Mittelmeerküste

Motorradtour Mai 2017

Kennst du das? Viel zu viel gearbeitet, ständig am wursteln, dauernd unter Strom, wenig freie Tage. So ging es mir die letzten paar Wochen. Und ich konnte irgendwie nichts dagegen tun. Kaum noch Zeit zum Ausspannen und Abschalten, immer die nächste Erledigung noch im Hinterkopf.

Und in dieser Situation hatten sowohl mein Chef, als auch meine Frau ein Einsehen. Beiden habe ich ein verlängertes freies Wochenende „abgeschwatzt“, einfach mal wieder zum richtig Batterien auffüllen. Und dieses Wochenende wollte ich nutzen, um einfach mal ein wenig mit dem Motorrad wegzufahren.

Nachdem aber dieses Wochenende doch eher Regenwetter angesagt war, konnte ich mir die Wahl meines Tourenziels doch recht einfach machen. Die Motorradtour sollte einfach dorthin gehen, wo kein Regen angesagt war.

Viel Vorbereitung war sowieso nicht zu erledigen, die Motorradkoffer sind meist recht vollständig gepackt, nur die jeweiligen Klamotten zum „Verbrauch“ müssen noch rein.

Tag 1 (Freitag), 0 km

Ich stehe morgens in aller Herrgottsfrühe auf, nach dem Duschen gibts erst mal mit meiner Frau noch ein ordentliches Frühstück. Und hier stellt sie mir gleich die erste Frage, die mich auch schon beschäftigt. Wo es denn nun hingeht.

Nicht ganz so einfach, immerhin kann ich das ja selbst noch nicht so genau sagen. Es soll warm und trocken werden. Also noch kurz das Handy raus, Wetter-App befragt. Im Norden nass und kalt. Im Osten nass. Im Westen nass. Bleibt nur der Süden. War aber irgendwie klar. An der Adriaküste ein wenig wärmer, aber unbeständig, im südlichen Frankreich sogar eher sonnig.

Das Ziel steht somit fest. Ich brause für das Wochenende an die Mittelmeerküste.

Feldweg

Das Navi ist wirklich komromisslos. Kürzester Weg ist wirklich der direkte Weg. Auch durch Feldwege und Pisten.

Noch kurz ein paar Landkarten eingepackt, die BMW fertig gemacht und dann… diesmal mache ich es mir einfach: dem Navi das Ziel angegeben, die Option „kürzester Weg“ ausgewählt und dann einfach mal auf „Start“ gedrückt.

Ich wollte ja sowieso mal das Navi im Dauereinsatz testen, ebenso wie das neue Zelt und einige andere Kleinigkeiten. Beste Gelegenheit also.

Das Wetter spielt auch ganz gut mit, kühl und grau zwar, aber immerhin trocken.

Da ich ja auf jeden Fall nach Süden muss und ich gleich nach dem Losfahren ein paar Kilometer gutmachen möchte, halte ich mich zunächst auf der BAB 5 nach Süden, zumindest die ersten 50 km. Dann geht es erst mal bei Neuenburg über den Rhein. Hier führt mich das Navi gleich mal in ziemlich direkter Südwest-Richtung über wirklich winzige Straßen. Schon mal nicht schlecht.

Na ja. So denke ich zumindest, bis ich mich immer öfter in wirklich winzigen Sträßchen in Wohngebieten wiederfinde. Und noch mehr wundere ich mich, als ich außerorts dann immer öfter kleinere Feldwege nutze. Teilweise solche, die wirklich nur noch mit viel gutem Willen als Feldweg erkennbar sind. Aber immerhin geht es vorwärts. Das ist schon mal nicht schlecht.

Wenig Verkehr herrscht auch noch, kaum was los. Es wäre sowieso wenig los, auf den Straßen, wo ich mich gerade herumdrücke, aber immerhin, ich stehe nicht ein mal im dichten Verkehr. Und dies, obwohl noch Wochentag ist.

Im Laufe des Mittags brummle ich durch das französische Jura (feine Gegend, wie im Schwarzwald, nur mit „französischer“ Straßenführung), als mich das Navi mal wieder auf einen wirklich schäbigen Feldweg führt. Total ausgefahrene Treckerspuren, in denen teilweise noch das Wasser steht und nichts um mich herum außer Wald und Felder. Egal, immerhin schon der erste Hauch von „Abenteuer“.

Und auf einmal, mitten in der Prairie, komme ich an einem Hinweisschild vorbei, das mitteilt, dass ich jetzt gerade die Grenze zur Schweizer Eidgenossenschaft überquert habe. Ich befinde mich auf einmal im Kanton Jura. Interessant, wie eine EU-Außengrenze hier so aussieht…

Na ja. Inzwischen, es ist jetzt schon Mittag durch, stelle ich jedoch fest, dass ich gar nicht wirklich so gut vorangekommen bin. Bis ans Mittelmeer sind es fast 700 km, ich habe nicht mal 250 davon geschafft. Und auch wenn ich jetzt nicht unbedingt gleich und sofort am heutigen Tage anzukommen wünsche, will ich doch noch ein wenig näher kommen.

Also das Navi wieder ein wenig umgestellt. Aus „kürzester Weg“ wird „schnellster Weg“. Großer Unterschied. Ich komme auf einmal recht gut voran. Große Nachteile sehe ich an der Sache auch noch noch nicht, es bleiben immer noch genug interessante Straßen für mich übrig.

Inzwischen ist Mittag durch. Am Freitagnachmittag im Mai sollte man doch ein paar Motorradfahrer sehen, oder? Immerhin regnet es nicht. Zwar noch kein perfekter Sommertag, aber immerhin ist eigentlich ordentliches Wetter. Und das französische Jura doch eine tolle Motorradgegend. Aber Fehlanzeige. Irgendwie kommt mir kein einziger Motorradfahrer entgegen. Egal.

Da ich inzwischen wieder recht gut voran komme, ich habe gerade die Grenze zum Departement Drome überschritten, gönne ich mir die Überlegung, wie weit ich denn noch fahren möchte. Ich beschließe, mir gegen halb fünf, einen netten Campingplatz zu suchen.

Gartenwirtschaft

Auf dem Campingplatz Le Chateau ist quasi gar nichts los. Ich bin der einzige in der Gartenwirtschaft.

Passt dann auch. Als ich gegen 16.30 Uhr dann in der schönen Ortschaft „Hauterives“ einrolle, finde ich gleich auf Anhieb den dortigen Campingplatz Le Chateau. Ordentlicher Campingplatz, ich werde freundlich empfangen und kann mir mein Plätzchen aussuchen. Mache ich auch. Supermarkt ist in der Nähe, der Platz sauber aber nur wenig besucht, höchstens 20 Wohnmobile, kein einziges Zelt und schon gar kein Motorradfahrer. Die Leute bestaunen mich, als ich durchrolle. Ein Supermarkt ist auch in der Nähe, so kann ich gleich meinen Tagesbedarf an Kalorien für heute decken.

Die Tagesetappe beschließe ich mit einer Portion Dosenravioli, einigen Pils und mit einem zufriedenen Gefühl, heute 580 km näher an den Strand gerückt zu sein.

Tag 2 (Samstag), 580 km

Ich erwache vom Geräusch des Regens auf dem Zelt. Kein schönes Erwachen, gebe ich zu. Auf den zweiten Blick stellt sich dann heraus: Eigentlich gar kein richtiger Regen, eher ein schwaches Tröpfeln. Damit kann ich leben. Ist zwar lästig, wird aber bald aufhören.

Ich begebe mich zunächst mal zum Duschen, stelle dabei fest, dass der Campingplatz zwar warmes Wasser hat, aber eben kein heißes Wasser. Ist tatsächlich ein großer Unterschied, wenn du in dem unbeheizten Sanitärblock stehst.

Na egal. Ich gönne mir ein kleines Frühstück, lecker Kaffee vom Kocher und Brioche, das ich am Vortag noch im Supermarkt gekauft habe. Der Regen hört ja bestimmt bald auf, ich hocke mich derweil unter das Vordach des Sanitärgebäudes und warte, so schnell ich kann.

Der Regen hört nicht auf. Im Gegenteil. Obwohl er eigentlich aufhören sollte (immerhin verlange ich dies), wird er immer stärker. Irgendwann fallen richtige Bindfäden herunter. Ein mitleidiger Mitcamper verrät mir, dass es wohl den ganzen Tag so bleiben wird. Na klasse.

So bleibt mir irgendwann nichts anderes mehr übrig, als meine mobile Behausung bei Regen abzubauen.

Es ist ja so, dass ich ein neues Zelt habe. Das ist recht gut aufzubauen, steht stabil und ist absolut dicht. Nur bei Regen abbauen, das geht nicht wirklich gut. Sobald das Außenzelt runter ist, regnet es halt direkt auf das Innenzelt. Und da ich halt noch nicht so geübt bin mit dem neuen Zelt, dauert es halt noch eine Weile, bis ich alles ordentlich zusammengelegt und verpackt habe. Die Zeit reicht locker, um alles schön zu durchnässen.

Aber irgendwann, gegen 10.00 Uhr ist es dann so weit. Eine letzte Zigarette, dann breche ich auf. Immer noch bei Starkregen. Ich will ja immerhin noch an das Mittelmeer kommen. Sind ja nur noch 200 km. Sollte zu schaffen sein.

Das Navi ist immer noch auf den schnellsten Weg eingestellt, so brummle ich dann bei strömendem Regen das Rhonetal entlang. Meiner Meinung nach nicht unbedingt eine tolle Motorradgegend, einfach zu dicht besiedelt. Aber immerhin sind links und rechts vielversprechende Seitentäler, die lasse ich aber bei dem Wetter heute lieber aus. Mir ist nämlich bewusst geworden, dass ich für Starkregen nicht ausreichend gerüstet bin. Die Handschuhe sind aus Leder, ohne irgendwelche wasserdichte Einlage, die Textiljacke nach diversen Bodenkontakten eben auch schon nicht mehr dicht und mein Halstuch saugt sich auch wie ein Docht voll und leitet das Wasser weiter in den Nacken meines Shirts. Es kotzt mich grad an.

Dazu wird es auch nicht wirklich warm. Bei lockeren 12° C brummle ich mit nur mäßiger Geschwindigkeit durch die Landschaft. Es geht auch nicht voran.

Pause am Straßenrand mit der BMW

Kurze Pause, Schutz vor dem Dauerregen

Irgendwann nach den ersten hundert Kilometern habe ich die Schnauze voll. Rechts ran an eine aufgegebene Tankstelle. Immerhin regnet es hier unter dem Dach nicht. Aber wirklich gemütlich ist es noch nicht.

Kurze Meditation über meine Möglichkeiten. Der Regen peitscht immer noch unablässig herunter, ich begegne dem Wetter mit der besten Idee, die ich haben kann. Einfach mal einen Kaffee kochen und warten. Nass bin ich eh schon, ob ich jetzt im Regen weiter rolle oder einfach zuwarte, ist ja auch egal. Meine Optionen sind eh recht beschränkt. Irgendwo einen Campingplatz suchen ist eher Mist, bei dem Wetter wird das Zelt und der Schlafsack nicht trocken. Eine Pension suchen? Möglich, aber dann bin ich ja immer noch nicht am Meer. Also steht nach der zweiten Tasse Kaffee mein Entschluss fest. Ich kämpfe mich weiter durch den Regen. Kalt ist mir eh schon und nasser kann ich nicht mehr werden.

Also geht es weiter im Rhonetal. Vorbei an einem wunderschönen AKW und durch alte Städtchen schiebe ich mich immer weiter bergab. Und irgendwann bin ich bei Arles.

Und der Regen hört auf. Einfach so. Gerade noch kalt und nass, jetzt nur noch kalt. Kein Regen mehr. Und von Arles geht es dann gleich weiter, erfüllt von neuer Zuversicht. Ich rolle weiter Richtung Süden in die Carmague. Jetzt ist es nicht mehr weit. Mein Ziel ist Saintes-Maries-de-la-Mer. Und es ist nun echt nicht mehr weit entfernt.

Noch 30 km, einfach nur geradeaus, keine tolle Motorradstrecke, aber für mich eine wahre Wohltat. Denn immerhin scheint jetzt sogar die Sonne und die Temperaturen steigen auf angenehme 20°. Ein Traum.

Hafen von Saintes Maries de la Mer

Der Hafen von Saintes Maries de la Mer. Man beachte: inzwischen herrscht Sonnenschein.

Durch das Marschland hindurch, in die Ortschaft rein, dann immer weiter bis zum Campingplatz Clos-du-Rhone. Ein toller Platz mit eigenem Zugang zum Strand. Ich lasse mir ein ruhiges Plätzchen anweisen, decke mich im Kiosk mit Nahrungsmitteln (vor allem Bier) ein und gönne mir einen ruhigen Abend. Und, oh Wunder, meine Sachen sind auch innerhalb kürzester Zeit getrocknet. Mein Feierabendbier nehme ich, endlich zufrieden, am Strand ein.

Stechmücke im Zelt

Das eigentliche Wappentier der Carmague: die Schnake

In der Nacht lerne ich auch mal wieder eine Lektion. Was glaubst du denn, für welches Tier die Carmague bekannt ist? Der Laie behauptet jetzt natürlich, die Region sei für ihre weißen Pferde bekannt. Wir wissen es besser, oder? Das bekannteste Tier der Region ist die Stechmücke. Sobald der Wind abflaut, kommen sie aus ihren Löchern gekrochen, auf der Suche nach meinem Blut.

Motorradfahrer habe ich übrigen keinen einzigen gesehen heute…