Vom Garagenprojekt
In der „Blog-Nachbarschaft“ zum Thema Motorrad wurde vor Kurzem zu einer „Blog-Parade“ zum Thema Motorradkauf aufgerufen. Eigentlich nicht so direkt mein Thema, insbesondere da ich ja nicht gerade jede Woche unzählige Motorräder erwerbe.
Andererseits habe ich schon das eine oder andere Mal ein Motorrad gekauft (auch wieder verkauft) und die eine oder andere skurrile Begebenheit gab es da schon. Meinen interessantesten Kauf, getätigt im Jahr 2004, möchte ich hier jetzt darstellen.
Der Hintergrund zum Motorradkauf, Vorüberlegungen
Jeder verständige und nachdenkliche Mensch versteht, dass man als Motorradfahrer mindestens vier, eher noch fünf Motorräder braucht. Drunter geht es nicht. Diese Weisheit ist absolut klar und da gibt es nichts zu rütteln.
Man braucht ein Motorrad, für mich möglichst schnell und sportlich, um am Sonntag Morgen auf den einsamen Straßen eine flotte Runde zu drehen. Hier würde für mich eine 600er Supersportler in Frage kommen. Dann braucht man ein weiteres Motorrad, mit dem man am Samstag Nachmittag ein wenig durch den Dreck wühlen oder im Kieswerk herumbrausen kann. Das kann dann nur eine kleine Enduro sein, so etwa wie meine erste Maschine, eine 250er Yamaha XT. Dann benötigt der normale Motorradfahrer auf jeden Fall noch eine Maschine um in den Urlaub zu fahren, am besten bepackt mit Seitenkoffern, Gepäckrolle und in jeder Form tourentauglich. Für mich stellen hier Reiseenduros das Maß der Dinge dar. Und dann muss man natürlich noch eine Maschine für den Alltag besitzen, mit der man zur Arbeit fährt, Brötchen holt und alles andere. Zu guter letzt fehlt noch ein Motorrad, mit dem man dann am Sonntag Mittag zur Eisdiele fährt, dort hinhockt und sich bewundern lässt. Das ist geschmacksabhängig.
Du siehst also, unter vier bis fünf Motorrädern geht es eigentlich gar nicht. Ich wüsste nicht, wie man ohne sie auskommen kann. Und das sollte jedem verständigen Menschen eigentlich klar sein.
Der Kaufentschluss
Im Jahr 2004 habe ich meiner damaligen Frau mein Problem erklärt. Ich hatte damals das Problem, dass ich anstatt der eigentlich notwendigen fünf Maschinen nur meine Suzuki DL650 V-Strom besaß. Immerhin abbezahlt, aber doch recht einsam in der Garage.
Ich hielt meine Frau eigentlich für einen jener oben genannten verständigen Menschen. Auch wenn sie mit Motorrädern nichts am Hut hatte, war ich der Meinung, sie hätte das Problem bereits seit langem erkannt und würde sich einfach nicht trauen zu fragen, wann ich denn die anderen Maschinen anzuschaffen gedenke.
Dies war so falsch gedacht. Als ich ihr nämlich mitteilte, meinem Problem (dem von zu wenigen Motorrädern) abhelfen zu wollen, indem ich zunächst einfach mal eine weitere Maschine ins Haus kommen solle, schaute sie mich erst verständnislos an um dann nachzufragen, wieso man denn zwei Motorräder gleichzeitig besitzen wolle. Gefolgt von dem Hinweis, wir könnten uns das eh nicht leisten, ich bräuchte so was nicht und ich solle mir lieber überlegen, wo ich denn das Geld für eine weitere Maschine hernehmen wolle.
Plan gestorben, so die Mitteilung.
Motorradkauf: Die Gelegenheit
Mein Problem ließ sich also nicht so flott lösen. Vor allem auch deshalb nicht, weil sie ja eigentlich mit dem Hinweis auf die finanzielle Situation gar nicht so unrecht hatte. Zu dem Zeitpunkt habe ich noch nebenbei studiert und das Geld war durch diverse Belastungen gar nicht so reichlich vorhanden.
Aber Liebe findet immer einen Weg.
Einer meiner Studienkollegen wusste von meinem Dilemma. Bei einem bierseligen Abend habe ich ihm von der ungerechten Welt erzählt, er hatte sich das wohl gemerkt. Schließlich erklärte er, noch „eine Art Motorrad“ bei sich herumstehen zu haben. Fahren würde die Maschine nicht mehr, aber ich könne ja mal schauen, ob man sie wieder flott kriegt. Er selbst habe vor einigen Jahren das Motorradfahren aufgegeben, die Maschine stehe bei ihm immer noch im Holzschopf.
Na ja, wer kann da nein sagen? Am Wochenende kurz bei ihm vorbei geschaut. Noch kurz ein wenig gefachsimpelt, dann einen Blick in den Holzschopf (alt, gammelig, Lehmboden): nirgends ein Motorrad. Doch dann auf den zweiten Blick, eine Plane, in der hintersten Ecke. Die Plane lag tatsächlich über einem undefinierbaren Motorrad. „Ist eine Yamaha“ erfuhr ich. Der Zustand lag irgendwo zwischen traurig und nicht mehr zu retten. Dafür konnte der Preis sich sehen lassen. Eine Kiste Bier plus meine Zusage, beim Lernen fürs Studium zu helfen. Hätte ich zwar auch so gemacht, das Geschäft war aber gebongt.
Ein Autoanhänger war verfügbar (vom Alter wahrscheinlich mit dem Holzschopf angeschafft), kurz ein Brett genommen und die Maschine auf platten Reifen hochgeschoben. Danach kurz verzurrt und zu mir nach Hause in die Garage gefahren. Meine Frau war nur mäßig begeistert. Aber ich hatte ein Zweitmotorrad. Oder so ähnlich. Momentan sah es eher aus wie eine Art abstraktes Industriedenkmal.
Motorradkauf: das Projekt
Zwar hatte ich jetzt eine Art Motorrad in der Garage stehen, aber fahrbereit sah ganz klar anders aus. Irgendwelche Hoffnungen, die Maschine in absehbarer Zeit zum Laufen zu bringen hatte ich mir dann schnell begraben. Früher, als die Rübe noch als Motorrad auf der Straße unterwegs war, hat es sich um eine Yamaha XJ 600 gehandelt, Baujahr 1984. Die Maschine war aber die letzten vier bis fünf Jahre im Schuppen gestanden und nicht mehr bewegt worden. Reifen platt (aber zum Glück nur unten) und alles verdreckt und verstaubt.
Nun bin ich technisch nicht gerade ein Profi, einfache Arbeiten klappen, wenn es dann aber mal ans Eingemachte geht, wird die Luft bei mir schon dünn. Ich habe erstmal Luft in die Reifen gepumpt und die Maschine durchgecheckt. Sah aber alles nicht so einfach aus. Da mir recht schnell klar wurde, dass da mit abstauben und Fremdstarten nicht geholfen ist, wurde die Maschine schlichtweg nach hinten geschoben, war ja einfach nichts zu machen.
Szenenwechsel. Im Herbst hat mich dann meine Motorradkumpel Brauni mal am Samstag nach einer Tour nach Hause begleitet. Vor der Garage wurde dann noch ein wenig gefachsimpelt, schließlich noch kurz die Kette an meiner Maschine nachgespannt. Als er dann in die Garage schaute, stellte er fest, dass da tatsächlich noch ein Motorrad steht. Kurze Nachfrage, was der Maschine fehlt, meine Antwort: alles, einschließlich des Lebenswillens. Dann kam der Vorschlag, es ist ja noch Samstag Mittag und wir hätten ja eh nichts besseres vor (ach wirklich?). Ja, wir schaffen das.
War eigentlich uns beiden klar, dass das eh nichts werden kann. Aber die Idee hatte was. Also haben wir uns kurz getrennt, Brauni nach Hause zum umziehen, ich kurz in den Edeka um eine Kiste Bier, Zigaretten und Grillgut aufzutreiben. Eine halbe Stunde später waren wir dann schon wieder in der Garage zu Gange. Erst mal Bestandsaufnahme machen. Und gleich die Ernüchterung, da ist alles zu spät. Aber basteln kostet ja nichts. So haben wir es dann an dem Samstag geschafft, die Maschine zu putzen (jawohl, von Hand), Benzin und Öl abzulassen (beides in sehr kläglichem Zustand) und zumindest mal die Batterie (total trocken) und den Luftfilter (von der Farbei einer Kohlegrube bei Nacht) auszubauen. Noch der gute Rat an mich: „heb das Benzin auf, kannst immer was damit abputzen oder so“. Vor allem haben wir jedoch endlich den Bierkasten und das Grillgut vertilgt. Damit war das Projekt wieder gestorben.
Am nächsten Samstag dann die Erleuchtung. Das Wetter war sowieso zu schlecht zum Motorradfahren, also womit beschäftigen sich zwei junge Erwachsene. Genau. Brauni brachte eine Kiste Bier mit, zusammen mit ein paar Steaks. Guter Plan.
Also wieder runter in die Garage. Die Maschine machte einen etwas ausgeweideten Eindruck, aber egal. Vergaserbatterie runter gemacht. Einfach mal unten die Schwimmerkammern geöffnet und gestaunt. „Hast du so was schon mal gesehen?“ Nein, keiner von uns konnte mit der grünen zähflüssigen Pampe in der Schwimmerkammer was anfangen. Sah aber nicht schön aus. Also das Zeug raus gekratzt, alles mit Lappen sauber gemacht, mit WD40 eingesprüht und noch die Düsen gereinigt. Sah dann schon besser aus. Hat dann aber auch gereicht für den Tag. Ging dann weiter mit Bier und Grill.
Eine Woche später: Ich war in der Zwischenzeit fleißig. Ich habe nämlich eine Motorradbatterie besorgt. Wir trafen uns wieder in der Garage, zum Fahren war es (der Herbst hatte Einzug gehalten) sowieso zu kalt. Für Bier auch. Also einen Karton Glühwein besorgt, Campingkocher rausgeholt und einen Topf voll erwärmt. Währenddessen die Maschine ein wenig zusammengebaut und dann beratschlagt. Na ja, die Maschine brauchte in nicht ganz geläufiges Öl (20W40), aber irgendwie sind wir uns dann einig gewesen, der Kanister billiges 15W40, der noch in der Garage stand, tuts auch. Benzin haben wir einfach mal aus meiner Suzuki rüber geschnorchelt, dann ein Startversuch.
Klappte natürlich gar nichts. Dann die rettende Idee. Bremsenreiniger.
Kennst du nicht? Kein Problem. Bremsenreiniger ist auf Acetonbasis, hat einen viel niedrigeren Flammpunkt als Benzin und taugt hervorragend als Starthilfespray. Eine ordentliche Ladung in den Luftfilter geballert und noch mal probiert. Ich hab mir gedacht, wird eh nichts und einfach mal aus gutem Willen mitgemacht, Brauni war der festen Überzeugung dass das jetzt klappt. Und tatsächlich, ich verneige heute noch mein Haupt in Ehrfurcht: die Maschine ist auf einmal zum Leben erwacht und hat dann gleich mal richtig losgebrüllt. Deus ex Machina. Die Yamaha erwachte auf einmal zum Leben, wir standen da wie die Deppen. Zuerst Hustend und spuckend, danach immer runder lief der Motor.
Ich habe mich gleich auf die Mühle geschwungen und bin hoch zur Tankstelle gebraust (ohne Zulassung, ich schäme mich heute noch) und schnell (bei laufendem Motor, wer wusste schon, ob der jemals wieder anspringt) kurz mal den Tank gefüllt. Danach wieder zurück und in der Garage bei Glühwein unseren Erfolg gefeiert.
Epilog
Die Maschine wurde eine Woche später zugelassen. Noch kurz einen neuen Satz Reifen (die alten waren schon arg fertig), zum TÜV (mängelfrei bestanden) und dann hatte ich eine zugelassene Maschine. Die Idee, die Maschine zum Vorwand zu nehmen und den Winter durch im samstägliche Treffen abzuhalten, mussten wir schon nach drei Wochen begraben, auf einmal lief die Maschine. War dann aber auch nicht so schlimm.
Die Yamaha XJ600 (Modell 51J für die eingeweihten), begleitete mich zwei Jahre lang auf dem Weg zur Arbeit. Sie war eine richtige Höllenmaschine, meiner Meinung nach für die Motorisierung mit viel zu schwachem Fahrwerk ausgestattet, und war alles in allem anstrengend zu fahren. Trotzdem war sie mein erstes „Projekt“ und ich wollte sie nicht mehr missen. Nach zwei Jahren wurde sie als Gebrauchtmaschine (für mehr als einen Kasten Bier) von mir per Ebay weiterverkauft.
Und zu Guter Letzt
Ich habe es tatsächlich bisher noch nie geschafft, die notwendige Zahl von Motorrädern anzuschaffen. Ich bin aber noch dabei.
Schöne Geschichte, man erkennt sich teilweise selbst wieder.
Und die korrekte Anzahl an Motorrädern, die man braucht, ist doch n+1. 😉
Stimmt, wer hat denn jemals genug Motorräder gehabt?