tag kommen kann, wie lang für mich eine Tagesetappe sein darf.
Die Sache hat natürlich auch eine weitere Dimension. Als ich im Sommer, während meines Urlaubs, mit dem Motorrad auf Sardinien unterwegs war und versucht habe, einzelne vom Reiseführer vorgegebene Routen nachzufahren, war ich auch ein wenig erstaunt, dass die vorgestellten Routen, was die Streckenlänge angeht, zwar nicht besonders groß waren, aber doch recht lange dauerten.
Von daher ist es vielleicht eine ganz nützliche, nicht nur rein akademische Überlegung, wie weit ich denn so pro Tag mit dem Motorrad komme, wie lange eine normale Tagesetappe sein kann.
Wie ist denn meine Durchschnittsgeschwindigkeit?
Was ich an meiner F800GS besonders toll finde: den Bordcomputer. Unter anderem erfahre ich dadurch auch meine durchschnittliche Fahrtgeschwindigkeit. Und als ich das Teil dann mal ein wenig genauer betrachtet habe, musste ich dann doch einige Fakten erkennen, die ich bis dato noch gar nicht wusste.
Zunächst einmal muss ich feststellen, dass ich im „normalen“ Betrieb außerorts über Land- und Bundesstraßen weit weniger schnell vorankomme, als ich früher so gemeinhin angenommen habe. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit auf süddeutschen Straßen beträgt kaum mehr als 60-65 km/h. Also nicht besonders viel. Auch wenn ich dann außerorts den Hahn ordentlich aufdrehe, komme ich bei Ortsdurchfahrten, an Ampelstopps oder auch beim hinterherrollen in einer Autoschlange nur auf insgesamt recht geringe Durchschnittsgeschwindigkeiten. Die 100 km/h sind halt nur theoretisch über längere Zeit drin.
Was dabei ein wenig überrascht: In Frankreich und der Schweiz, wo niedrigere Geschwindigkeitsbegrenzungen herrschen, sinkt die Durchschnittsgeschwindigkeit nur unerheblich…
Und auch wenn du glaubst, auf der Autobahn ordentlich Strecke machen zu können, wenn du mit einem Durchschnitt von 130 km/h rechnest, muss ich enttäuschen. Das klappt auch nicht. Die letzten 1000 Autobahnkilometer, die ich (innerhalb von zwei elend langweiligen Tagen) heruntergebrummelt bin, haben mich ein wenig ernüchtert. Bedingt durch Staus, Baustellen und gelegentlichen Blechlawinen habe ich auch hier nur knapp einen 100er-Schnitt herausgefahren. Dies zwar, ohne dass ich alles herausgeholt habe, aber ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich, bei Vollgasfahrten sobald möglich, besonders viel schneller unterwegs gewesen wäre.
Und wie lange fahre ich?
Jetzt stellt sich noch die Frage, wie lange ich den pro Tag tatsächlich aktiv fahren kann, soll, möchte. Natürlich ist hier alles grundsätzlich möglich, was ich, gemessen an meiner körperlichen Leistungsfähigkeit, irgendwie schaffen könnte. Das sollte ja aber auch nicht das Ziel sein.
Überlegen wir mal: Im Motorradurlaub stehe ich nicht allzu früh auf, frühstücke gemütlich und mache mich dann irgendwann auf den Weg. Unterwegs lege ich noch Fotostopps, Tankpausen und auf dem einen oder anderen Pass eine Zigarettenpause ein. Dazu kommt noch irgendwann ein Vesper und vielleicht, je nach Zweck der Fahrt, noch ein touristischer Halt.
Gehe ich also davon aus, dass mein Tag um 08.00 Uhr mit Aufstehen beginnt und ich meine Tagesetappe spätestens um 18.00 Uhr endet, dann habe ich zum reinen Fahren höchstens sechs Stunden. Lasse ich touristische Halts und die Mittagspause weg, sind es vielleicht acht Stunden, mehr aber auf keinen Fall. Und das hat dann auch nur noch wenig mit Spaß am Fahren zu tun.
Immerhin bin ich ja mit dem Motorrad meist als Freizeitaktivität unterwegs, eher seltener, weil ich dringend irgendwie meine Zähigkeit beweisen will.
Und wie weit komme ich nun pro Tag?
Nachdem ich bei meinem letzten Kurztripp aus Südfrankreich auf Grund blöder Umstände meinen Weg auf weit über 1.000 km innerhalb eines eher schäbigen Tages zurücklegen musste, kann ich durchaus behaupten, es geht… es geht mehr, als man selbst glaubt. Aber ganz ehrlich, das muss doch nicht sein.
Neben meiner persönlichen Fitness, meiner Lust zu Fahren und meinem Motorrad haben auch die äußeren Umstände, insbesondere Wetter und fahrerische Ausrüstung schon recht wichtig für die mögliche Länge meiner Tagesetappe. Meine tägliche Fahrleistung ist bei 35°C auf einem alten Supersportler halt schlichtweg kleiner, als auf einer bequemen Tourenmaschine an einem trockenen Frühlingstag. Insofern kann ich das alles nur recht schwer pauschalisieren. Aber zumindest kann ich es versuchen.
Auf der Autobahn sind recht ordentliche Tagesetappen drin. So würde ich jetzt einfach mal behaupten, dass ich auf der Bahn auf Tagesetappen von gut 700-800 km komme. Das bedeutet natürlich, dass mir am Ende des Tages der Allerwerteste schier einschläft und ich froh bin anzukommen. Aber immerhin ist die Zahl durchaus realistisch und wird von mir als Maßstab für die Planung der Anfahrt zu einer Tour genutzt.
Auf der Landstraße sieht es schon ein wenig anders aus. Bin ich nur um des Fahrens willen unterwegs, ist für mich nur noch ein Wert von 400 km drin. Wobei ich auch hier zugebe, dass ich immer, wenn ich gerade Lust habe, mal ein Päuschen mache, regelmäßig kurz für ein Foto anhalte oder auch die Aussicht auf einem Pass genieße. Geht es dann noch darum, irgendeine Sehenswürdigkeit für zwei Stündchen zu besichtigen, ist noch weniger Tagesfahrleistung mit dem Motorrad drin. Dann können 300 km schon das Limit werden. Ist wirklich nicht viel, oder?
Und wenn ich dann mal ganz irre werde und mir einen Tag im Schotter gönne? Dann wird es total lächerlich. Dann ist für mich eine Tagesetappe von 150 km schon viel. Wobei ich auch ganz offen zugebe, dass ich nicht gerade der geborene Endurofahrer bin. Mag sein, dass ein etwas begabterer Schotterfan mit seinem (hoffentlich leichteren) Motorrad größere Streckenlängen schafft.
Zusammenfassung: Etappenlänge
Meine ganz persönliche Zusammenstellung sieht so aus:
Auf Autobahnen bekomme ich etwa 800 km pro Tag hin, auf Landstraßen zwischen 300 und 400 km, im Schotter gerade so 150 km. Alles mehr wäre teilweise echt mit erheblichen Schmerzen und Anstrengungen verbunden. Und Motorradfahren soll ja irgendwie noch Spaß machen.
Mag sein, dass du als Leser jetzt der Meinung bist, wesentlich längere Tagesetappen bei einer Motorradtour hinzubekommen. Ich bin auf jeden Fall gespannt auf deine Kommentare.
Ich kann deine Zahlen nur bestätigen. Als ich dieses Jahr in Schweden war, hatte ich eine Etappe mit knapp unter 800 km eingestreut…mit Pausen von früh halb 7 bis Abends um 7 über schwedische Autobahnen und Landstraßen gefahren. Allerdings wusste ich da auch, dass ich danach nen anderthalb Tag (Motorrad freie) Pause bei nem Kumpel haben werde…Dieser Abschnitt kann also unter „Fahren um die Strecke zu absolvieren“ verbucht werden.
Die Rückfahrt (besonders die Strecke Kiel -> Heimat) habe ich mir dann so eingeteilt, dass eine Fahrstrecke von 300 bis 400 km pro Tag (weitestgehend unter Vermeidung der deutschen Autobahnen) dabei raus kam. Hierbei hatte ich dann durchaus noch ausreichend Zeit um „touristisches Beiwerk“ mit zu absolvieren. Außerdem war dadurch die Entspannung durch den Urlaub nicht gleich wieder futsch
Danke für den wirklich lesenswerten Bericht, bin Wiedereinsteiger, nach 20! Jahren. Bei der Planung meiner Routen werde ich das berücksichtigen. Allzeit gute Fahrt!
Hallo,
Das ist neben all den Foren wo sich jeder behaupten will mal ein richtig guter Bericht. Ich plane für die Zukunft eine längere Tour von ca. 8 – 9000km. Da ich bis jetzt noch nie eine so lange Tour gefahren bin fehlen mir einfach die Mittelwerte, um zumindest eine grobe Zeiteischätzung zu haben. Danke und weiterhin gute Fahrt
Der Bericht wird mir auf jeden Fall helfen bei meiner Kroatientour im Somner 2019. Super Einschätzung und sehr schöner Bericht.
Deine durchschnittlichen Kilometerlängen kann so bestätigen. Wobei auch ein Unterschied besteht, ob das normale Landstrassen mit Kurven oder alpine Strecken mit Serpentinen sind. Serpentinen sind einfach auch anstrengender. Man sollte auch berücksichtiegen, gerade wenn man mehrtägige oder mehrwöchige Touren fährt, dass dann der „normale“ Durchschnitt schon anstrengend wird und man die Tagesetappen auch mal verkürzen muss und vielleicht mal einen Poolnachmittag einlegt oder auch mal einen Ruhetag.
Danke für den tollen Erfahrungsbericht. Ja es ist so daß wenn man eine Motorradtour machen möchte auch die Km für ein Etappenziel berechnen muß. Ich fahre dieses Jahr mit meiner Frau eine Alpentour mit insgesamt 1200 Km. Der erste Teil geht von der Pfalz über den Schwarzwald zum Bodensee natürlich OHNE Autobahn und endet in Stockach in Österreich. Das sind rund 345 Km großteils im Flachland. Ich denke das ist ohne Schwierigkeiten machbar. Was dann kommt da mache ich mir etwas Gedanken denn dieser Tag beinhaltet 330 Km. Der Weg führt von Stockach zum Reschensee dann das Stilfser Joch nach St.Moritz über den Malojapass nach Italien. Das Hotel liegt nahe der Grenze Schweitz/Italien. Ich hoffe daß ich uns da nicht zu viel angetan habe……… Für Kommentare habe ich gerne ein Ohr offen…..Meine letzte große Tour liegt schon ein paar Jahre zurück. Am nächsten Tag geht es zurück an den Bodensee mit 230 Km. Das sollte ohne Probleme über die Bühne gehen. Die Heimreise sind auch nochmals 240 Km im Flachland über das Elsass nach Hause.
Ja nun ist alles geplant für Mitte Juli 2019 und nach ca. 15 Jahren wieder eine mehrtägige Motorradtour duch die hohen Berge Österreich,Schweiz und Italien.
Hallo Torsten, auch von mir ein fettes Danke für deine Einschätzungen und Zahlen. Das deckt sich alles gut mit meinem Erfahrungen. Und ich bin jetzt auch sicher, dass unsere für Juni geplanten Tagestouren in den Alpen eine vernünftige Länge haben. Keep on riding!
Ich danke Ihnen für den tollen Artikel. Natürlich sollte man es mit der Entfernung niemals übertreiben. Sonst kann so ein Tag schon ganz schön anstrengend werden.
Mit besten Grüßen,
Dennis
„Aber hallo“ sag ich da nur. Genau auf diese Frage habe ich eine Antwort gesucht. Und die erste Seite, die mir das „www“ angeboten hat, war diese. Und es war ein Volltreffer. Auch ich bin Wiedereinsteiger und möchte in drei Wochen an einem Tag nach Dänemark(876 km). Da hat sich genau diese Frage aufgedrängt. Wie viel, wie lange und vor allem was kann mein Körper aushalten. Geholfen hat mir die Zahl von 700-800 km. Und die Aussage von Dir: „…weit über 1.000 km innerhalb eines eher schäbigen Tages zurücklegen musste, kann ich durchaus behaupten, es geht… es geht mehr, als man selbst glaubt. “ Diese Feststellung beruhigt und motiviert. Selbstverständlich bin ich nicht Du und bei mir kann es auch weniger sein, bis ich an mein Grenze stoße. Aber genau dahin möchte ich zusätzlich. Auch das hast Du in Deinem Bericht als Gedanke beschrieben: „… weil ich dringend irgendwie meine Zähigkeit beweisen will..“ Selbstverständlich möchte ich hauptsächlich von A nach B kommen. Und man kann sich seinen Weg auch einfach machen. Aber, genau diesen einfachen Weg möchte ich jetzt mal nicht gehen. Mal wieder etwas ausprobieren, sich beweisen. Ja, ich weiß, das Motorrad ist der falsche Platz, um die eigene Zähigkeit zu testen. Es ist auch nicht das Gefährt, um eigene Grenzen auszuloten. Aber, kombiniert mit dem eigenen gesunden Verstand und den gemachten Lebens-Erfahrungen, bin ich hoch motiviert und werde es auf Grund dieser Zahlen hier auch ausprobieren. Und, falls erwünscht, ich werde hier mein Erfahrungen anschließend kund tun. Und noch ein Zitat von Dir zum Thema „Streckefressen“:“Aber ganz ehrlich, das muss doch nicht sein“.
DOCH!!!
Sehr interessant! Danke! Allerdings vermisse ich die Bedeutung der Rahmenbedingungen, wie zB böiger Seitenwind auf der Autobahn, Regen, 39 Grad in praller Sonne usw.
Ich habe solche „Distanzüberlegungen“ inzwischen abgelegt und versuche die Rahmenbedingungen abzuschätzen und die voraussichtliche Zeit im Sattel. Habe eine Reiseenduro mit V2 Motor, der mir in vier Stunden Stau – 2,5 Km Distanz – in unerträglicher Hitze alles „verbrannt“ hat!
Meine Empfehlung: mehr bedeutende Faktoren einbeziehen, vom Ergebnis 10% mindestens abziehen (Reserve) und damit bin ich gut unterwegs!
Oben bleiben und immer gute Fahrt
Walter
Stimmt. Je ekliger die Verhältnisse sind, desto weniger sind solche Daten von mir stimmig.
Kann deinen Empfehlungen nur zustimmen.
Natürlich gibt es „Eisenärsche“, bei denen eine Tagestour erst ab 600km beginnt, aber das sind die Ausnahmen.
Auch 1000km gehen, muss aber nicht sein, auch dem kann ich zustimmen 😀
300km über Land sind eine realistische Einschätzung, wenn man was sehen will und sich ab und an einen Kaffee und einen Blick über die Landschaft gönnen will. Deswegen ist man ja auf 2 (oder in meinem Fall auf 3) Rädern unterwegs 🙂
Vielen Dank für den Artikel und die Kommentare mit Erfahrungen. Ich stehe gerade vor genau dieser Frage: Ich plane (sehr spontan) einen Trip gen Süden. Deine reine Fahrstrecke sind „nur“ 400 km. Aber es gibt immer ein Aber:
Ich möchte natürlich die Autobahn vermeiden, sonst könnte ich mich auch ins Auto setzen.
Ich bin „Tourenneuling“, ich bin alleine und auf 99% der Strecke Orts- und Bedingungs-unkundig unterwegs. Bis ins Bergische war ich schon, aber dahinter kommen Sauerland und Taunus.
Ich bin schlecht ausgestattet (Keine Koffer, also muss mein Wochenendbedarf auf den Rücken) und ohne Navi werde ich garantiert ein ums andere mal falsch abbiegen (Ich habe eine „Navi-stimmen“ Allergie, damit kann ich einfach nicht fahren, aber die angedachte Handyhalterung ist noch nicht da.) Und wenn es losgeht werde ich 4 sehr stressige und Überstunden-reiche Arbeitswochen in den Knochen haben. Ein Faktor der mir erst gestern am Feiertag bewusst wurde, als ich kaum vom Sofa hoch kam.
Und nicht zuletzt: Ich kenne das Motorrad kaum, wir haben zusammen erst knapp 250 km auf kurzen Strecken verbracht. Das heißt die ersten wirklich kurvigen Kilometer werde ich mich noch etwas langsamer herantasten.
Sofern ich die Tour tatsächlich bewerkstelligt kriege, werde ich gerne für alle anderen Anfänger berichten. Die Profis rümpfen vermutlich eh schon die Nase 😉
Und, wie waren die Erfahrungen?
Hallo,
Vielen Dank für deine Infos. Ich kann dem absolut zu stimmen.
Ich bin letzte Woche jedoch mit Sozius gefahren und habe daher die Fahrstrecke halbiert. Und ich glaube das war eine gute Idee. Also so 150-200km am Tag über Landstraße.
Toller Beitrag über Motorradtouren! Gut zu wissen, dass man auf der Autobahn Tagesetappen von ca. 800 km schaffen kann, wobei es auf der Landstraße vergleichsweise 400 km wären. Mein Onkel möchte demnächst wieder Motorrad-Touren machen und überlegt gerade auch noch, wie viel er sich zumuten kann.