Das Andenken aus dem Urlaub

Sommer 2014:

Du kennst das vielleicht. Ein schöner Urlaub mit dem Motorrad. Ich war vor zwei Jahren mit meinem Junior im schönen Frankreich unterwegs. Südfrankreich um genau zu sein. Eine wirklich tolle Urlaubstour, eine nette Woche. Und irgendwann ist dann eben der Punkt erreicht, wo du feststellst, dass du deine Motorradtour so langsam beenden musst. Zumindest ging es mir so. Also die Maschine umdrehen und uns ganz allgemein in Richtung Heimat orientieren.

Und da ich (gebe ich gerne zu) ein wenig zu geizig bin, um Autobahnmaut zu bezahlen, habe ich versucht, über Landstraßen Kilometer zu machen. Natürlich kam ich da dann auch immer wieder an diesen fest installierten „Blitzern“ vorbei, die sind ja auch noch mit Warnschildern angekündigt. Aber, wie ist es so? Na ja, ich habe noch nie wirklich bemerkt, wie ich da auch geblitzt werde. Betrifft mich also nicht.

Tja… und dann ist es dann irgendwann soweit. Im Herbst 2014 trudeln dann auf einmal Briefe aus Frankreich bei mir zu Hause ein. Per Einschreiben. Sehr ungewöhnlich für mich.

Die Briefe stellen sich schließlich als Bußgeldbescheide heraus. In (recht schäbigem Deutsch) wird mir vorgeworfen, die Geschwindigkeit überschritten zu haben. Dazu noch zwei Formulare (in französisch), für den Fall, dass ich Widerspruch einlegen möchte, sowie eine Art Zahlungsanleitung (wo kann man den Bußgeldbescheid bezahlen).

Ich bin zu diesem Zeitpunkt echt ein wenig erstaunt, ist es doch für mich das erste Mal, dass ich einen Bußgeldbescheid aus dem benachbarten Ausland erhalte. Daher beginne ich, ein wenig nachzuforschen, wie ich mich dabei zu verhalten habe und was zu veranlassen ist.

Und da sich für mich als Motorradfahrer einige Spezialitäten vorhanden sind, habe ich mir überlegt, diese Erkenntnisse zu teilen mit dir.

Grundlagen zu Ordnungswidrigkeiten im Ausland

Bis vor einigen Jahren war die Welt noch recht einfach in schwarz und weiß aufgeteilt. Trotz der Tatsache, dass wir alle eine große glückliche europäische Familie darstellten, war es so, dass ein Strafzettel aus Frankreich auch in Frankreich geblieben ist. Für das benachbarte Ausland war es zwar möglich aber doch recht schwer, Halterauskünfte zu erlangen, damit war eine massenhafte Bearbeitung von französischen Bußgeldbescheiden mit viel zu hohem Aufwand verbunden und hat sich für keinen gelohnt.

Somit war es ganz einfach. Wer im Ausland „geblitzt“ wurde, konnte darauf vertrauen, dass ihm hier nichts passieren wird. Denn uns haben nur Nachrichten deutscher Behörden interessiert.

Inzwischen ist das ein wenig anders. Seit Mitte 2010 existiert die grundsätzliche Möglichkeit, grenzüberschreitend innerhalb der EU „Strafzettel“ zu verfolgen und zu vollstrecken, seit 2013 sogar eine die Möglichkeit, automatisierte Halterauskünfte mit dem Ausland auszutauschen. Damit war der Weg frei, einen Bußgeldbescheid aus Frankreich zu mir nach Hause zu schicken und dann dafür zu sorgen, dass ich diesen auch bezahlen muss.

Und wie ist das in meinem speziellen Fall?

Na ja, bei mir im Urlaub war das ganz einfach. Bei uns in der BRD wird von vorne geblitzt. Kennt jeder. Für mich als Motorradfahrer ist das somit eigentlich kein Problem. Auch wenn es mir natürlich niemals im Traum einfallen würde, auch nur irgendwann zu schnell fahren zu wollen, könnte ich mir vorstellen, dass ein Frontfoto von mir (auf dem eben kein Kennzeichen zu sehen ist) nicht zu einer unmittelbaren Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit führen würde. Somit wäre es eben egal, wenn ich geblitzt würde. Habe ich natürlich nur gehört. Hüstel.

In Frankreich ist das natürlich ein wenig anders. Eigentlich ist es (gefühlt) fast überall anders. Das Zauberwort heißt „Halterhaftung“. Dies bedeutet, es ist grundsätzlich recht wurscht, wer mit dem Fahrzeug konkret geblitzt worden ist. Den Strafzettel bekommt der Fahrzeughalter zugestellt. Und der muss sich dann um die Begleichung desselben kümmern, oder entsprechende Auskünfte von sich aus geben. Dies führt dazu, dass in Frankreich von hinten „geblitzt“ wird. Damit ist dann auch mein Kennzeichen auf dem Bild, dies kann per automatisierter Halteranfrage meinem Motorrad zugeordnet werden, meine Adresse wird nach Frankreich übermittelt, die dortige Bußgeldbehörde sendet mir einen Strafzettel zu.

Eigentlich eine ganz logische und nachvollziehbare Geschichte.

Der Ablauf des Bußgeldverfahrens

Natürlich ist das jetzt nicht ganz so schön für mich. Deshalb habe ich noch ein wenig recherchiert. Wie sind denn die Regeln aus dem Ausland? Was passiert, wenn ich nicht bezahle? Muss ich dann eine Vollstreckung bei mir fürchten? Bekomme ich Punkte? Erzwingungshaft? Hilft eine deutsche Behörde den französischen Stellen? Muss ich ein Leben auf der Flucht planen? Fragen über Fragen…

Tatsächlich ist es so, dass eine deutsche Behörde den ausländischen Stellen bei der Vollstreckung des Bußgeldbescheids und der Beitreibung der Forderung hilft. Es handelt sich dabei um das Bundesamt für Justiz. Unter welchen Umständen hilft nun die deutsche Behörde bei der Vollstreckung?

Bußgeldbescheid muss rechtmäßig sein

Ein ausländischer Bußgeldbescheid muss rechtmäßig sein. Und zwar nach den dortigen Regeln. Dies kann natürlich schon ein wenig bizarr sein. Früher (ob es jetzt noch so ist, weiß ich net) war es ja so, dass in Österreich die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs bis 80 km/h durch einen erfahrenen Schutzmann geschätzt werden konnte. Das ist dann rechtmäßig. Wie beschrieben, der Bußgeldbescheid muss nach dortigem Recht passen.

In meinem Fall trifft das zu. Die Geschwindigkeitsmessung war (höchstwahrscheinlich) nach französischem Recht in Ordnung, die Beschilderungen (wahrscheinlich) auch, somit brauchen sich die dortigen Behörden (und ich) sich keine Sorgen zu der Geschichte machen.

Ich muss den Strafzettel lesen können

Ja. Ich muss natürlich auch wissen, was mir vorgeworfen wird. Wenn ich einen Strafzettel in bulgarischer Sprache im Briefkasten habe, hilft das nicht besonders weiter. Damit ein EU-Bußgeldbescheid hier ordentlich mit deutscher Rechtshilfe vollstreckt werden könnte, muss dieser in deutscher Sprache verfasst sein.

Was bei mir der Fall war. Irgendwie. Ein recht eigentümliches Deutsch mit Worten, die ich nachschlagen musste, aber immerhin. Somit war das recht einfach. Immerhin konnte ich nachvollziehen, wo, wie und mit welcher Geschwindigkeit mein Motorrad geblitzt worden ist. Ist erfüllt.

Der Betrag muss passen

Na ja. Es gibt halt so etwas wie eine Bagatellgrenze. Wenn ein Bußgeldbescheid (einschließlich Gebühren) den Betrag von 70 € nicht überschreitet, findet keine Rechtshilfe statt. Eigentlich nicht schlecht. Das Problem ist nur, dass im befreundeten EU-Ausland dieser Betrag eigentlich immer, selbst bei lächerlich kleinen Verstößen, überschritten wird. Somit hilft mir das nicht weiter.

Im vorliegenden Fall war ich jeweils über 100 Oken. Schlecht für mich…

Der Bußgeldbescheid darf nicht verjährt sein…

Schon ein wenig besser. Eigentlich. Na ja. Wir in der schönen BRD haben für Verjährungsfristen eine Zeit von drei Monaten zwischen Verstoß und Anhörung. Danach ist der Verstoß verjährt. Gut für uns. Nur leider gelten die ausländischen Verjährungsfristen. Für mich und meinen französischen Strafzettel ist das nicht besonders gut. Die Ordnungswidrigkeit selbst verjährt erst nach einem Jahr, die Vollstreckungsfrist erst zwei Jahre nach Eingang des Bußgeldbescheids. Blöd für mich.

Das Schuldprinzip

Schon besser. Ich muss, auch nach deutschem Recht, die Schuld an der Situation tragen. Also als Fahrzeugführer beanstandet werden. Hier lohnt es sich für mich, nachzudenken. Im vorliegenden Fall wurde ich von hinten geblitzt, der französische Bußgeldbescheid wurde auf Grund der Halterhaftung an mich gesandt.

Kurz nachdenken… j eigentlich bin ich ja gar nicht gefahren. Ich bin ja eigentlich nur Fahrzeughalter, habe also mit dem Verstoß als solchem gar nichts zu tun. Wer gefahren ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Oder vielleicht auch nicht. Kann ich so nicht sagen. Kann sein, dass ich dies dann der französischen Behörde mitteilen muss, ist aber gar nicht so einfach. Das (blaue) Antwortformular, was ich erhalte, ist nämlich in französisch. Spreche ich nicht, kann ich auch nicht schreiben. Daher ganz einfach: Einen einfachen Brief verfassen, in der ich mein Problem schildere (bin nicht gefahren, blabla). Und natürlich förmlichen Widerspruch einlegen.

Was kommt dabei heraus?

Nun, ich habe meinen Widerspruch rechtzeitig (nämlich praktisch sofort) abgeschickt. Und dann habe ich zugewartet. Tatsächlich kam dann bald eine Reaktion. Wieder aus Frankreich, nicht vom Bundesamt für Justiz. Ein französisches Anschreiben mit einem neuen Bußgeldbetrag, diesmal noch höher. Leider kann ich immer noch kein französisch. Nicht mein Problem. Und seitdem nichts mehr, inzwischen jetzt gut eineinhalb Jahre lang.

Bin ich davon gekommen? Ja, ich schätze schon. Ist das auch eine Möglichkeit für dich? Vielleicht.

Für dich als Motorradfahrer:

Falls dir ähnliches passiert, überlege folgende Punkte:

Du bekommst einen Bußgeldbescheid aus dem Ausland. Ist er in verständlicher deutscher Sprache abgefasst? Mit deinen Rechten als Betroffener? Der Google-Übersetzer reicht dabei für die Bußgeldbehörde aus dem Ausland nicht aus. Man sollte schon irgendwie verstehen können, um was es geht. Wenn nicht, Widerspruch einlegen und eine Kopie für das Bundesamt für Justiz aufheben, falls eine Mitteilung über Vollstreckung von dort ergeht.

Wurdest du geblitzt? Von hinten? Ist als Motorradfahrer wohl die einzige Möglichkeit. Wenn ja, dann überlege, ob du tatsächlich gefahren bist… Wenn es nämlich lediglich um die Halterhaftung geht und der Fahrer nicht zu ermitteln ist, bist du als Halter nicht automatisch verantwortlich. Widerspruch einlegen und eine Kopie für das Bundesamt für Justiz aufheben, falls eine Mitteilung über Vollstreckung von dort ergeht.

Wann war der Verstoß? Auch nicht unwichtig. Auch wenn viel über deutsche Behörden gelästert wird, sie sind unheimlich effektiv im Vergleich zu anderen europäischen Behörden. Selbst lächerlich lange Verjährungsfristen aus dem Ausland können verstreichen, bis du mal einen Brief bekommst. Verjährungsfristen also prüfen, wenn sie nicht passen: Widerspruch einlegen und eine Kopie für das Bundesamt für Justiz aufheben, falls eine Mitteilung über Vollstreckung von dort ergeht.

Zu guter Letzt: Prüfe, woher der Bußgeldbescheid kommt. Aus Italien wird beispielsweise ein Inkassounternehmen beauftragt, aus Kroatien kann es sein, dass dir ein Rechtsanwalt schreibt. Blödsinn. Einfach weg ignorieren.

Probleme bei meiner Lösung

Na ja, alle diese Ratschläge helfen dir nur, um der Bußgeldvollstreckung hier in Deutschland zu entgehen. Im Ausland, in meinem Fall in Frankreich, gilt der Bußgeldbescheid immer noch. Bedeutet, wenn ich dort mal kontrolliert werde, könnte es durchaus sein, dass mich die Vollstreckung dort trifft. Ich schätze, dann komme ich ums Bezahlen nicht mehr herum. Obwohl es da immer wieder Horrorgeschichten gibt (Beschlagnahme des Motorrads, Zahlung von unmöglichen Beträgen) kann ich da leider nichts belastbares finden. Hat da jemand bereits Erfahrungen?

Die Konsequenz wäre, dass ich auf die Einreise nach Frankreich bis zur Verjährung dort wohl verzichten müsste. Habe ich nicht getan. Aber halt auch in der Erwartung und der bangen Befürchtung, selbst wenn nötig bezahlen zu müssen.

Wenn du also nach deinem Motorradurlaub im Ausland einen Strafzettel nach Hause geschickt bekommst, prüfe einige grundlegende Dinge. Vielleicht kommst du um eine Zahlung herum, wenn nicht, Zähne zusammen beißen und halt Geld abdrücken.