Strand

Tag 3 (Sonntag), 786 km

Nach einer wirklich entspannten Nacht wache ich bei einem lauen Wind früh Morgens auf. Ich gönne mir nochmals ein leckeres Frühstück und werde dabei von den anderen Campern immer wieder angeschaut. Auf dem Campingplatz bin ich wohl der einzige Motorradfahrer, und wohl auch der einzige überhaupt, der am frühen Morgen seinen Kaffee auf dem Kocher zubereitet. Macht nix, meine gute Laune kann heute nichts beeinträchtigen.

Eigentlich hat mir Schatzi ja nur ein Wochenende zugestanden, aber ich bin zuversichtlich, noch einen weiteren Tag herausbetteln zu können. Daher plane ich jetzt mal recht entspannt. Anstatt direkt nach Hause zu fahren, möchte ich mich zunächst in Richtung Hochprovence halten. Ein paar Berge sollen es ja schon noch sein. Und wenn die Alpen halt noch teilweise gesperrt sind und es dort sowieso ein wenig zu kalt wäre, ist die Hochprovence die nächstbeste Option, oder?

Also kurz die Landkarte ausgepackt, einen Weg an Marseille vorbei gesucht, eine passende Route abgesteckt und dann meinen Krempel gepackt. Guter Dinge kann ich schon kurz vor neun am Morgen aufbrechen.

Tal der Hochprovence

Die Hochprovence: Klasse Motorradrevier

Es ist recht wenig, falsch… es ist gar nichts los auf den Straßen, ich nutze die Gelegenheit, um gleich mal ein wenig den Hahn aufzudrehen. Ordentliches Wetter, kaum Verkehr, nur die Tatsache, dass ich am Großraum Marseille vorbei muss, ist ein wenig ärgerlich. Immerhin handelt es sich um die zweitgrößte Stadt des Landes. Und das bedeutet, dass, egl wohin du eigentlich möchtest, alle Straßen dorthin führen. Nachdem ich mich ordentlich verfranzt habe, wird erst mal das Navi wieder ausgepackt und programmiert. Ab da geht es besser.

Allgemein in Richtung Norden schlängle ich mich durch die nach und nach schroffer werdende Landschaft, irgendwann muss ich mir tatsächlich überlegen, ob die Alpen und die Hochprovence tatsächlich zwei verschiedene Regionen darstellen. Auf jeden Fall ist es schon um einiges kühler geworden. Aber das ist ja eigentlich wurscht, immerhin habe ich ja jetzt endlich mal wieder eine ordentliche Motorradgegend unter den Rädern.

Ich habe auch herausbekommen, warum auch heute so wenige Motorradfahrer unterwegs sind. Immerhin ist heute Wahlsonntag in Frankreich. Alle gehen wohl gerade ihr Kreuzchen machen, schätze ich.

Etwa zur Mittagszeit, mir fällt der Magen schon so langsam in sich zusammen, mache ich mal eine Pause im amerikanischen Spezialitätenrestaurant mit den zwei goldenen Bögen. Hier lerne ich auch mal wieder einen der Eckpfeiler französischer Gastronomiekultur kennen. Hüstel. Das Bestellen war auch nicht so das wahre. Die junge Dame an der Theke hat fest daran geglaubt, dass es hilft, möglichst schnell, kompakt und, als sie bemerkt, dass ich nur wenig französisch kann, auch noch laut zu sprechen. Einfach mal langsam und deutlich, so dass ich Wort für Wort verstehe, das geht wohl nicht. Laut ist wohl genauso gut. Die Bitte (auf Französisch), ein wenig langsamer zu wiederholen, wird glatt wegignoriert, der Schwenk auf das Englische von ihr wiederum nicht verstanden. Es dauert tatsächlich ein wenig, bis ein Kollege von ihr eingreift, mit dem ich mich dann langsam en francais unterhalte. Klappt doch.

Da ich mich inzwischen kurz vor Grenoble befinde und mir so langsam Gedanken über den restlichen Tag machen muss, melde ich mich gleich noch zu Hause. Nur einen weiteren Tag on the road kann ich leider nicht herausschwitzen. Schatzi ist krank. Ich möge doch heute noch zurückkehren. Baldigst.

Das stellt mich nun doch ein wenig vor Probleme. Ich habe noch 500 km vor mir, der Sonne (inzwischen im etwas grauen Himmel verschwunden) hat ihren Zenit schon überschritten. Aber egal. Wenn Schatzi ruft, folge ich. Kurz einen Weg in Richtung Norden abgesteckt und die Pläne eines weiteren Tags Motorradtour begraben. Ist halt so.

Grauer Himmel

Der Himmel zieht so langsam zu. Kein gutes Zeichen.

Der Plan ist ganz einfach. Auf Landstraßen nach Norden, bis ich beim Genfer See auf die Schweiz stoße, dann dort auf die Autobahn und nach Hause. Guter Plan. Also auf die BMW gesetzt und los. Keine Fotostopps in der Landschaft mehr, sondern eher Kilometer machen. Immerhin muss ich heute noch nach Hause.

Und irgendwo bei Annecy beginnt es zu regnen.

Nun bin ich ja schon vom Vortag vorgewarnt. Ich fahre gleich rechts ran, sobald bei grauem Himmel die Straßen nass sind und ziehe gleich die Gummihose über. Und habe deshalb zunächst ml wenig Probleme damit, dass die Tropfen fallen. Es ist ja auch kein Starkregen, der nach kurzer Zeit auf mich herab prasselt, sondern eher eine bedächtige Art des Regenschauers, durch den ich mich durchbeiße. Denn beißen muss ich. Der Regen fällt jetzt dauerhaft und stetig. Von Annecy über Genf, auf der Autobahn, durch die komplette Schweiz hindurch. Auch als sich der Tag seinem Ende zuneigt, es dunkel wird, dauernd gießt es. Ohne Pause. Die Temperaturen sind (eigentlich) auch nicht so schlecht, lockere 10° C. Und so bin ich schließlich durch die Schweiz unterwegs.

Und das zieht sich.

Kennst du das, wenn du so nach und nach durchnässt? Da sind dann auch mit der Zeit eigentlich erträgliche Temperaturen ein Problem. Die Nässe in Verbindung mit den Temperaturen saugen dir glatt die Energie aus. Und dann noch das Wissen, noch einige Stunden von zu Hause entfernt zu sein?

Als ich dann irgendwann mal nahe Bern auf einer Autobahnraststätte stehe und nur noch leise vor mich hin zittere, beschließe ich, dass endlich eine neue, wasserdichte Motorradjacke her muss. Ich bin zwar heute etwas schlauer und verpacke alle meine Sachen im wasserdichten Seitenkoffer (nasse Zigaretten schmecken halt nicht), ich selbst kann dort aber nicht rein kriechen.

Und der Regen fällt weiter.

Und voran komme ich auch nicht so gut, wie ich es mir wünsche. Den Nachmittag und Abend hindurch rolle ich einmal quer durch die Schweiz, gegen halb elf stehe ich dann auf dem Rasthof Weil am Rhein.

Hier muss ich trotz komplett nasser Kleidung erst mal ein heißes Schoki einwerfen, für bescheidene 4,50 € aus dem Automaten. Und das nur, damit das Zittern ein wenig aufhört…

Gegen 23.30 Uhr habe ich es endlich geschafft. In klatschnassen Klamotten stehe ich in meiner Garage und rüste ab. Motorradtour vorbei. An zwei von drei Tagen Regen. Alles Mist. Für nächstes Jahr muss ich mir noch was überlegen.

Was habe ich gelernt? (1684 km)

Letztes Jahr war ich im Mai spontan mit dem Motorrad aufgebrochen und ordentlich eingeregnet worden. Dieses Jahr ist mir das gleiche passiert. Und beide Male war es dann so, dass ich mir schlichtweg den Allerwertesten abgefroren habe, weil meine Sommerjacke halt eben nicht wasserdicht ist, meine Sommerhandschuhe ebenfalls nicht und ich auch keine geeigneten warmen Kleidungsstücke dabei hatte.

Für nächstes Jahr habe ich mir deshalb ein paar Vorsätze gemacht:

Entweder eine neue Motorradjacke für den Sommerbetrieb anzuschaffen, oder zumindest zusätzliche warme Kleidungsstücke einzupacken. Wenn ich alleine unterwegs bin, habe ich ja genügend Platz in den Seitenkoffern.

Und noch eine Lektion für die Zukunft:

Wenn ich eine Tour plane, dann ist es nicht nur wichtig, das Wetter am Zielort zu checken, sondern eben auch das Wetter auf dem Weg dorthin.

Und die beiden letzten Erkenntnisse: Mein Navi, mit dem ich schon Probleme hatte, verträgt nun längeren Dauerregen. Gut das zu wissen. Und ich selbst kann auch noch längere Strecken herunter reißen. Auch wenn es absolut keinen Spaß macht. Es geht.