Motorradreifen: Was bedeuten die ganzen Reifenkennzeichnungen?

Vor nicht allzulanger Zeit habe ich meinen zweijährlichen TÜV-Besuch mit meinem Motorrad erfolgreich hinter mich gebracht. Dabei fiel dem Prüfer auf, dass ich

  • Am Motorrad Winterreifen montiert habe
  • dort ein Geschwindigkeitsindex herrscht, der meiner Motorrad-Maximalgeschwindigkeit zuwiderläuft
  • ich deshalb einen Aufkleber auf mein Motorrad kleben muss.

Eigentlich hätte ich das ja selbst bemerken müssen, steht ja alles auf dem Reifen drauf, wenn auch ein wenig verschlüsselt.

Damit das nur mir und keinem anderen mehr passieren muss, entschlüssle ich hier und jetzt mal diese kryptischen Reichenkennzeichnungen, die man so auf einem Motorrad finden kann.

Das Verstehen dieser Kennungen am Motorradreifen hilft auch ein wenig abseits vom TÜV. Immerhin möchte man ja auch irgendwann einmal neue Reifen bestellen. Wer sich dann nicht blind auf seinen Motorradhändler verlassen möchte, sollte zumindest ein paar grundlegende Angaben auf seinem bisherigen Reifen ablesen können, um dann mit einer gewissen Sicherheit einen neuen Satz Motorradreifen zu bestellen.

Grundlegendes: die Reifengröße

Die wichtigste aller Reifenkennzeichnungen: Reifengröße meines Vorderreifens: 90/90-21

Die Reifengröße meines Vorderreifens: 90/90-21

Eigentlich ganz logisch. Auf die Felge am Motorrad kann man nur eine bestimmte Reifengröße montieren. Welche Größe mein Reifen hat, ist eigentlich ziemlich die wichtigste Angabe, die man an der Reifenflanke ablesen kann.

Hier haben wir 90/90-21.

Übersetzt:

Der Reifen hat (unbelastet) eine Breite von 90 mm an der breitesten Stelle. Diese Breite ist nicht unbedingt die Lauffläche, insbesondere bei Motorradreifen, die ein wenig „bauchig“ sein dürfen, kann das ein wenig „oberhalb“ vom Profil sein. Somit ist die erste „90“ leicht zu erklären. Einfach die Breite.

Die zweite Zahl sagt etwas über die „Reifenhöhe“ aus, genauer gesagt das Verhältnis der Reifenbreite zur Reifenhöhe in Prozent. Hier haben wir als „Reifenhöhe“ bzw. Flankenhöhe (die Seite der Reifen nennt man Reifenflanke) 90% der Reifenbreite. Im Vorliegenden Fall ist die Reifenbreite 90mm, davon 90% sollten dann 81mm Flankenhöhe sein. Ich habe mal aus Spass nachgemessen, es passt einigermaßen. Damit wäre auch die zweite „90“ erklärt.

Die letzte Zahl bezeichnet den Felgendurchmesser in Zoll. In meinem ganz speziellen Fall wären das 21 Zoll Felgendurchmesser. Ist übrigens recht viel, sieht man hin und wieder bei Enduros. Eine Straßenmaschine hat dann eher so 17 Zoll Felgendurchmesser.

Und dieses „M/C“?

Ist eigentlich recht einfach. „M/C“ bedeutet übersetzt: Reifen für Motorräder.

Geschwindigkeit und Tragfähigkeit

Der "Loadindex" = 54, der Geschwindigkeitsindex: "T"

Der „Loadindex“ = 54, der Geschwindigkeitsindex: „T“

Auf dem Motorradreifen wird man dann irgendwo noch zwei Ziffern gefolgt von einem Buchstaben finden.

In meinem Fall haben wir ein 54T.

Die Zahl nennt man den „Tragfähigkeitsindex“ (englisch „Loadindex“). Hier ist festgelegt, welche Last der Reifen auf Dauer aushält. Ganz pauschal: je höher die Zahl, desto mehr Gewicht packt er. In meinem Fall (54) bedeutet das, dass der Vorderreifen ein Gewicht von 212 kg aushält.

Der Buchstabe ist der sogenannte Geschwindigkeitsindex. Grundregel: je höher der Buchstabe, desto mehr Geschwindigkeit packt der Reifen. Hier stehen bei Motorrädern Buchstaben zwischen M (steht für 130 km/h, z.B. bei 125er Leichtkrafträdern) und ZR (Geschwindigkeiten jenseits von 204 km/h, z.B. bei Supersportlern). Bei mir haben wir hier ein „T“. Dies steht für eine Maximalgeschwindigkeit von 190 km/h.

Nun ist es nicht so, dass ich damit rechnen muss, dass mein Reifen sofort explodiert, wenn ich mal 193 km/h fahre, andererseits sollte man sich schon darüber im Klaren sein, was für Kräfte bei einer Hochgeschwindigkeitsfahrt auf einen Reifen wirken. Also immer das im Hinterkopf behalten.

Der Pfeil?

Elementar: Drehrichtung muss nach dem Einbau stimmen.

Elementar: Drehrichtung muss nach dem Einbau stimmen.

Recht einfach zu erklären. Die meisten Reifen haben eine vorgegebene Drehrichtung. Wenn der Pfeil auf der Oberseite des Rades ist, muss er nach vorne zeigen, ansonsten ist der Reifen falschrum eingebaut. Ist nicht gut für die Fahreigenschaften. Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen.

DOT-Nr.?

DOT-Nr,, die vier Ziffern am Ende geben die Produktionszeit an

DOT-Nr,, die vier Ziffern am Ende geben die Produktionszeit an

Auf praktisch allen Reifen findet man irgendwo die Bezeichnung „DOT“, gefolgt von einer ellenlangen Zahlenkombination. Das „DOT“ steht für „Department of Transportation“, also so eine Art Kraftfahrtbundesamt in den USA. Die Nummer ist die sogenannte Reifenidentifikationsnummer und zeigt in verschlüsselter Form einige Daten zum Reifen und Hersteller an.

Für uns sind die letzten vier Ziffern wichtig (die im ovalen Kästchen). Hier haben wir die Kennzeichnung „2914“.

Dies ist schon etwas praktischer für uns. Der Reifen wurde in der 29. Woche im Jahr 2014 hergestellt.

Und was nützt das dem Laien? Kauft man nun beim Händler seines Vertrauens 2016 einen Reifen, der dann die Kennzeichnung „1907“ trägt, kann man sicher sein, dass man neun Jahre alten Mist angedreht bekommen hat. Reifen werden durch jahrzehntelange Lagerung nicht besser. Auch wer sich mal eine Gebrauchtmaschine anschauen möchte, kann diese Kennzeichnung mal überprüfen. Reifen sollten nicht ZU alt sein.

TWI? Die Reifenverschleißanzeige

Hier sieht man den Tread-Wear_indicator

Hier sieht man den Tread-Wear_indicator

Und hier ist der TWI

Und hier ist der TWI

Eine Reifenverschleißanzeige? In den Hauptprofilrillen sind manchmal kleine Erhebungen sichtbar. Dies sind die sogenannten Tread-Wear-Indikatoren. Diese können(!) dazu dienen, Festzustellen, wann die Reifen verschlissen sind. Hat man diese kleinen „Stege“ im Profil gefunden, stellt man mit ihrer Hilfe fest, ab die Reifen noch genug Profil besitzen. Sobald diese Gummistege auf gleicher Ebene wie das Restprofil liegt, ist der Reifen abgefahren.

Das Problem ist nun, dass diese Markierungen nur selten bei den für uns vorgeschriebenen 1,6mm Mindestprofiltiefe „anschlagen“. Manche Hersteller machen sie 2mm hoch (früheres Austauschen), andere Hersteller 1mm hoch (in den USA sind Motorradreifen erst mit 0,8mm Restprofil „fertig“).

Somit kann man sich auf diese Verschleißanzeige nur sehr begrenzt verlassen. Das Nachmessen mittels Schiebelehre kann einem im Ernstfall durchaus mal ein Bußgeld ersparen.

Winterreifen

Das "M+S" kennzeichnet den Reifen als Winterreifen

Das „M+S“ kennzeichnet den Reifen als Winterreifen

Auch für Motorräder gilt die Winterreifenpflicht. Zugelassene Winterreifen tragen die Kennzeichnung „M+S“, was für Mud and Snow steht.

Dies bedeutet, dass die montierten Reifen für die besonderen Bedingungen winterlicher Straßenverhältnisse geeignet sind.

Ob das für Motorräder Sinn macht, steht auf einem anderen Blatt.

Und das Tollste: Der Aufkleber

So einen Aufkleber habe ich noch nie bei Motorrädern gesehen

So einen Aufkleber habe ich noch nie bei Motorrädern gesehen

Und nun zu meinem persönlichen Lieblingsdetail. Den Aufkleber mit der Maximalgeschwindigkeit (nochmals Danke an den TÜV-Südwest). Was hat es damit auf sich?

Mein Motorrad hat eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von über 200 km/h. Wer die Abschnitte oben gelesen hat, wird feststellen, dass eine „T“-Kennzeichnung an den Reifen bedeutet, dass die Reifen nur 190 km/h mitmachen. Damit ich also diese Reifen aufziehen darf, muss ich mit einem Aufkleber in meinem Sichtfeld als Fahrer daran erinnert werden, nicht schneller als die Reifen erlauben zu fahren. Nur im vorliegenden Fall waren die 190er-Aufkleber ausgegangen.