Tag 5, 1606 km

Heute machen wir nach dem Ausschlafen zunächst mal eines: Postkarten schreiben. Irgendwo stehen wir natürlich in der Pflicht, an die Daheimgebliebenen der Familie Grüße zu senden. Und auch, wenn das manchmal in Arbeit ausarten kann, setzen wir uns hin und füllen eine Hand voll Postkarten aus.

Kurz vor Mittag kommen wir dann weg. Unser Krempel ist zusammen gepackt, die Maschine beladen und wir wollen den Ratschlag der Dame von gestern befolgen: mal das Inselinnere erkunden.

Also erst mal an der Ostküste von Sardinien entlang nach Norden, bis die größten Touristenhorden hinter uns liegen. Danach ein wenig die Augen offen halten für die Suche nach einem Postamt. Das ist nämlich hier so eine Sache. Briefmarken bekomme ich zwar angeblich in jedem Tabak-Shop, aber irgendwie wissen die das wohl selbst nicht. Bei den zwei Läden, wo ich nachgefragt habe, gab es leider keine. Ich solle mich an die Post wenden. Ist ja auch nicht schlecht. Ein Postamt gibt es praktisch in jedem Nest. Und kurz vor zwölf am Mittag finde ich dann tatsächlich eines. Nur dass es dann schon zu hat. Sind zwar noch Mitarbeiter hinter dem Schalter, die sehen mich auch durch Fenster und winken zurück, der Laden hat aber um 11.45 Uhr bereits geschlossen. Pech für mich, die Öffnungszeiten werden hier recht flexibel ausgelegt. Und Dann gibt es hier Mittagsruhe bis halb fünf.

Wie Italien funktioniert, wissen wahrscheinlich nicht mal die Italiener.

Wir drehen auf jeden Fall gefrustet (und immer noch mit Postkarten im Tankrucksack) in Richtung Inselinneres ab.

Schotterpiste

Im Inneren der Insel gibt es immer wieder unbefestigte Passagen. Und das Navi auf „kürzester Weg“ nutzt diese.

Hier in der mittleren bis südlichen Inselhälfte sind meiner Meinung nach die besten aller Straßen zu finden. Und da ist es eigentlich egal, wohin ich mich wende. Praktisch jede Straße ist ein Hochgenuss. Wobei ich auch hier wieder feststellen muss, dass es teilweise richtig eklig heiß und ohne jeglichen Schatten schon recht anstrengend ist.

Den Nachmittag durch finden wir nicht mal mehr eine angenehme Möglichkeit zur Rast, in den paar Dörfern, in denen wir durchkommen, sehen mir die örtlichen Bars doch nicht unbedingt gemütlich aus. Wir beschließen also, durchzuziehen. Unser Ziel ist nämlich ein Campingplatz im Landesinneren, in Tornatu.

Als wir gegen 17.30 Uhr dort ankommen und tatsächlich dann den dortigen Campingplatz finden, bin ich ein wenig enttäuscht. Alles dicht. Ein Schild am Eingang verkündet, dass die Rezeption erst gegen 18.00 Uhr wieder besetzt ist.

Macht aber nichts. Ich mache es mir am Eingang gemütlich und, ganz nach bewährter Einteilung, erkundet Junior den Platz. Den, wie mir auffällt, doch sehr stillen Platz.

Das findet auch der Kleine, der nach einigen Minuten mit recht betretenem Gesicht mit den Ergebnissen seiner Erkundung wieder zurück kehrt. Er druckst herum und lässt schließlich heraus, dass er hier nicht bleiben möchte. Alles eklig hier. Die Toiletten des Platzes geschlossen (man möge doch in der nächsten Gaststätte gehen), der Platz selbst nahezu ausgestorben und alles andere als attraktiv. Er möchte irgendwo anders hin. Und da ich ihm da auch vollständig vertraue, denken wir über Alternativen nach.

Also kurz nachgeforscht und siehe da… hier in der Nähe gibt es sogar eine Jugendherberge. Kurz antelefoniert und… alles belegt, sorry.

Wieder die Landkarte herausholen. Jetzt rächt sich, dass unser Navi eine Macke hat. Ich hatte nämlich sämtliche Campingplätze drauf gezogen. Nun muss ich von Hand suchen. Und das ist gar nicht so einfach.

Die nächsten Campingplätze liegen an der Küste. Und wir sind mitten auf der Insel. Kurz mit Junior beratschlagt, er möchte auf die Ostseite der Insel. Dabei scheint es ihm egal zu sein, dass ich bemerke, wie lange wir wohl noch unterwegs sein werden. Mir ist es egal, Junior möchte vor allem weg, beide Richtungen dauern gleich lang, also brummeln wir schließlich los.

Zumindest habe ich das vor. Leider ist der Tank ziemlich leer. So leer, dass ich erst mal zur nächsten Tanke muss. Wenigstens gibt es hier im Ort eine Tankstelle. Und zwar eine typisch italienische. Nämlich zwei Zapfsäulen und ein Automat. Auf keinen Fall Personal.

Kurz gecheckt… keine meiner Karten wird akzeptiert. Und ich stelle fest, dass ich nur noch große Scheine habe. Die würden zwar funktionieren, aber mit einem 50er zu bezahlen, um dann 12 Liter Sprit zu fassen, das ist dann doch etwas dekadent. Also muss ich meinen eigenen Sohn anpumpen. Er hat noch einen Zehner. Also den Automaten gefüttert. Und gleich noch ein tolles Erlebnis. Während ich den Tankdeckel auffummle und die Zapfpistole reinstecke, piept das Gerät, der Zehner ist weg, eine Quittung kommt raus und… nichts. Kein Sprit. Hat zu lange gedauert. Auf der Quittung noch der Hinweis, dass ich, wenn ich diese an Tamoil schicke, den Betrag zurückerstattet bekomme. Aha. Klar. Was auch sonst.

Wir sitzen am Arsch der Welt, kein passendes Geld für die Tanke, Sprit leer und meine Karten sind hier nicht erwünscht. Ach ja, und der Automat hat unseren letzten Zehner gefressen. Klasse Situation. Ich werde ja auch immer ruhiger, je länger es geht… Campingplatz Mist, Jugendherberge voll, Tanke Mist, Geld weg… da werde ich ja jedes Mal ausgeglichener und fühle mich immer besser…

Die „Rettung“ kommt jedoch ganz unverhofft. Ein älteres Ehepaar in einem gammeligen Fiat Panda kommt her. Auch ohne viele Worte verstehen sie meine Sorgen, als sie die dämliche Quittung noch in meiner Hand sehen. Ich werde kurz auf Italienisch beschwatzt, dann schnappt sich die etwa hundert Jahre alte Dame die Quittung und steigt wieder in ihren Panda und braust davon (ja, braust), ich Mann bleibt zurück und raucht gemütlich mit mir eine Zigarette und bedeutet mir, kurz zu warten. Mache ich, komme eh nicht viel weiter weg.

Nach fünf Minuten kommt die ältere Dame wieder her gebraust mit ihrem klapprigen Fiat (ich gehe davon aus, der explodiert jeden Moment), drückt mir einen Zehner in die Hand und bedeutet mir in einem Gemisch aus Deutsch, Englisch und Italienisch, sie werde einfach morgen die Rechnung mit dem Tankstellenbesitzer regulieren.

Ich bin so dankbar, ich könnte ihr glatt um den Hals fallen.

Es kann weiter gehen. Junior ist auch wieder guter Dinge. Er hatte wohl Angst, dass wir doch zu diesem schäbigen Campingplatz im Ort zurückkehren müssen. Ich ehrlich gesagt auch.

Wir flitzen wieder Richtung Küste. Ein Glück, dass Sardinien jetzt nicht allzu groß ist. In etwa anderthalb Stunden schaffen wir es bis zur Ortschaft Orosai. Dort halten wir erst mal Kriegsrat und breiten unsere Landkarte aus. Der Kleine ist der Meinung, die halbe Stunde zum nächsten Campingplatz schaffen wir auch noch so. Ich für meinen Teil habe inzwischen jedoch die Schnauze voll.

Also überstimme ich ihn mit meiner Mehrheit von X+1 Stimme.

Wir suchen in der Ortschaft nach einem Hotel. Und hier haben wir endlich mal Glück. Orosai ist eine Touristenstadt. Daher gibt es auch jede Menge Hotelanlagen. Wir entscheiden uns für das Hotel S‘Ortale, ziemlich mitten in der Stadt. Die Dame an der Rezeption erkennt sofort, dass wir einfach nur eine Dusche und ein Bett brauchen, weist uns fix ein Zimmer zu mit dem Hinweis, die Küche habe noch zwei Stunden geöffnet.

Die Zimmer sind sauber und ordentlich, das Bad sauber, die Klimaanlage zwar eine Antiquität, funktioniert aber.

Endlich mal wieder eine normale Dusche, ein richtiges Bad, das, was ich halt auf dem Campingplatz vermisse.

Die Gelegenheit wird dann auch gleich genutzt, unter der Dusche mit einem Stückchen Seife unsere Wäsche notdürftig zu waschen… die geht uns nämlich so langsam aus. Klingt zwar ein wenig improvisiert (ist es auch), aber die einfachste Möglichkeit, Wäsche von Hand zu waschen.

Anschließend noch ein ordentliches Abendessen im Restaurant (sehr lecker), dann taumelt Junior totmüde in Richtung Bett, während ich noch ein bis zwei Biere lang auf der Terrasse den Sommerabend genieße.

Tag 6, 1870 km

Die Nacht im Hotel in einem richtigen Bett hat erstaunlich gut getan. Ich merke, ich bin nicht mehr der jüngste. Ein ordentliches Bett wirkt Wunder. Und dann gleich morgens nochmal ausgiebig duschen, ist halt schon besser als auf dem Campingplatz. Und so sind wir guter Dinge, als wir am nächsten Morgen nach einem ordentlichen Frühstück die Pläne für den Tag machen.

Junior möchte nun mal etwas anderes sehen. Er entscheidet, heute eine Grotte zu besichtigen. Und zwar eine ganz bestimmte. Wir müssen wieder zurück an die Westküste Sardiniens. Er will die „Grotta di Nettuna“ anschauen. Ist wohl, was den Tourismus angeht, die berühmteste und am besten erschlossene. Mir passt das. Eine Runde fahren und dann am frühen Nachmittag was besichtigen? Passt perfekt.

Nochmals also quer durch die Insel. Diesmal auf einer anderen Route, als am Vortag. Und siehe da, es klappt perfekt. Auch hier wieder beste Straßenführung, maßgeschneidert für Motorradfahrer. Das einzige, was den Spaß ein wenig trübt, ist die Tatsache, dass der Hauptständer meiner BMW halt immer so früh aufsetzt. Da kommt nur wenig Kurvenfeeling auf.

Brunnen

Endlich mal ein schattiges Plätzchen mit frischem Wasser

Auf jeden Fall genießen wir den Vormittag, arbeiten uns immer weiter auf die andere Seite der Insel vor. Inzwischen ist das Thermometer schon weit über 30° gestiegen, richtig eklig teilweise. Immerhin finden wir heute genau zum passenden Zeitpunkt eine klasse Rastmöglichkeit, ein schattiges Plätzchen an einem sauberen Brunnen. Und das ist auch nötig, unsere Wasserflasche ist bereits nach zwei Stunden leer.

Gegen 15.30 Uhr kommen wir schließlich in die Nähe der besagten Grotte. Und das merken wir auch gleich. Und zwar an den Touristenströmen. Wir rollen langsam eingepfercht in einer Blechlawine dahin und sind froh, als wir endlich am passenden Fleckchen ankommen. Hier gibt es eine Treppe, die bin hinunter zur „Grotta di Nettuno“ führt. Nur leider… die Treppe ist gesperrt. Wäre auch zu schön gewesen. Die Aussicht von hier oben ist grandios, die Landschaft echt toll. Aber in die Grotte kommen wir nicht rein.

Die Treppe zur Grotta di Nettuno ist gesperrt, die Aussicht von oben aber immer noch klasse

Kurz mit Junior beraten, er stellt fest, dass man auch per Boot rein fahren kann. Einen Versuch ists wert. Tatsächlich stellen wir fest, dass alle anderthalb Stunden ein Boot mit Touristen in die Grotte fährt. Blöd nur, dass gerade eines abgelegt hat.

Wir sind uns auch ohne Worte einig. So lange wollen wir nicht warten. Der Kleine bestimmt: er will zu einem Campingplatz. Also nach einem Blick auf die Karte festgelegt: wir wollen nochmals zum Platz „Laguna Blu“, wo wir auch am ersten Tag genächtigt haben.

Mir ist es egal, hauptsache raus aus der Hitze und den Motorradklamotten. Und auf jeden Fall ist es nur eine halbe Stunde bis dorthin.

Unterwegs noch an einem kleinen Laden angehalten, Nahrungsmittel erlegt. Wir gönnen uns für den Abend diesmal Meeresfrüchte.