Die Sache mit der Geschwindigkeit
Es ist wohl nicht besonders verblüffend, dass ich kein ungetrübtes Verhältnis zu Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr habe. Dies mag vielleicht daran liegen, dass ich hin und wieder geblitzt werde. Und geblitzt werde ich, da bin ich überzeugt von, vor allem an Stellen, wo es „sich lohnt“, weniger an Unfallschwerpunkten.
Dies mag hier in der BRD eher nicht so sein, ich habe ja Verständnis für Geschwindigkeitskontrollen bei Schulen und an Unfallschwerpunkten, in vielen Ecken im Ausland sehe ich solche Geschwindigkeitsmessanlagen jedoch vor allem auf schnurgeraden Strecken, auf denen es wahrscheinlich nur alle zehn Jahre mal zu einem Unfall kommt. Und das finde ich ungerecht.
Und nun kommt, quasi als Ergänzung, die „Abschnittskontrolle“, in Denglisch „Section Control“.
Was ist „Section Control“?
Wenn du eine Geschwindikeitsmessung durchführst, stellst du dich an einen bestimmten Punkt und misst alle Fahrzeuge, die dort vorbei kommen. Du misst die genau an dieser einen Stelle gefahrene Geschwindigkeit jedes einzelnen Fahrzeugs. Und das funktioniert auch recht gut. Wie schnell aber davor oder danach gefahren wird, das kannst du nicht sagen.
Bei dem Prinzip der Abschnittskontrolle läuft das ein wenig anders. Hier machst du nämlich zwei Messungen. Du stellst fest, wann ein Fahrzeug einen Punkt X überfährt, und speicherst dieses Fahrzeug in einer Art Datenbank. Ein Stückchen die Straße runter überfährt das zuvor gemessene Fahrzeug den Punkt Y. Und du misst auch die genaue Zeit. Nun hast du eine bestimmte Strecke (von X nach Y) und eine genaue Fahrtzeit. Und aus diesen beiden Werten rechnest du via einfacher Weg-/Zeitberechnung die mittlere gefahrene Geschwindigkeit für diesen Streckenabschnitt aus. Ist diese zu groß, macht es „Zack“, du wirst geblitzt und kannst ein Ticket nach Hause erwarten.
Eigentlich eine feine Sache. Und mit der heute verfügbaren Technik ist das alles auch kein Problem. Die beiden Messpunkte können kilometerweit auseinander liegen und die Messung muss nicht mal von irgendwelchen Mitarbeitern überwacht werden.
Und dieses System soll auch bei uns eingeführt werden. Entsprechende Artikel dazu habe ich bereits letztes Jahr gelesen, aber wie bei allen behördlichen Projekten, hat es noch ein wenig gedauert. Und dieses Spätjahr soll nun ein Probelauf stattfinden. Und alle möglichen kritischen Stimmen warnen schon davor. Und deshalb habe ich mir auch mal meine Gedanken zum Theam „Section Control“ gemacht.
Vorteile der Section Control?
Ich habe es weiter oben schon beschrieben. Mittels „normaler“ Geschwindigkeitsmessungen (Videomessungen mal ausgenommen) wird nur eine punktuelle Geschwindigkeitsmessung durchgeführt. Natürlich steht dann der „Blitzer“ an dem einzig geraden Stelle (muss ja so sein, in Kurven darf net geblitzt werden). Und die einzig gerade Stelle zwischen einigen Kurven ist dann natürlich der einzige Abschnitt, wo beim Motorrad auch mal kurz am Gasgriff gezupft wird. Ist natürlich dann eher blöd…
Und mit der Abschnittskontrolle könnte das ein wenig anders aussehen. Diese Anlage baust du an einer typischen „Rennstrecke“ auf, von mir aus „unten“ an einer Bergstrecke und kurz vor dem Pass dann nochmals. Als Ergebnis hast du dann bei den Messungen eine Durchschnittsgeschwindigkeit der einzelnen Fahrer. Wer nur mal kurz auf diesem Streckenabschnitt Gas gegeben hat, der muss sich keinerlei Sorgen machen, auf Grund von größerer Streckenlänge geht dann solch eine kleinere Übertretung locker in den Toleranzen unter. Wer allerdings dauerhaft die Geschwindigkeit überschritten hat, der mag dann oben durchaus beanstandet werden, wenn nötig auch mit einem entsprechenden Aufschlag auf das Bußgeld. Dann mit der Begründung, dass das Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit auf X Kilometern Strecke durchaus teurer werden kann als ein kurzes Augenblicksversagen.
Übereinstimmend betrachten alle bisherigen Stellen das System auch als recht unempfindlich gegen Fehler. Hältst du zwischendrin auf der Messstrecke an, passiert dir nichts (weil deine Durchschnittsgeschwindigkeit durch den Halt ja sinkt), machst du einen Fahrerwechsel ist das auch wurscht (anhalten, aussteigen, umsetzen kostet ja auch Zeit). Meßfehler wurden wohl ebenfalls noch nicht festgestellt.
Für mich also eher die bessere Lösung.
Und die Nachteile von Section Control?
Schattenseiten gibt es bei dem System halt auch. Damit das alles funktioniert, müssen zunächst mal ausnahmslos alle „einfahrenden“ Fahrzeuge im Gerät gespeichert werden. Dann werden am Ende die „ausfahrenden“ verglichen, jeweils diese Weg-/Zeitberechnung durchgeführt und bei denen, die den Wert X überschritten haben, noch kurz ein Foto gemacht.
Nur, und diese Befürchtung teile ich auch irgendwie, ist das massenweise speichern von Daten immer wieder mit Vorsicht zu genießen. Wir reden hier ja nicht von einem fest eingebauten Gerätespeicher. So was gibts ja heutzutage gar nicht mehr. Inzwischen speichern solche Geräte die Daten in der Cloud, führen dort auch die notwendigen Verschiebungen durch und übermitteln Daten online an Bußgeldstellen.
Dabei ist den meisten Kritikern ein Dorn im Auge, dass grundsätzlich alle durchfahrenden Fahrzeuge zunächst mal automatisiert gespeichert werden, quasi „auf Vorrat“ unter einer Art Generalverdacht. Und die Datensätze (Fotos, Zeitmarker, etc.), die dann tatsächlich später benötigt werden, sind dann an die zuständige Bußgeldstelle zu übermitteln, der Rest wird in gewissen Fristen gelöscht. Das ganze soll systemseitig vollautomatisch vor sich gehen.
Und dieses System ist natürlich genauso viel oder wenig anfällig für Eingriffe von Dritten wie jedes andere System. Ich habe ja grundsätzlich nichts gegen die Erfassung meiner Daten durch Section Control. Es ist jedoch nahezu ausgeschlossen, dass die Daten so sicher gespeichert und wenn nötig übermittelt werden können, dass ein Eingriff von außerhalb wirklich ausgeschlossen ist. Denn, sind wir ehrlich, personenbezogene Daten, welche „irgendwo“ gespeichert sind, werden über kurz oder lang bestimmt mal Ziel des nächsten Hackerangriffs. Und wenn mir jetzt irgendwer sagen will „was will den jemand mit meinen Daten?“, es ist halt doch so. Schabernack wird halt von jemandem auch einfach nur deshalb betrieben, weil er es kann. Ergebnis wären dann entweder gelöschte Beweisdaten im Bußgeldverfahren, oder, was eigentlich noch problematischer wäre, verfälschte Datensätze, die dann für Probleme sorgen.
Meine persönliche Meinung zu „Section Control“
Als Motorradfahrer betrifft mich das alles nur teilweise, gebe ich gerne zu. Ich bin aber natürlich nicht nur mit dem Motorrad unterwegs. Und mit dem Auto wird das dann natürlich zu meinem Thema.
Ich für meinen Teil finde so eine Geschwindigkeitsüberwachung wesentlich besser, als ein Radargerät oder eine Lichtschrankenmessung an einer klassischen „Vollgasstrecke“. Hier bekomme ich die Chance, einen einmaligen unbedachten Zug am Gasgriff durch ansonsten ordentliches Fahrverhalten auszubügeln. Das macht die Sache für mich ein wenig fairer und nachvollziehbarer.
Sobald dann die meiner Meinung nach noch problematischen Felder der Datensicherheit geklärt sind, wäre ich dafür, so ein System hier bei uns einzuführen. Für mich ist die „Section Control“ also durchaus eine positive Sache.
Viel bedenklicher als den Hackerangriff finde ich die offiziellen Begehrlichkeiten, die solche Datensammlungen wecken. Die Vorratsdatenspeicherung wurde mal eingeführt, um Terroristen und Mörder zu fangen. Mittlerweile werden die Daten auch bei Einbrüchen herangezogen. Bei den Bildern der Mautbrücken gibt es ähnliche Wünsche. WEnn die Daten erstmal vorliegen, werden sie auch gespeichert falls sie zu einem späteren Zeitpunkt mal gebraucht werden könnten.
Die Gesichtserkennung ist das nächste, was jetzt getestet wird, schließlich haben wir alle maschinenlesbare Passbilder.
Und eine weitere Anmerkung zu Deiner Vermutung einer höheren Strafe fällt mir ein, dass es jetzt auch möglich ist, einen einzelnen Fahrer für ein illegales Rennen auf öffentlichen Straßen zu verurteilen, wenn diese „besonders gefährlich, eigensüchtig oder gleichgültig handeln, um das höchstmögliche Tempo ihres Autos auszutesten.“ (Zitat aus der MDR Meldung, nicht aus dem Gesetzestext). http://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/bundestag-beschliesst-haertere-strafen-bei-illegalen-autorennen-100.html
Ich denke, in Sachen Datenverwertung durch staatliche Stellen wird sich nicht viel ändern. Auch jetzt ist es ja schon für die Strafverfolgung möglich, auf Daten der Bußgeldbehörden zurückzugreifen. Und Stand jetzt ist auch, dass die Mautdaten Tabu sind für jede Art von Strafverfolgungsbehörden… da wird sich wohl nicht viel ändern.
Mir machen aber weniger die staatlichen Stellen Sorgen, mehr die Legionen von Hackern, die allen möglichen Schabernack versuchen könnten.