Ist das Aberglaube?

Winter stinkt. Das habe ich schon mehrfach erwähnt und ich werde auch nicht müde, dies immer zu wiederholen. Nicht nur, dass ich mir den Allerwertesten und die Finger abfriere, auch das Helmvisier ist ständig beschlagen. Jedenfalls bei den meisten von uns. Zwar nicht bei mir (dazu später mehr), sondern auch bei meinem Sohn, der hinter mir auf dem Motorrad sitzt.

Grund genug für mich, ein wenig schadenfroh zu lachen (immerhin ist Schadenfreude die ehrlichste Art der Freude) und mit meinem Junior ein kleines Experiment zu machen. Der ist nämlich von solchen Dingen ganz begeistert.

Der Plan ist ganz einfach: Was muss er tun, dass sein Helmvisier nicht mehr beschlägt? Natürlich gibt es jede Menge Hausmittel. Das Problem ist nur, die meisten helfen eh nichts. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Macht aber nichts. Wir haben heute Nachmittag genug Zeit, um bei der einen oder anderen Runde um den Block ein wenig herumzuprobieren.

Wieso beschlagen Helmvisiere?

Zunächst zur Theorie. Ist recht einfach. Je wärmer Luft ist, desto mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen. Atme ich nun in meinen Motorradhelm aus, hat die Luft, die ich ausatme vielleicht 30° C, also fast Körpertemperatur. Und, da sie aus dem Körper kommt, enthält sie auch ein wenig Wasserdampf. Die Außenluft hat aber (zumindest bei mir heute Nachmittag) eine Temperatur von lausigen 0°C. Und Mein Helmvisier hat damit auch diese Temperatur. Trifft nun die von mir ausgeatmete, warme und feuchte Atemluft als erstes auf das Helmvisier, kühlt sich die Luft ab, kann dadurch weniger Feuchtigkeit halten. Die Feuchtigkeit muss aber irgendwo hin und schlägt sich als Nebel auf dem Helmvisier nieder. Voilà, das Helmvisier beschlägt.

Es ist also das Ziel, zu verhindern, dass das Helmvisier zunebelt, die Feuchtigkeit soll sich, wenn sie schon da dran kommt, in Form von kleinen Tröpfchen ihren Weg nach unten suchen. Und dafür gibt es angeblich mehrere Möglichkeiten, die alle irgendwie funktionieren (sollen). Das will ich zusammen mit Junior prüfen.

Wie checken wir?

Natürlich nur nach höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen. Oder so. Na ja, immerhin nehmen wir uns einfach ein wenig Zeit, die verschiedenen Ideen zu testen. Unsere „Versuchsanordnung“ besteht aus dem Helm meines Sohnes, einem fünf Jahre alten „AGV“-Helm mit einem klaren, kratzfesten Visier.

Der Helm ist immer noch mit dem ersten Helmvisier ausgerüstet. Und ich gebe zu, dieses ist auch schon recht verkratzt. Aber immerhin kann man (unter guten Bedingungen) noch einigermaßen gut durchschauen. Also eigentlich die beste Gelegenheit, ein wenig herumzuprobieren.

Jede Menge anderer Motorradfahrer haben schon herumprobiert. Im Netz kursieren gefühlte Millionen von Ratschlägen, die irgendwie funktionieren (angeblich). Ich habe einige herausgesucht. Und dann prüfen wir mal, was so gegen beschlagene Helmvisiere empfohlen wird.

Referenz: Das Pinlock-Visier

Ich selbst nutze seit drei Jahren meinen Nolan-Helm mit Pinlock-Visier. Es handelt sich dabei um eine Art zusätzliche Kunststoffscheibe, welche von innen auf das Helmvisier geclipt wird. Durch diese Doppelscheibe wird ein Beschlagen absolut sicher verhindert. Es handelt sich hierbei um das Nonplusultra. Funktioniert perfekt, dauerhaft und sicher.

Nachteil: Du brauchst einen passenden Helm bzw. Helmvisier.

Die verschiedenen Methoden

Seife oder Spülmittel

Diesen Ratschlag habe ich bisher am häufigsten gelesen. Einfach das Helmvisier von innen mit einem Lappen mit Spülmittel einreiben, das soll zeitweilig für weniger Beschlag sorgen.

Nun, ich habe mir erspart, das nochmals heute Mittag mit meinem Junior auszutesten. Es funktioniert nämlich. Zumindest ein wenig. Von innen den Motorradhelm bzw. vor allem das Helmvisier mit Spüli ausreiben, sorgt zumindest für ein bis zwei Stunden für ein wenig Besserung. Angeblich wird dadurch die Oberflächenspannung des Wassers zerstört, so dass es dann abperlt. Ob diese Erklärung stimmt, vermag ich nicht zu beurteilen (vielleicht weiß ein Physiker da Bescheid? Ich harre auf eine Erklärung.), aber immerhin verbessert es deine Sicht ein wenig. Wenn auch nur kurze Zeit.

Positiver Nebeneffekt: Zumindest ist das Helmvisier von innen dann ordentlich gesäubert…

Schnaps bzw. Alkohol

Alkohol ist keine Lösung. Kein Alkohol ist aber auch keine Lösung. Oder?

Das konnte ich recht leicht checken. Einfach ein wenig Schnaps auf einen Lappen, Helmvisier von innen ausreiben und… nix. Ich konnte keinerlei Verbesserung ausmachen. Klar, das Helmvisier wird (noch mehr) sauber, aber das Beschlagen wird nicht verhindert. Habe ich etwas falsch gemacht? Keine Ahnung, aber viel kann ja eigentlich nicht schief gehen.

Ergebnis: das Visier des Motorradhelms von innen mit Alkohol ausreiben, bringt gar keinen Nutzen in Sachen Antibeschlag.

Nebeneffekt: Der Helm riecht beim Tragen etwas merkwürdig, aber immerhin ist das Helmvisier dann schlierenfrei sauber…

Spucke

Ja, ein alter Trick, den schon Profitaucher eifrig verbreitet haben, besteht darin, einfach von innen auf das Helmvisier zu spucken und dann die Spucke zu verreiben.

Angeblich sollen die im Speichel enthaltenen Enzyme einen ähnlichen Effekt aufweisen, wie das Spülmittel, sich nämlich auch auf die Oberflächenspannung des Wassers auswirken. Ich kann mich aber immer noch nicht überwinden, in meinem Motorradhelm zu spucken. Finde ich unhygienisch und eklig. So bin ich nun mal.

Mein Junior hat da weniger Schmerzen. Er spuck kurz in seinen Helm, reibt schnell hin und her und dann versuchen wir uns an einer Probefahrt. Das Ergebnis ist eher ernüchternd. Wir sitzen auf, richten uns kurz und fahren mit dem Motorrad buchstäblich zwei mal um die Ecke, dann ist schon der erste Anflug von Nebel auf dem Helmvisier. Fünf Minuten später ist es auch nicht besser geworden.

Also ich machen wir uns recht schnell auf den Heimweg und stellen fest, dass das Spucken in den Helm nur mäßige bis gar keine Verbesserungen bringt.

Halbe Kartoffel / halber Apfel

Das habe ich auch schon gelesen. Eine Kartoffel (wahlweise einen Apfel) halbieren und mit der aufgeschnittenen Fläche, das Helmvisier von innen abreiben. Dies soll gegen ein Beschlagen helfen. Hört sich irgendwie widerlich an. Wir versuchen es trotzdem. Ich klaue aus dem Vorratsraum bei uns eine Kartoffel und einen Apfel und machen beides in einem Durchgang. Die Hälfte des Helmvisiers schmieren wir mit Kartoffeldreck ein, die andere Hälfte mit Apfelschnitzen.

Auf jeden Fall ergibt das eine interessante Geruchsmischung. Na ja, vor allem eine eklige Geruchsmischung. Und ein interessantes Ergebnis: ja, das Beschlagen wird effektiv verhindert. Auf jeden Fall kann keiner von uns „Nebel“ auf dem Helmvisier erkennen. Das liegt aber daran, dass sowieso alles eklig zu gekleistert ist von Stärke (aus den Kartoffeln) und Schmiere (vom Apfel). Eine klare Sicht ist aus dem Helm heraus so definitiv nicht möglich.

Ich würde sagen, wer diesen Ratschlag veröffentlicht hat, klopft sich vor Lachen jedes mal auf die Schenkel, wenn er mitbekommt, dass jemand das ausprobiert.

Glycerin

Nun, hier mussten wir leider passen. Glycerin habe ich schlichtweg (in reiner Form) im Haushalt nicht. Und extra in die Apotheke fahren um ein Döschen zu kaufen, war mir jetzt auch zu blöd. Andererseits handelt es sich bei Glycerin um einen Inhaltsstoff für Feuchtigkeitscremes, für Lederpflegeprodukte und alle möglichen anderen Haushaltsmittelchen. Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass es etwas bringt, dick Creme von innen auf mein Helmvisier zu kleistern. Auch wenn vielleicht tatsächlich ein Beschlagen verhindert wird, dürfte die Sicht durch das Auftragen von Feuchtigkeitscreme auf das Helmvisier ein wenig eingeschränkt sein.

Fazit: Zwar nicht persönlich ausprobiert, klingt aber eher unrealistisch.

Antibeschlagspray

Das wiederum können wir recht gut austesten. Ich habe noch ein kleines Sprühfläschchen von „Sonax“, habe ich schon in der Vergangenheit ausgetestet und auch jetzt, nach einigen Jahren Lagerung, schafft dieses Antibeschlagspray ein wenig Abhilfe.

Nicht falsch verstehen, das Zeug ist kein Allheilmittel. Das Helmvisier beschlägt immer noch ein wenig. Aber immerhin ist die „Nebelneigung“ ein wenig verringert. Der Effekt hält sich ein bis zwei Stunden, dann verläuft sich das alles.

Also ist Antibeschlagspray nur eine halbe Lösung, besser als gar nichts. Da aber so eine kleine Flasche nur ein paar Kröten kostet, habe ich die Anschaffung bislang nicht gereut.

Antibeschlagbeschichtung

Da kann ich mit Junior nicht mal so ohne Weiteres checken. Brauche ich auch nicht. Bei dem Helm meiner Frau ist ein Helmvisier mit Antibeschlagbeschichtung montiert. Das Helmvisier soll über eine spezielle Versiegelung verfügen, die verhindert, dass alles „zunebelt“.

Mag sein, dass sich da im Laufe der Zeit noch was tut, aber ich bin der Meinung, diese spezielle Beschichtung ist nur mäßig nützlich. Als meine Frau ihren Helm neu hatte, hat das noch einigermaßen geklappt, inzwischen ist entweder die Beschichtung verflogen, oder sie funktioniert einfach nicht mehr. Auf jeden Fall beschlägt das Helmvisier.

Vielleicht haben wir aber auch einfach nur das Montagsmodell erwischt.

Fazit: Mag bei anderen klappen, ich habe aber noch keine dauerhafte bedeutende Wirkung erkennen können.

WD40

Ja, dieses Wundermittel soll auch gegen Beschlagen helfen. Jeder hat so eine Dose in der Garage stehen, was läge also näher, auch mal dieses Öl auf das Helmvisier zu sprühen.

Um es kurz zu machen: die Wirkung ist nahe Null. Zunächst stinkt es ziemlich eklig. Dann machst du eine kleine Probefahrt und stellst fest, dass es tatsächlich wirkt. Und du bist begeistert. Dann bist du irgendwann mal eine halbe Stunde unterwegs und dein Helmvisier beschlägt wieder. Die Wirkung ist dann einfach verflogen. Wahrscheinlich sobald die letzten Reste des Öls verdunstet sind.

Fazit: nicht zu empfehlen.

Nanoversiegelung

Habe ich auch schon gesehen. Soll ganz toll gegen Beschlagen, Regen und Schmutz helfen. Habe ich aber noch nicht selbst ausgetestet. Ein solches Set kostet bescheidene 25 Euronen. Das Zeug soll angeblich einmal aufgetragen bis zu einem Jahr auf dem Helmvisier haften bleiben und dafür sorgen, dass sich auf dem Visier nichts, aber auch gar nichts mehr festsetzen kann. Insekten lassen sich mit einem feuchten Tuch abwischen, Regen perlt einfach ab und „Nebel“ entsteht gar nicht erst.

Angeblich.

Nun finde ich aber bislang nirgends die vielen Berichte zufriedener Kunden. Und für den Preis muss ja dann schon einiges geboten sein. Einschließlich Versand komme ich auf knapp 30 €, für dieses Geld bekommst du schon ein Pinlock-Visier.

Folie zum Einkleben

Wieder etwas, dass ich nicht selbst getestet habe. Die Idee ist bestechend einfach. Die speziell beschichtete Folie einkleben, fertig. Ähnlich wie beim Bekleben einer Autoscheibe mit Tönungsfolie. Das dürfte gegen das Beschlagen vielleicht helfen. Einfach noch eine zusätzliche Schicht dazwischen, damit der warme Atem nicht direkt auf das kalte Helmvisier prallt. Dann dürfte das ein wenig besser werden.

Das Problem ist nur, dass solche Folien halt nicht besonders robust sind. Selbst wenn du sie gescheit aufgeklebt bekommst (was bei einer gekrümmten Fläche im direkten Sichtfeld schon kompliziert genug ist), hast du am Ende immer noch das Problem, dass du selbst mit deinem Fingernagel einen satten Kratzer rein drückst. Von der dauerhaften Belastung dürfte die Visierfolie dann in kürzester Zeit blind werden.

Und dann kostet der Spaß nahezu genauso viel, wie ein Pinlock-Visier.

Atemabweiser

Das wiederum kenne ich. Brauche ich mit Junior nicht extra auszuprobieren. Funktionsprinzip ist auch bestechend einfach. Du atmest aus und dein eigener Atem verursacht das Beschlagen des Helmvisiers. Also wird durch einen kleinen Kunststoffeinsatz im Kinnteil deines Helms deinen Ausatemluft nach unten vom Visier weg abgeleitet.

Der Atemabweiser funktioniert. Kann ich aus Erfahrung sagen. Ich muss aber auch zugeben, er funktioniert nicht gut genug. Wenn du glaubst, mit so einem Teil würde ein beschlagenes Helmvisier der Vergangenheit angehören, muss ich dich enttäuschen. Es verringert das Beschlagen, verhindert es aber nicht.

Das Problem ist ein technisches. Wenn du eine vollständige Funktion haben wolltest, müsste der Atemabweiser eng am Gesicht anliegen. Aber wir sind keine Jetpiloten mit Sauerstoffmaske, sondern fahren Motorrad.

Helmbelüftung / Visier offen lassen

Die einfachste Technik, einfach ein wenig das Visier offen stehen lassen und/oder die Belüftungsöffnungen am Helm aufmachen. Durch den Luftzug wird die Feuchtigkeit „mitgenommen“. Ergebnis: Das Beschlagen wird verringert.

Nachteil: Das mag zwar im Stadtverkehr beim Stop-and-Go klappen, bei der flotten Landstraßenfahrt wird es schon ein wenig schattig im Gesicht. Du frierst dir auf Dauer die Nase ab. Wer will das schon?

Fazit zu den Methoden

Das Beschlagen des Helmvisiers lässt sich (außer durch ein Pinlock-Visier) kaum vollständig verhindern. Ich habe es bei meinem Sohn praktisch nicht geschafft, dauerhaft für freie Sicht zu sorgen. Die meisten „Hausmittel“ helfen gar nicht, kaum oder nur gering. Du kommst kaum an Investitionen vorbei, sei es das passende Antibeschlagspray, ein Pinlock-Visier oder ein Atemabweiser.

Keines der Rezepte ist ein Allheilmittel, aber verschieden Kombinationen können zumindest den „Nebel“ vom Helmvisier fern halten und verringern.