Neulich am Stammtisch

Gestern habe ich eine interessante Unterhaltung mitbekommen. Zwei Bekannte haben sich über ihre jeweiligen Sommerurlaube ausgetauscht. Vor allem über die Mängel…

Frühstück nur mau, Baustelle vor dem Hotel, usw.

Und die Unterhaltung lief recht lange. Sie ging sogar wirklich lang. Über die positiven Punkte wurde irgendwie nur eine Minute gesprochen.

Und während ich zu Beginn vor allem geschmunzelt habe (immerhin: es muss ja auch was tolles gegeben haben im Urlaub), ist mir aufgefallen, dass ich eigentlich auch nicht anders bin. Auch und gerade hier im Blog.

Da werden die Probleme groß gemacht, die guten Seiten eher kurz abgehandelt. Und bei Motorrädern schon gleich zwei mal. Hast du schon mal klassische Benzingespräche belauscht? Bei irgendeinem Motorradtreffen zugehört, wie sich zwei „alte Hasen“ über Motorräder unterhalten?

Was macht eine Maschine zum Klassiker?

Das ist mir nämlich mal aufgefallen. Da können sich zwei ältere Motorradfahrer unterhalten, es geht dabei vor allem um ihre alten Maschinen. Und unterhaltenswert sind vor allem Geschichten über eher weniger gute Motorräder.

Da wird dann gefachsimpelt über die alte XT250 mit Trommelbremse, über die gute alte MZ oder auch eine Ural. Und ich ganz klar sagen, diese Maschinen bieten ja ewig lange Gesprächsstoff. Den ganzen Abend verlaufen dann die Unterhaltungen über die technischen Schwierigkeiten, Pannen, schäbige Bremsen, missratenes Fahrwerk und und und.

Die Gespräche drehen sich dann über die Panne, damals am XY-Pass, über die notwendige Wartung während der Tour auf dem Campingplatz in sonstwo, weil die Maschine sonst gar nicht mehr am nächsten Tag weiter gefahren wäre.

Meine letzte Maschine war eine V-Strom 650. Bis auf kleine Mängel hatte ich kaum technische Probleme. Das Motorrad hat mich jahrelang immer und überall hingebracht, war technisch zuverlässig und brauchte nur wenig Aufmerksamkeit. Sie fuhr sich eindeutig gut und war in jeder Hinsicht unauffällig (positiv unauffällig). Das macht dann für mich ein „gutes“ Motorrad aus.

Aber irgendwie wird über „gute“ Motorräder kaum gesprochen. Lieber diskutieren die Leute über die Mängelexemplare. Über „Klassiker“ eben.

Und das sind dann Geschichten über Motorräder mit allen möglichen Mängeln. Die Maschine muss unbedingt alt sein. Ein Schiff bekommt ja auch erst mit 30 Jahren Charakter…

Dann muss eine Maschine, die zum Klassiker werden möchte, ein ekelhaftes Fahrwerk haben. Möglichst gummiartig und geradezu gefährlich bei höheren Geschwindigkeiten, erst dann kannst du eine solche Maschine als Klassiker zur Sprache bringen.

Dann sollte ein klassisches Motorrad technisch möglichst unzuverlässig sein. Ein klassisches Butter-und-Brot Mopped, beispielsweise eine XJ600 eignet sich nicht für den Klassiker-Status. Die ist einfach zu unkompliziert.

Nur Problemmaschinen haben Kultstatus

Und nur, wenn ein Motorrad solche Probleme hat, Fahrwerk, Wartung und sonstige Problemchen, kannst du davon ausgehen, dass in „Benzingesprächen“ die Maschine eine Erwähnung findet. Ist doch so.

Und das Problem daran ist, dass ich das genauso mitmache. Ich kann mich gar nicht dagegen wehren. Einem Gespräch zu lauschen, bei der eben der Korsika-Trip auf der alten Klapperkiste zur Expedition mutiert ist halt definitiv interessanter, als zu hören, dass alles wie am Schnürchen geklappt hat.

Und daher gibt es nur eine Lösung: Ich muss mir wohl irgendwann auch eine alte Rübe zulegen, die ich im Rahmen von Bastelarbeiten herrichte und dann besitze, bis sie auch Kultstatus hat. Dann kann ich auch mit aller Berechtigung sagen, dass ich einen echten Klassiker fahre.