Neulich auf der Hausstrecke

Diesen Sonntag musste ich kurz noch ins Geschäft. Und weil das Wetter mitgespielt hat und noch genügend Zeit war, kam ich zu der glorreichen Idee, meinen Weg zur Arbeit in großem Bogen mit dem Motorrad über meine Hausstrecke zu wählen. Eigentlich eine großartige Idee.

Und das hat auch ganz gut geklappt. Bis ich dann nach etwa fünf Minuten außerorts auf eine ewig lange Autoschlange aufgefahren bin.

Du kennst das bestimmt. Kleine, kurvige Straße, Autoschlange vor dir, Überholen ist nicht, immer wenn mal ein gerades Stückchen Straße vor dir liegt, kommt gerade Gegenverkehr. Und genau so was habe dann auch ich erlebt.

Die Autoschlange nimmt kein Ende, ich reihe mich hinten ein und gurke hinterher. Knapp 50 km/h. Echt mies, dafür, dass ich am Sonntag noch extra früher losgefahren bin, um ein paar Kurven mitzunehmen. Na ja. Wahrscheinlich irgendwo ein Traktor vor uns, immerhin kommt der Herbst näher, alle möglichen Bauern müssen auf die Felder.

Ich beginne also damit, die Autoschlange Stück für Stück zu überholen, immer wenn mal wieder kein Gegenverkehr kommt, hüpfe ich die Kolonne voran. Eigentlich bin ich kein besonderer Freund des Kolonnenspringens mit dem Motorrad, aber besondere Situationen erfordern eben eine besondere Entschlossenheit.

Und irgendwann bin ich dann mal ziemlich vorne in der Fahrzeugschlange. Und muss meinen Irrtum einsehen. Am Anfang der Autoschlange gibt es gar keinen Traktor, auch kein Lkw. Nein, es handelt sich um einen Daimler mit hiesigem Kennzeichen. Eine ältere C-Klasse, Stufenheck, arbeitet sich mühsam die Straße entlang, immer schön an der Mittellinie, lockere 50 Sachen.

Beim Überholvorgang schließlich gönne ich mir noch einen kurzen Blick auf die Insassen des Pkw. Nein, keine Hausfrau, eher ein altes Männlein bemüht sich, der Straße zu folgen. Dass hinter ihm eine gewaltige Fahrzeugschlange ist, scheint ihn nicht zu stören.

Die älteren Verkehrsteilnehmer

Natürlich bin ich nun ein wenig verärgert. Wegen eines Sonntagsfahrers jetzt die halbe Hausstrecke „gebummelt“, er hätte ja auch einfach mal zur Seite fahren können, damit alle anderen vorbei kommen. Hat er aber nicht. Aber ich soll mich ja nicht aufregen. Tue ich aber trotzdem.

Jetzt, einige Stündchen nachdem ich wieder zu Hause bin, rege ich mich aber immer noch ein wenig auf.

Natürlich könnte es sein, dass ich einen klassischen Sonntagsfahrer vor mir hatte, einen Luftschnapper, der sich nicht auskannte und keine Fahrerfahrung hatte und deshalb nur äußerst langsam und vorsichtig unterwegs war. Viel eher, so schätze ich zumindest, hatte ich einen Fahrzeugführer vor mir, der schlichtweg zu alt war, um noch sicher am Straßenverkehr teilzunehmen, dies wusste und sein Unvermögen durch höhere Vorsicht und niedrigere Geschwindigkeiten ausgleichen musste.

Und das ist mir jetzt ein wenig im Kopf hin und her gespukt.

Klar, alle werden älter. Und, allen guten Wünschen zum Trotz, sind (zumindest bei mir in der Gegend) alle Mann auf ein Auto angewiesen. Öffentlicher Nahverkehr ist in vielen Ecken bei mir in der Gegend noch eine nette Wunschvorstellung. Also habe ich vollstes Verständnis dafür, dass jemand auch in hohem Alter noch mobil sein möchte.

Aber die Tatsache, dass jemand eine riesige Autoschlange (und ein Motorrad) hinter sich herzieht, weil er es eben nicht mehr schneller schafft, spricht nun mal auch für sich. Handelt es sich dabei nicht um eine potentiell unfallträchtige Situation? Ist es denn nicht so, dass hier das Alter eines Fahrzeugführers unmittelbar mit erhöhten Gefahren im Straßenverkehr zusammenhängt.

Ich habe mir ein wenig Zeit genommen, um im Netz mal nach den Problemfeldern bei älteren Verkehrsteilnehmern zu recherchieren. Und da gibt es doch einige Studien. Und irgendwie kommen die meisten zu dem gleichen Ergebnis: Pauschal sind Verkehrsteilnehmer über 60 Jahre nicht unfallgefährlicher als jüngere Verkehrsteilnehmer. Im Gegenteil, die „jungen Wilden“ bis 21 Jahre sind in der Hinsicht viel häufiger in Unfälle (auch schwere Unfälle) verwickelt.

Die älteren Verkehrsteilnehmer, die -insbesondere über das Alter von 70 (je nach Studie auch 75 Jahre) hinaus- Pkw führen, sind zwar weniger reaktionsschnell und mit komplexeren Situationen schneller überfordert, gleichen dies aber durch besonders langsame und defensive Fahrweise aus. Zu diesem Schluss kommen mehrere der Artikel, die ich mir zu diesem Thema zu Gemüte geführt habe.

Und genau das führt dann dazu, dass ich am Sonntag Nachmittag auf meiner Hausstrecke hinter einem Daimler herschleichen muss, der sich da mit 50 km/h an der Mittellinie entlang tastet. Und da wird dann auch nicht mal rechts ran gefahren, denn „wenn ich hier 50 fahre, können die anderen das ja auch, die Raser“.

Sind denn ältere Verkehrsteilnehmer wirklich sicherer unterwegs?

Es mag ja sein, dass der Durchschnittsdeutsche immer älter wird und dabei trotzdem körperlich und geistig immer besser „beieinander“ ist. Gar keine Frage, bestreite ich nicht.

Aber der öffentliche Straßenverkehr, auch bei uns auf dem Lande, ist meiner Meinung nach eine komplexe Sache. Und wenn ich nicht mehr fit genug zum Fahren bin, entsprechend defensiver zu fahren, langsamer, besonnener, dann ist das auch lobenswert. Aber es sollte auch klar sein, dass es nicht damit getan ist, die defensive Fahrweise alter Fahrzeugführer zu loben mit dem Hinweis, sie gleichen damit ihre Defizite aus. Das ist nämlich kurzsichtig.

Ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass mit dieser Ausrede ja auch jeder angetrunkene Verkehrsteilnehmer ja eigentlich auch nichts falsch macht. Angetrunken? Dadurch verlangsamte Reflexe, verschlechtertes Denkvermögen, eingeschränktes Sichtfeld und Probleme im Dunkeln? Ja. Ist aber kein Problem, wenn du dir deiner Defizite bewusst bist und entsprechend defensiv fährst und komplexe Verkehrssituationen weitestgehend vermeidest, oder?

Blödsinn.

Aber so wie nach Alkohol- und Medikamentenkonsum ein Fahrer ja nur eingeschränkt zur Verkehrsteilnahme fähig ist, so verhält es sich ja auch bei älteren Verkehrsteilnehmern. Nur wird dort rundweg bestritten, dass ein gewisser Handlungsbedarf besteht.

Im Gegenteil. In veröffentlichten Studien wird immer wieder darauf abgehoben, dass weniger Leistungsfähige ältere Menschen ihre persönlichen Probleme mit der Fahreignung durch besonders defensive Fahrweise kompensieren. Und das wird auch so als gut befunden. Nur eben nicht von mir. Ich bin dann nämlich derjenige, der um des zügigen Fortkommens willen auch mal eine ganze Kolonne überholt.

Die Unfälle

Ich teile durchaus die Meinung, dass ältere Verkehrsteilnehmer seltener direkt schuldhaft in Unfälle verwickelt sind. Ja, das glaube ich tatsächlich. Andererseits sehe ich doch immer wieder Situationen, die derjenigen gleichen, wie ich sie am Sonntag erlebt habe.

Und mir kann nun wirklich kein Mensch erzählen, dass es sich positiv auf die Verkehrssicherheit auswirkt, wenn eine ewig lange Fahrzeugschlange hinter einem einzelnen Pkw her rollt. Es ist doch nur eine Frage der Zeit, bis dann jemand, der weniger besonnen ist, als ich, ein Überholmanöver beginnt, welches dann eben scheitert. Oder von hinten auf die Fahrzeugschlange auffährt. Oder eben als Gegenverkehr auch direkt entlang der Mittellinie entlangschleicht und dann im Rahmen eines Streifvorgangs einen Seitenspiegel verliert.

Meine ganz persönliche Meinung

Vergleichende Studien kommen zu dem Ergebnis, dass eine regelmäßige ärztliche Kontrolle der Fahreignung ab einem beser keinen Einfluss auf die Verkehrssicherheit hat.

Ich mache es mir dagegen recht einfach: Ich für meinen Teil glaube nicht daran.

Was für Lkw-Fahrer schon lange Pflicht ist, sollte auch für alle anderen Führerscheininhaber durchaus möglich sein. Regelmäßige Gesundheitschecks, um herauszufinden, ob denn besondere Defizite vorliegen, die es auszugleichen gilt.

Damit ich am Sonntagnachmittag wieder befreit mit meinem Motorrad auf meiner Hausstrecke kurven kann.