Mal wieder was Neues

Ich bin schon gar nicht mehr erstaunt. Ich habe mich schon irgendwie daran gewöhnt. Und zwar daran, dass unseren westlichen Nachbarn regelmäßig etwas Neues einfällt. Sinnvoll. Die ganzen Verkehrspolitiker müssen ja irgendwie beschäftigt werden. Und nach Dingen wie einer Handschuhpflicht, Umweltvignetten für Innenstädte kommt jetzt eben noch eine Änderung des generellen Tempolimits auf französischen Landstraßen.

Was ist passiert? Nun recht einfach: Zur Senkung der Todesfälle durch Verkehrsunfälle und zur Erhöhung der allgemeinen Verkehrssicherheit wurde durch die französische Regierung beschlossen, auf allen Straßen mit nur einem Fahrstreifen pro Fahrtrichtung die Geschwindigkeit auf 80 km/h zu begrenzen. Damit soll die Zahl der Unfälle insgesamt sowie insbesondere die Zahl der Unfälle mit schwerwiegenden Folgen reduziert werden.

Und dies alles soll ab dem Sommer, Stichtag 01.07.2018 gelten. Und damit auch für mich, wenn ich meine nächste sommerliche Motorradtour durch die Vogesen antrete.

Weniger Unfälle durch weniger Tempo?

Die Überlegung hinter dem generellen Absenken des Tempolimits klingt ja eigentlich schon mal recht klar. Weniger Geschwindigkeit bedeutet weniger Unfälle. Und weniger Geschwindigkeit bedeutet auch weniger Unfallfolgen in gravierendem Maße (Tote und Schwerverletzte). Also auf den ersten Blick eine klare, einfache und durchdachte Maßnahme.

Ich sehe das nicht so. Ich bin ja immer noch einer der Anhänger des Slogans „freie Fahrt für freie Bürger“, der bereits in den 70ern vom ADAC geprägt wurde. Und das bedeutet für mich, dass ich kein Freund von Verboten mit insgesamt nur wenig Nutzen aber vielen Einschränkungen bin.

Machen wir uns nichts vor. Frankreich ist ein Land mit recht großen Entfernungen. Auf dem flachen Land ist es durchaus nicht unüblich, dass ich mal 20 Kilometer auf einer Landstraße geradeaus fahre. Nur wenige Kreuzungen/Einmündungen und noch weniger Ortschaften werden da passiert. Dann kommt eine Kurve, dann geht es wieder so lange geradeaus. Und hier, wo es dann ewig lang ohne Beeinträchtigung voran geht, soll die Geschwindigkeit noch verringert werden? Das macht doch kein Mensch mit.

Das Problem liegt meiner Meinung nach nicht bei der allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung. Die liegt momentan bei 90 km/h, wird auf 80 km/h reduziert. Bei uns gelten immer noch 100 km/h als Standard. Die Unfälle, die zu vermeiden versucht werden, sind ja in aller Regel nicht von Fahrzeugführern begangen, die mit 90 km/h anstatt 80 km/h herumgefahren sind. Das sind doch dann eher die Art von Leuten, denen die bisherige Geschwindigkeitsbegrenzung eh schon schurzpiepegal ist. Die soll schnell fahren, wie es die Straße von ihrem Ausbauzustand eben zulässt… und vielleicht auch noch schneller.

Dies ist doch das wahre Problem. Wer das nicht glaubt: Fahrt doch einfach mal durch Frankreich, haltet dabei dann die Geschwindigkeitsbegrenzung peinlich genau ein und passt auf, wie häufig ihr überholt werdet.

Ich denke, es ist klar, was ich sagen will.

Die Überwachung ist das Problem

Ich mache mich vielleicht ein wenig unbeliebt, aber ich muss einfach sagen: Liebe französische Nachbarn, wie wäre es, wenn ihr einfach mal eine ordentliche Verkehrsüberwachung auf die Beine stellt?

Das bisschen Verringerung der Höchstgeschwindigkeit wird nur wenig bringen. Aber die punktuelle, zielgerichtete Verkehrsüberwachung ist da doch wesentlich effektiver. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung einzuführen und sie dann wie gehabt in Frankreich zu überwachen ist Mist.

Wer regelmäßig in Frankreich unterwegs ist, der wird wissen, was ich meine. Dort stehen fest installierte „Radarfallen“ (anders kann ich das nicht bezeichnen), die ursprünglich zur Senkung der Unfallgefahr an besonders gefährdeten Streckenabschnitten montiert sind. Und wenn ich dann genau schaue, handelt es sich um bolzengerade, gut ausgebaute und „normal“ zu befahrende Streckenabschnitte. Was für Unfälle sollen denn hier bitteschön passieren?

An tatsächlich problematischen Streckenabschnitten mit schwieriger Straßenführung, schlechtem Ausbauzustand oder vielen Einmündungen sehe ich nie eine Geschwindigkeitsmessanlage. Ist ja auch klar, so ein Teil kostet ein ordentliches Geld und das muss ja auch wieder „eingespielt“ werden. Oder einfach, so wie bei uns, mobile Geschwindigkeitsmessungen. Radar, Lichtschranke und Laser sind ja auch auf der westlichen Seite des Rheins bekannt, oder? Ich habe bislang aber noch nie eine mobile Verkehrsüberwachung gesehen. Und nur durch solche Maßnahmen lassen sich ja Unfallschwerpunkte effektiv überwachen.

Die Einsicht des Bürgers

Ich denke einfach mal, dass eine allgemeine Absenkung der Geschwindigkeitsbegrenzung in Frankreich nichts oder nahezu nichts bringen wird. Weil nämlich die Einsicht, etwas zurückhaltender zu fahren, erst mal in den Köpfen der Leute ankommen muss.

Ich würde einfach mal behaupten, dass die meisten von uns etwas damit anfangen können, wenn ich erwähne, wie beispielsweise entlang der Mittelmeerküste im Sommer gefahren wird. „Der fährt ziemlich französisch“ kann ich dann durchaus auf Fahrer anwenden, die in kurzer Hose, Badelatschen und mit Halbschalenhelm auf der letzten Rille in eine unübersichtliche Kurve reinpfeifen. Es ist für mich nicht schwer, jetzt mal ganz kühn zu behaupten, dass gerade in solchen Situationen die allgemeine Unfallgefahr und die möglichen Unfallfolgen doch erhöht sind. Und ist tatsächlich damit zu rechnen, dass sich ein solcher Fahrer an das neue Tempolimit halten wird? Ohne den Zwang massiver Verkehrsüberwachung?

Die bisherigen „guten Ideen“

Überlegen wir mal:

Irgendwie hat die französische Regierung vor gut einem Jahr die tolle Idee gehabt, dass Sicherheitsbekleidung auf dem Motorrad wirklich toll ist. Als Ergebnis wurden für den Motorradfahrer Handschuhe vorgeschrieben.

Und dann saß ich im Sommer in den Vogesen und habe spaßeshalber an einer „Applauskurve“ mal überlegt, woher die vorbeifahrenden Motorradfahrer kommen und was sie anhaben. Und tatsächlich, auffallend oft sieht man bei den „Touris“ wie mir eine vollständige Schutzbekleidung, während eben der typische Einheimische wirklich sehr häufig an fehlender oder nur sehr bescheidener Schutzkleidung aber dafür mit umso ambitionierterer Fahrweise zu erkennen ist. Und die Vorschrift, Handschuhe zu tragen? Mag sein, dass die von irgendjemandem bewusst beachtet wird, aber der Großteil hat sein Verhalten nicht verändert.

Und dann die Sache mit den Umweltplaketten. In Innenstädten mit diversen Umweltzonen sind für das Befahren diverse Aufkleber notwendig, die dann je nach Fahrzeugklasse und Abgasverhalten erteilt werden. Und hier stellt sich auch die Frage, wie viel Schadstoffausstoß in Innenstädten denn tatsächlich durch Motorräder verursacht werden. Ich denke, der Gesamtanteil ist tatsächlich überschaubar. Ich denke, ich werde mich im Frühsommer, wenn ich mal wieder in der Nähe von Straßburg bin, mal in ein Café in der Innenstadt setzen und einfach mal fünf Minuten zählen. Ich bin überzeugt, dass auch hier das Ergebnis eindeutig ausfallen wird: Die tollsten (*hüstel*) Regeln bringen nichts, wenn sich kein Mensch dafür interessiert.

Fazit zur neuen Geschwindigkeitsbegrenzung

Ich würde jetzt einfach mal ganz mutig behaupten, dass das neue französische Tempolimit rein gar nichts bringen wird. Unfälle lassen sich nur sehr begrenzt durch neue Verbote verringern, so lange diese „zahnlos“ sind.