Wie es zu diesem Beitrag kommt
Ich bin vor kurzem bei einem Streifzug durch die „Blog-Nachbarschaft“ auf einen etwas älteren aber doch ganz netten Beitrag gestoßen, bei dem es um diese alten Motorrad-Geschichten ging. Dieser Text hat mir recht gut gefallen, ist aber irgendwie ein wenig eingeschlafen. Dies hat mich hinreichend inspiriert, um auch meinen Senf dazu zu schreiben.
Mag sein, dass meine Version der Geschichte nicht ganz hundertprozentig objektiv ist, das muss ich aber auch nicht immer sein. Für Kritik stehe ich natürlich gerne zur Verfügung.
Früher war alles irgendwie besser
… oder auch nur anders.
Kennst du diese Geschichten von früher? Also von ganz früher, als die Gummistiefel noch aus Holz waren. Die Alpen waren noch jung, die Welt gab es nur in schwarz-weiß, Farbe war noch nicht erfunden.
Und die Geschichten aus genau diesem „früher“, die sind sich irgendwie ähnlich, zumindest empfinde ich so. Wenn ich meine Großeltern, oder auch die Großeltern jedes meiner Bekannten frage, höre ich eine ähnliche Geschichte:
Also grundsätzlich mussten (gefühlt) immer alle jungen Menschen in die Schule im Nachbardorf gehen. Immer. Das eigene Dorf hatte keine Schule für die Einheimischen. Und früher hatte man ja irgendwie auch keine Schuhe, oder höchstens ein einziges Paar. Dies musste dann jahrelang halten. Und mit dem einzigen Paar Schuhe ist man dann in die Schule ins Nachbardorf gelaufen. Dieses war immer mindestens zehn Kilometer von zu Hause entfernt. Und weil es im Winter kalt war, musste man noch einen Holzscheit zum Heizen mitnehmen.
Eigentlich war es aber immer kalt. In den Geschichten von früher höre ich ja nur, dass dieser Weg zur Schule, der immer abartig weit war, im Winter zurückgelegt wurde. Es war grundsätzlich immer Winter. Eigentlich gab es gar keinen Sommer. Und immer lag Schnee. Dieser war auch richtig hoch. So viel Schnee gibt es heute ja nicht mehr.
Und nach der Schule wurde dieser Weg ja auch zurück gelaufen. Wieder im einzigen Paar Schuhe. Und zu Hause waren diese Leute, die noch das „früher“ kannten, ja auch noch nicht fertig mit ihrer Arbeit. Dann ging es raus auf das Feld, wo noch in der Landwirtschaft gearbeitet werden musste.
Jaja, so war es früher halt.
Diese Geschichte habe ich in verschiedenen Abwandlungen sehr oft hören müssen.
Und wenn ich mir die Zeiten damals so vorstelle, sehe ich vor meinem geistigen Auge immer Legionen von Schülern, die alle durch die verschneite Winterlandschaft stapfen, ständig (mit einem Holzscheit in der Hand) zu der Schule im Nachbardorf unterwegs sind, das alles in einer Welt, die noch schwarz-weiß ist.
Und das früher für Motorradfahrer?
Bisher hat meine Geschichte mit dem Motorradfahren ja eigentlich noch nichts zu tun. Kommt aber noch. Als ich diesen Sommer mit dem Motorrad im Thüringer Wald unterwegs war, habe ich auf einem dortigen Campingplatz einen älteren Herrn getroffen, der sich ganz begeistert über das Motorradfahren als Hobby ausgelassen hat.
Und der hat mir eine Geschichte erzählt, wie ich sie im Großen und ganzen bereits kannte. Aber halt nicht von ihm, sondern von einem Bekannten meines Vaters. Der hatte mir vor Jahren nämlich schon einmal erklärt, wie das Motorradfahren früher war. Und das möchte ich dir nicht vorenthalten. Vielleicht kommt dir die Geschichte bekannt vor, weil du sie von anderen Motorradfahrern, die ebenfalls „früher“ unterwegs waren, auch so erzählt bekommen hast.
Die Geschichte des Rentners auf dem Campingplatz bei Ilmenau ging etwa so:
Also früher hatte er eine Maschine von MZ. Das war schon was, schließlich handelte es sich um ein „richtiges“ Motorrad. Alle anderen hatten nur ihre kleinen Simpson-Moppeds. Autos gab es damals kaum. So musste dann im Grunde genommen jede Erledigung mit dem Motorrad gemacht werden. War aber auch kein Problem, denn damals (also „früher“) waren die Jungs und Mädels noch um einiges härter. Man fuhr grundsätzlich das ganze Jahr. Auch bei Schnee. Und Schnee hatte es eigentlich immer. Das war halt früher anders.
Und weil es ja noch keine Autos gab, musste man auch mit dem Motorrad zur Arbeit und zum Einkaufen. Das war ja kein Problem. Ich stelle mir dabei immer einen indischen Überlandbus vor, nur halt in Form einer MZ, wo dann zwölf Leute irgendwie dran hängen oder drauf sitzen. Und früher war ja noch mehr anders. Mit dieser MZ auf dem Weg zur Arbeit ist man ja grundsätzlich über irgendwelche Rumpelpisten gefahren, immer die Abkürzungen über den Feldweg genommen ins nächste Dorf. Vor meinem inneren Auge entsteht eine Landschaft, wo nur Lehmpisten existierten, keine asphaltierten Straßen. Grundsätzlich nirgends. Und dann ist, wer auch immer dieses „früher“ miterlebt hat, auch immer über diese Pisten mit seinem Motorrad ins nächste Dorf gefahren, oft auch mit der Freundin / Frau hinten als Sozia drauf, um was-auch-immer zu erledigen. Und wie gesagt, es war grundsätzlich Winter.
Und wenn ich dann noch ein wenig weiter diesen Geschichten zuhöre, erfahre ich, die MZ wurde dann irgendwann einmal verkauft. Aber die Zeiten waren schön damals. Aber jetzt ist alles irgendwie vorbei. Mit den neuen Motorrädern kommt er nicht mehr zurecht und das Hobby Motorrad, das ja gar kein Hobby war, sondern Notwendigkeit zum Leben, wurde schon vor Jahren aufgegeben.
Sehr merkwürdige Geschichte
Stimmt. Aber irgendwie möchte ich mal an alle, die „früher“ mit dem Motorrad unterwegs waren, was loswerden. Eure Geschichten können so nicht stimmen. Es kann nicht sein, dass alle immer nur bei Schnee über Schotterpisten (gab ja nichts anderes) ins nächste Dorf unterwegs waren. Das glaube ich euch halt nicht.
Bin ich der einzige, der diese Abenteuergeschichten von „früher“ noch kennt? Oder muss sich jeder der nach 1960 auf die Welt kam, das regelmäßig anhören? In meinem Bekanntenkreis sind diese Geschichten recht verbreitet, jeder kennt von seinen Eltern oder Großeltern eine eigene Variation davon.
Wer kennt noch diese alten Geschichten? Was habe ich in meiner „Standardgeschichte“ ausgelassen?
Wenn jemand einem Motorradfahrer erzählt, er sei damals auch Motorrad gefahren, bedeutet es in erster Linie Kontaktaufnahme. Und zuhören muß man da schon, denn es bleibt zunächst immer auf flachem Niveau. Vor allem wird ja das Umfeld immer als weitgehend bekannt vorausgesetzt.
Ganz ohne Beachtung sind die unfreiwilligen Unterbrechungen der Fahrten durch irgendwelche Pannen geblieben.
Schließlich das Grüßen der Motorradfahrer hat seinen Grund, seinen Hintergrund. Man war Teil einer verschwindenen Minderheit und wurde als minderwertig behandelt. Bei einer Panne war solidarische Unterstützung eine handfeste Größe. Da kann heute kein Handynutzer und ADAC-Plus Mitglied mit seinen Erfahrungen Punkte sammeln.
Der ADAC hat nicht einmal Schraubnippel an Bord seiner Fahrzeugflotte, die lassen bei einem gerissenen Bowdenzug den Abschleppdienst kommen.
Freilich ich bin schon Generation Motorrad 2.0, was an der Einstellung des Motorradbaus in Deutschland nach dem Krieg begründet ist. Alles was zu meineren jüngeren Jahren als Motorrad hier gab, endete unter zweihundet Kubikzentimeter Hubraum. So war denn auch die Nachfrage nach fahrbaren Horex, BMWs und insbesondere Heinkel-Rollern (250er) weit über dem Angebot.
Das änderte sich wie die Japaner mit flotten Maschinen auftraten und aus Amerika die Filme Wild-Angels, Easy-Rider und ähnlichem einen Trend setzten.
Es ist also mehr dran, wenn jemand sagt: „ich habe früher auch Motorrad gefahren.