Wozu überhaupt ein Rückenprotektor?

Ja, recht provokante Frage. Aber auch gleich den passenden Hintergrund dazu.

Ich bin letzte Woche über eine ADAC-Auswertung einer Unfallstatistik gestolpert. Und hier habe ich mir unter anderem auch mal den Abschnitt über Verletzungsmuster nach Verkehrsunfällen mit Motorradfahrern genauer angeschaut und mal angefangen zu zählen.

Die erfreuliche Nachricht: Die schweren Verletzungen an Brust-, Hals- und Lendenwirbelsäule bei Motorradunfällen sind eigentlich mal gar nicht so häufig. Widerspricht schon mal der landläufigen Meinung, die Statistik sieht aber (auch nach dem „händischen“ nachrechnen) seriös aus.

Also alles gut, oder? Wenn so wenig passiert, braucht der Motorradfahrer ja gar keinen Schutz am Rücken, oder? Alles nur Panikmache, oder?

Quatsch.

Nur weil Wirbelsäulenverletzungen beim Motorradunfall weniger häufig vorkommen als Rippenbrüche, bedeutet das jetzt nicht, dass ich mich als Motorradfahrer nicht um mögliche Folgen kümmern muss. Im Gegenteil. Ein gebrochener Arm ist schmerzhaft, teilweise nicht ungefährlich und es gibt natürlich auch Fälle, wo eben doch nicht wieder alles zusammenwächst, wie es soll. Eine gebrochene Lendenwirbelsäule ist jedoch ungleich problematischer in den möglichen Spätfolgen.

Daher, auch wenn andere Verletzungen häufiger vorkommen, sollte die Wirbelsäule so gut es eben geht geschützt werden.

Was für eine Art von Rückenprotektor

Und für den Schutz deiner Wirbelsäule, deines Rückens, beim Motorradfahren gibt es genau drei Möglichkeiten:

Du schaffst dir einen ordentlichen externen Rückenprotektor an, der vor jeder Fahrt umgeschnallt wird. Oder du besitzt eine Motorradjacke, in die ein kurzer Rückenprotektor hinten eingeschoben wird. Oder du hast in deiner Motorradjacke ein Rückenpolster aus Schaumstoff.

Ich denke, die meisten, die mal eine Textil-Motorradjacke angeschafft haben, werden die dritte Option kennen. Dort ist im Rückenbereich eine fingerdicke Schaumstoffmatte eingelegt, die beim Fahren ein gutes und sicheres Gefühl ergeben soll. Kann klappen, das mit dem guten Gefühl, muss aber nicht. Mehr bringt diese Schaumstoffmatte definitiv nicht. Einen Sicherheitsgewinn beim Motorradunfall würde ich mir durch eine fingerdicke Schicht Schaumstoff am Rücken nicht versprechen.

Bleiben realistischerweise noch zwei Möglichkeiten. Den Rückenprotektor zum umschnallen oder den Rückenprotektor zum Nachrüsten für die Motorradjacke.

Langer Rückenprotektor zum Anziehen

Das Teil zum Umschnallen haben alle schon mal gesehen, viele haben so was sogar zu Hause liegen. Vor der Tour wird dann der Rückenprotektor umgeschnallt, dann Lederkombi oder Textiljacke drüber gezogen, dann geht es los. Der Rückenprotektor (egal welches Modell, wir unterscheiden inzwischen auf recht hohem Niveau) ist in den meisten Fällen ordentlich starr am Rücken, damit du auch was davon fühlst, erreicht laut regelmäßigen Tests in einschlägigen Motorradzeitschriften ordentliche Schlagdämpfungswerte und bietet damit ein ordentliches Sicherheitsplus.

Also ein Rundum-Sorglos-Paket? Ja, wenn du den Rückenprotektor trägst…

Das ist meiner Meinung nach nämlich das Hauptproblem. Du musst so ein Teil jedes Mal, wenn du kurz auf dein Motorrad hockst anziehen, musst jedes Mal zuerst den Rückenprotektor umschnallen und dich danach in deine Jacke winden. Mehr Aufwand, mehr Gelegenheit, zu sagen „ach was, für die kurze Strecke…“.

So bequem die Teile auch heutzutage zu tragen sind, ich habe das Gefühl, dass das Anziehen einer weiteren Bekleidungsschicht für die meisten eine der Hemmschwellen ist, die zusätzlich zu überwinden einen zu großen Aufwand darstellt. Will sagen: dadurch, dass du vor der Fahrt noch einen weiteren Schritt beim Anziehen machen musst, erspart sich der Motorradfahrer oftmals die (wenn auch nur kleine) Mühe des Anziehens und verzichtet dann lieber ganz auf den Rückenschutz. Ist halt einfach die menschliche Natur. Gegen die kommst du nicht an.

Kurzer Rückenprotektor

Und dann gibt es noch die Rückenprotektoren, die du in deine Motorradjacke einfach hinten einschieben kannst.

Die sind definitiv weniger sicher. Das kann ich einfach mal ganz frech behaupten. Wieso weniger Sicher? Weil sie einfach weniger Fläche an deinem Rücken bedecken. Sowohl nach oben, in Richtung Halswirbelsäule, als auch nach unten, in Richtung des Steißbeins bleibt einfach jede Menge Raum, an dem eben gar nichts ist im Falle deines Sturzes. Und dann noch die Befestigung. Egal, wie satt deine Motorradjacke und damit der kurze Rückenprotektor sitzt, am Ende wirst du mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit kein so ordentliches Tragegefühl wie bei einem dieser „Turtels-Panzer“ bekommen. Bei den kurzen Rückenprotektoren ist halt die Gefahr des „Herumrutschens“ beim Unfall höher.

Also ist ein kurzer Rückenprotektor schlechter als ein langer? Ja, irgendwie schon. Aber eben auch irgendwie nicht. Denn es ist doch so. Der kurze Rückenprotektor, den schiebst du in eine Einschubtasche in deiner Motorradjacke und fixierst ihn dort. Und dann bleibt er da. Immer. Jedes mal, wenn du deine Motorradjacke anziehst, hast du das Teil eben auch an. Du vergisst den Protektor nie, nicht ein einziges Mal. Und du musst eben eine Schicht weniger tragen.

Welcher Protektor ist besser?

Du hast jetzt auf dem Markt die Wahl. Möchtest du dir einen Rückenprotektor zulegen, den du dir jedes Mal gesondert auf den Rücken schnallst, vor jeder einzelnen Fahrt? Der dich dafür aber auch optimal schützt, weil alles gut sitzt und er möglichst viel Fläche abdeckt? Oder nimmst du lieber das Teil, welches die möglichst wenig Arbeit macht? Den kurzen Rückenprotektor, den du dir in deine Motorradjacke einschiebst, der kleiner ist, nie so gut sitzt und vielleicht sogar herum rutscht?

Ich gebe gerne zu, was die persönliche Sicherheitsausstattung für den Motorradfahrer angeht, bin ich recht kompromisslos. Wer auf Sicherheitsbekleidung verzichtet, fordert sein Schicksal meiner Meinung nach geradezu heraus. Andererseits kenne ich mich auch gut genug. Ich fahre viel mit dem Motorrad, die meisten Kilometer kommen bei mir eben nicht durch irgendwelche Tagestouren im Alpenvorraum zusammen, sondern vielmehr auf dem Weg zur Arbeit oder ins Städtchen. Und jedes Mal Motorradbekleidung anzuziehen, am besten noch bei sommerlichen Temperaturen? Ja. Das artet oft genug in Überwindung aus. Aber ich tue es trotzdem, will ja bestmöglich geschützt fahren. Und dann noch einen zusätzlichen Schritt beim Anziehen? Noch eine Schicht Panzerung, die ich mit mir herumtrage? Ich glaube, das könnte ich mir nicht angewöhnen. Den Rückenprotektor würde ich dann zu häufig „vergessen“, könnte nicht oft genug meinen inneren Schweinehund überwinden. Dazu wäre ich dann zu bequem.

Und weil ich ehrlich genug bin um zuzugeben, dass ich einen langen, großflächigen, „ordentlichen“ Rückenprotektor nicht regelmäßig tragen würde, bleibe ich eben bei der kurzen Version, die ich schön in jede einzelne meiner Motorradjacken eingeklettet habe. Und hoffe halt, dass ich nie mein Steißbein verletze.

Prinzip Hoffnung halt.

Und jetzt wüsste ich gerne: Wer trägt ordentlich, auch bei kurzen Strecken, einen langen Rückenprotektor und wer macht es eher so wie ich?